Politik

Für sie verlief das Jahr 2017 erfreulich: Markus Söder erfuhr, dass er Ministerpräsident Horst Seehofer ablösen wird, die Grüne Katharina Schulze avancierte zur Fraktionschefin im Landtag, Natascha Kohnen wurde zur bayerischen SPD-Chefin gewählt (von links, Fotos dpa)

22.12.2017

Gewinner, Verlierer, Top- und Flop-Ideen

Was lief gut, was schlecht, was war überflüssig, und was hat gefehlt: Ein Blick zurück auf das landespolitische Jahr 2017

Überraschendste Wendung Horst Seehofer ist berüchtigt für seine Wendemanöver. Zu seinem aktuellsten drängten ihn Parteifreunde: Und so hat er nicht nur aufgehört, Markus Söder zu bekriegen – er unterstützt ihn jetzt sogar. Seehofer will sich als Regierungschef vorzeitig zurückziehen und im Frühjahr an seinen ärgsten Rivalen Söder übergeben. Die kollektive Erleichterung der Christsozialen über die neue Geschlossenheit war gepaart mit der Frage: Warum erst jetzt? Das hätten wir alles schon früher haben können. In der Tat: Der Großteil der CSU-Basis war stinksauer über den Dauerkrieg, die Außenwirkung der Partei hat erheblich gelitten. Unnötigste Aktion In der Flüchtlingspolitik hat die CSU zuletzt das Gespür für das rechte Maß verloren. Und damit auch viele ihrer Anhänger verärgert. So geht es zu weit, dass Pfarrer, die Kirchenasyl gewähren, im Freistaat damit rechnen müssen, als Straftäter wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt verfolgt zu werden. Das ist einer Partei, die das C im Namen trägt, unwürdig. Inakzeptabel ist auch, dass die Polizei in einer Berufsschule aufgekreuzt war, um einen afghanischen Schüler festzunehmen, der sich der Abschiebung widersetzt hatte. Unverständlich ist daneben, dass es Flüchtlingen kaum mehr gelingt, in Bayern eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Die Asylverfahren ziehen sich teilweise über Jahre hin – die jungen Leute sitzen derweil untätig in den Unterkünften herum – wem soll das nützen? Spektakulärste Entscheidung Bayern kehrt nach unendlichem Hin und Her zurück zum G9. Ob das sinnvoll ist, sei dahingestellt. Viele CSU-ler fanden die Abkehr vom G8 falsch. Aber Horst Seehofer wollte das lästige Thema vor der Landtagswahl abräumen. Zudem war er besorgt wegen eines von den Freien Wählern initiierten Volksbegehrens, das die Abschaffung des G8 zum Ziel hatte – am Ende war es indes nicht erfolgreich, erzielte nur klägliche 2,9 Prozent Zustimmung. Richtig ist, dass das achtjährige Gymnasium einst unter Edmund Stoiber überhastet eingeführt worden war und lange unter seinen Geburtsfehlern litt. Gleichwohl hatten viele Schüler kein Problem mit der verkürzten Gymnasialzeit. Doch überambitionierte Eltern nahmen das G8 gern als Vorwand dafür, dass die Schule schuld sei am Misserfolg der Sprösslinge. Das jahrelange Hin und Her ist vermutlich eines der teuersten Manöver in der bayerischen Schulgeschichte: Das Finanzministerium beziffert die Kosten für neue Klassenräume und Schulgebäude angeblich auf 300 Millionen Euro. Hinzu kommen die Kosten für etwa 1000 neue Lehrer. Schwierigster Drahtseilakt Ob die 3. Startbahn am Münchner Flughafen kommt, ist nach wie vor offen. Klar ist, dass die CSU sie will. Doch was sie gar nicht will, ist ein Zoff hierüber im Wahljahr 2018. Die CSU-Anhänger mussten schließlich schon genug verkraften, weshalb die Partei zurzeit in Umfragen nicht gut dasteht. Wenngleich die Werte nach der Ausrufung des neuen Schmusepaars Seehofer-Söder wieder leicht gestiegen sind. Die Crux an der Sache ist, dass die Münchner Bevölkerung die Piste in einem Bürgerentscheid im Jahr 2012 abgelehnt hatten. Der Münchner Stadtrat versprach daraufhin, sich an das Bürgervotum zu halten – auch wenn dieses rechtlich nicht bindend ist. Auch Münchens OB Dieter Reiter will sich dem Bürgerwillen beugen. Obwohl er als Befürworter der Startbahn gilt. Kürzlich hatte er überraschend eine neuerliche Bürgerbefragung im Jahr 2018 in Spiel gebracht – für den Fall, dass die Flugbewegungen dies hergäben. Unabhängig davon besteht die Möglichkeit, dass der Freistaat die städtischen Anteile der Flughafengesellschaft kauft – somit wäre die Zustimmung Münchens zu einer dritten Piste nicht nötig. Doch ob die Bürger derlei Tricks gut finden? Die CSU, vor allem ihr neuer Hoffnungsträger Söder, hat da im Wahljahr ein äußerst heikles Thema am Bein. Gewinner Nicht nur Markus Söder kriegte im abgelaufenen Jahr endlich, was er wollte. Auch bei SPD und Grünen gab es Aufsteiger. Im Februar wählte die Grünen-Landtagsfraktion die damals 31-jährige Kommunikationswissenschaftlerin Katharina Schulze zur neuen Vorsitzenden. Der Posten war frei, nachdem Amtsinhaberin Margarete Bause angekündigt hatte, für den Bundestag zu kandidieren. Schulze führt die Grünen in einer Doppelspitze mit dem Münchner Ludwig Hartmann. Auch bei der SPD machte eine Frau Karriere: In einem Mitgliederentscheid setzte sich im Mai die damals 49-jährige Biologin Natascha Kohnen gegen fünf männliche Konkurrenten durch. Ein Parteitag bestätigte die Wahl der früheren SPD-Generalsekretärin. Sie soll nun die SPD in die Landtagswahl führen. Im November avancierte Kohnen zudem zur stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden. Verlierer Er ist ein kluger Kopf und war ein beliebter Politiker: Der 52-jährige Politikwissenschaftler Linus Förster saß dreizehn Jahre im bayerischen Landtag, war Vizevorsitzender des Europaausschusses. Ende September wurde er wegen sexuellen Missbrauchs und Besitzes von Kinderpornografie zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt, das Urteil ist rechtskräftig. Sein Landtagsmandat hatte er zu dem Zeitpunkt bereits zurückgegeben, ebenso sein SPD-Parteibuch. Parteifreunde und alle, die ihn kannten, waren geschockt.

Auch bei einem Abgeordneten der Freien Wähler gab es einen Fraktionsaustritt wegen rechtlicher Verfehlungen: Bereits im November 2015 hatte der frühere Sportlehrer Günther Felbinger Selbstanzeige beim Landtagsamt und der Justiz erstattet. Er hatte eingeräumt, unrechtmäßige Werkverträge über die Abgeordnetenpauschale des Landtags abgerechnet zu haben. Zudem seien über Jahre hinweg Mittel aus dem Mitarbeiterbudget mit Scheinverträgen zweckentfremdet worden. Im Juli 2017 trat er aus der Freie Wähler-Landtagsfraktion aus, seither ist er fraktionsloser Abgeordneter.

Verloren hat natürlich auch Horst Seehofer: Sein jahrelanger Kampf gegen Markus Söder endete in der Ausrufung Söders zum Regierungschef in spe. Zudem fuhr die CSU unter Seehofer mit 38,8 Prozent das schlechteste Bundestagswahlergebnis ihrer Geschichte ein. Und die einstige Hoffnungsträgerin Ilse Aigner, Wirtschaftsministerin in Bayern, musste zur Kenntnis nehmen, dass im Nachgang der Bundestagswahlschlappe niemand nach ihr rief – was Aigner, so berichten CSU-Leute, gar nicht fassen konnte. (Waltraud Taschner)

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