Politik

Kurz nach dem Start einer Germanwings-Maschine Ende Januar in Hamburg entschied sich der Pilot zur Umkehr. Grund: kontaminierte Kabinenluft. (Foto: dpa)

24.02.2017

Gift über den Wolken

Husten, Schwindel, Herzrasen: Immer mehr Flugbegleiter, Piloten und Passagiere leiden unter „Fume Events“

Flugbegleiterin Maria Greiner (Name geändert) ist verzweifelt. Seit einem Einsatz im Februar 2016 leidet sie unter Schwindel, Husten, Herzrasen, Atembeschwerden und Sehstörungen. Nur glauben wollen ihr das weder der Arbeitgeber, noch die Berufsgenossenschaft und die Ärzte. „Mir fällt es sehr schwer, mit teilweise unerträglichen Schmerzen den Papierkrieg zu führen“, erzählt sie. Dabei berichten immer mehr Flugbegleiter, Piloten und Passagiere von solchen Symptomen.

Schuld daran ist nach Meinung der Betroffenen kontaminierte Kabinenluft. In fast allen Flugzeugen wird die Atemluft an den Triebwerken abgezapft. Bei sogenannten Fume Events gelangen dabei – oft unbemerkt – Reste von verbranntem Öl, Kerosin oder Enteisungsflüssigkeit ins Flugzeuginnere. Laut Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen gab es zwischen 2006 und 2013 663 Ereignisse mit „deutlichen Anzeichen“ auf eine gesundheitliche Belastung für Flugzeugbesatzungen und „gesundheitliche Beeinträchtigung“ von Flugzeugpassagieren. Letztere leiden unter den gleichen Symptomen, wissen aber meist nicht, warum.

In den letzten acht Jahren meldete das Luftfahrt-Bundesamt über 800 Vorfälle. Bei der Berufsgenossenschaft Verkehr (BG), dem Unfallversicherungsträger für Bordpersonal, meldeten sich 2015 über 450 Menschen, um wegen Fume Events eine Ausgleichsleistung zu bekommen; 2013 waren es lediglich 300. Laut BG werden solche Vorfälle zwar "regelmäßig" als Arbeitsunfall entschädigt. Allerdings eben nur als „Arbeitsunfall“ und nicht als „Berufskrankheit“. Das bedeutet für dauerhaft arbeitsunfähige Flugbeleiterinnen wie Greiner keine Rente.

Ein weiteres Problem: Die einzige auf Fume Events spezialisierte Fachstelle an der Universitätsmedizin Göttingen bietet keine Sprechstunde mehr an. Dabei konnten dort „in einer Vielzahl der Fälle“ Symptome aufgrund kontaminierter Kabinenluft „zweifelsfrei“ nachgewiesen werden. Doch „zum Teil gab es Versuche seitens der Industrie, deren Ergebnisse als unseriös darzustellen“, berichtet Christiane Donath von der Gewerkschaft UFO. 35 000 Menschen haben seitdem eine Petition von Kerstin Konrad unterschrieben, um die Sprechstunde wiederzubeleben. "Ich weiß leider aus eigener Erfahrung weiß, wie schlecht es einem nach einem Flug gehen kann", sagt sie. Immerhin: Bald sollen wieder neue Patienten angenommen werden, versichert ein Unisprecher.

Erkrankungen aufgrund kontaminierter Kabinenluft konnten wissenschaftlich „zweifelsfrei“ nachgewiesen werden

Bayerns Staatsregierung sieht beim Thema Fume Events derzeit keinen Handlungsbedarf. „Wenn sich die Bundesebene damit beschäftigt, ist das kein Fall für die Landesebene“, heißt es aus dem bayerischen Gesundheitsministerium. Das Problem: Der Bund befasst sich seit zehn Jahren damit. Mehr als eine freiwillige Selbstverpflichtung für Unternehmen, solche Ereignisse den Behörden zu melden, ist bisher nicht herausgekommen. Zuständig sei die EU-Kommission und die Europäische Agentur für Flugsicherheit, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium.

Die SPD-Landtagsfraktion in Bayern fordert, die Untersuchungen mit Nachdruck voranzutreiben. "Die körperlichen Beschwerden und gesundheitlichen Einschränkungen von Flugpersonal zeigen, dass hier Handlungsbedarf besteht", betont deren verbraucherschutzpolitischer Sprecher Florian von Brunn. Die Grünen wollen in den kommenden Wochen ein Antragspaket zur Erkrankung durch Umweltgifte in den Landtag einbringen.

Die Lufthansa lässt jetzt immerhin die Zapfluftanlagen in den Maschinen A320 und A321 testweise mit Carbon-Filtern nachrüsten. Bei positiven Messergebnissen soll dies laut eines Unternehmenssprechers auf die A350-Flotte ausgeweitet werden. Mitarbeiter befürchten aber, dass dadurch nur der unangenehme Geruch minimiert wird, die Giftstoffe aber weiterhin ins Flugzeuginnere gelangen. Für die wohl einfachste Lösung macht sich der grüne Bundestagsabgeordnete Markus Tressel schon seit Jahren vergeblich stark: nervengift-freie Öle verwenden. (David Lohmann)

Kommentare (1)

  1. Sam am 19.08.2017
    Und was tun wir gegen die chemtrails(bodenluft) , wenn wir ncht fliegen??
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