Politik

Katholisch beerdigt: Wer aus der Kirche austritt, hat dieses Recht verwirkt. (Foto: dapd)

28.09.2012

Glauben + zahlen = Frieden?

Bayern ist immer noch das katholischste Bundesland – doch auch hier treten viele Menschen aus der Kirche aus

Was der Mensch glaubt oder nicht glaubt, das ist und bleibt seine höchst private Angelegenheit. Auch nach dem Dekret der Deutschen Bischofskonferenz, das diese Woche in Kraft getreten ist. Ob er sich aber im Sinne der katholischen Kirche als „gläubig“ bezeichnen und die Sakramente empfangen darf, darüber wollen die Bischöfe ein Wort mitreden. Wer aus der Kirche austritt und keine Kirchensteuer mehr zahlt, soll künftig einen Brief seines Pfarrers erhalten, der ihn zum Gespräch bittet. 31 Euro muss zahlen, wer vor dem Standesamt den Austritt aus der Kirche erklärt – 25 Euro für den Vorgang selbst, 6 Euro für die Bescheinigung.
Vergleichsweise wenig gegenüber dem, was sich im Lauf eines Lebens an Kirchensteuer summieren kann. Zwar sind die vielen Kirchenaustritte der letzten Jahre wohl nicht primär auf diese Rechnung zurückzuführen. Doch die Vorbehalte gegenüber der Kirchensteuer wachsen, und vielen geht es dabei ums Prinzip: Dass der Staat für die Kirche Geld kassiert, ja dies sogar zwangseintreiben kann, wird oft als unpassend empfunden in einem Land, in dem Glauben und Staat ja eigentlich getrennt sein sollen.
Für die Kirche hat die „hinkende Trennung“ praktische Vorteile: Der Staat erledigt die Verwaltung der „Mitgliederbeiträge“, dadurch spart die Kirche Geld. Auch der Staat profitiert: Er zieht von der eingenommenen Kirchensteuer eine Art Verwaltungsgebühr ab. Weil der Staat die Kirchensteuer managt, muss der Bürger dem Staat den Austritt erklären.


Verbaler Hammerschlag


Jemanden aus der Kirche auszuschließen, sei nach theologischem Verständnis gar nicht möglich, sagt Sabine Demel, Kirchenrechtlerin an der Universität Regensburg: „Wir bezeichnen das als ‚untilgbares Präge-Mal’: Einmal getauft heißt immer getauft“, so Demel.
Stellt sich die Frage: Kann man aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten und der Kirche trotzdem angehören? Hier scheiden sich die Geister: Kirchenaustritt bedeutet Abfall von der Kirche, ein schweres Fehlverhalten – so sehen es die Bischöfe seit Jahr und Tag. „Wenn ich mich durch einen öffentlichen Akt von der Kirche distanziere, muss das Konsequenzen haben“, betont Robert Zollitsch, Vorsitzender der Bischofskonferenz.
Körperschaft und Glaubensgemeinschaft sind getrennt zu sehen, lautet eine andere Meinung. Die Verknüpfung von Kirchensteuerverweigerung und kirchlichen Sanktionen sieht selbst der Vatikan kritisch. 2006 hat der Päpstliche Rat klare Voraussetzungen für einen wirksamen Kirchenaustritt formuliert: Es müsse sich um eine innere Entscheidung handeln, die nach außen bekundet werde, und die Entscheidung müsse von einer kirchlichen Autorität angenommen werden.
Seither ist viel Zeit vergangen, und im Gegensatz zum Beispiel zu den österreichischen Bischöfen haben die deutschen die Sache auf sich beruhen lassen. Bis jetzt. Dass es nun doch zu einer Einigung mit dem Vatikan kam, daran hat der emeritierte Freiburger Kirchenrechtler Hartmut Zapp einen nicht unerheblichen Anteil. Zapp hatte 2007 den Austritt aus der Körperschaft öffentlichen Rechts erklärt, Kirchenmitglied wollte er aber bleiben. Ihm ging es um den Kurs der deutschen Bischöfe, nicht ums Geld: Sonst hätte er kaum erhebliche Summen an kirchliche Einrichtungen gespendet. Doch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Mittwoch entschieden: Ob es eine geteilte Mitgliedschaft geben kann, könne nur die Kirche selbst entscheiden und nicht der Staat.

Fraglich, ob das Dekret Austritte verhindert


Das Dekret, das mit Zustimmung des Papstes diese Woche in Kraft getreten ist, besagt: Der Abtrünnige darf nicht mehr beichten, kirchlich heiraten oder die Kommunion empfangen, auch ein kirchliches Begräbnis kann verweigert werden. Vor allem aber soll der Austritt nicht mehr so sang- und klanglos wie bisher verlaufen, denn der Betreffende soll in Zukunft einen Brief bekommen, unterschrieben vom örtlichen Pfarrer. „Ihre Entscheidung ist mir, wie Sie verstehen werden, keineswegs gleichgültig“, heißt es darin. „Ich würde gern mit Ihnen über die Gründe sprechen und habe als Seelsorger auch die Pflicht, die Motivation Ihres Kirchenaustritts zu erfragen.“
Fraglich ist, ob das Dekret geeignet ist, einen Austritt zu verhindern. Oder ob der Brief des Pfarrers dazu führen wird, dass ein Abtrünniger wieder in die Kirche eintritt. Und was, wenn als Motivation für den Austritt die Intransparenz kirchlicher Strukturen genannt wird oder die Stellung der Frau in der Kirche? Was wird die Kirche mit dieser Information anfangen?
Aus welchen Gründen auch immer die Gläubigen der Kirche den Rücken kehren: Die Zahl der Austritte ist seit Jahren auf Rekordhoch. Auch in Bayern, das zwar mit 54,4 Prozent Katholiken in der Bevölkerung immer noch das katholischste Bundesland ist. Innerhalb von zehn Jahren hat die katholische Kirche im Freistaat aber fast 600 000 Schäflein verloren: Gab es 2001 noch 7,4 Millionen Katholiken in Bayern, waren es 2010 nur noch 6,8 Millionen. Wobei die Austrittswelle im Skandaljahr 2010 ihren Höhepunkt erreichte, seither aber auf hohem Niveau weiterrollt. Dem müsse man sich stellen, fordert der Verein „Wir sind Kirche“– und bezeichnet das aktuelle Dekret als „völlig falsches Signal zum falschen Zeitpunkt.“
Auch Kirchenrechtlerin Sabine Demel hält das Vorgehen der Bischöfe für „ungeschickt“. Die Österreicher hätten das Problem eleganter gelöst: Sie hätten die Frage nach den Gründen für den Austritt in den Vordergrund gestellt und nicht die Sanktionen. Dagegen seien die deutschen Formulierungen „hammerschlagartig“, meint Demel, das pastorale Anliegen komme nicht genügend zum Ausdruck.
Nach Ansicht von Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, gibt es keine Alternative zur Kirchensteuer: Die Finanzierung der Kirche könne nicht „auf Beliebigkeit beruhen“, sagt Glück.
Doch damit die Akzeptanz der Kirchensteuer wächst, braucht es noch etwas anderes: eine breitere Zustimmung zum Handeln der Kirche. (Anke Sauter)

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