Politik

Frauen als Chefinnen: auch heute noch eine Seltenheit (Foto: dapd)

27.05.2011

"Gottverdammte Pflicht"

Über Frauenförderung, Frauenquote und Familienmodelle diskutierte die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) mit Politik, Gewerkschaft und Wirtschaft

Ist von Frauenförderung die Rede, beschränkt sich die Debatte meist auf das Thema „Frauenquote – Ja oder Nein“. Bei der jüngsten Veranstaltung der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) ging es etwas differenzierter zu: Die meisten Diskutanten forderten eine veränderte Arbeitskultur mit flexibler Vollzeit. Dafür lehnten die männlichen Redner die Frauenquote ab – mit teilweise althergebrachten Argumenten. Mit zufriedenem Gesichtsausdruck schaute der Hausherr vom Rednerpult auf die Zuschauerreihen: „Heute sind wir Männer in der Unterzahl, daran sollten wir uns gewöhnen“, sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw). Die zahlenmäßige Übermacht der Frauen im Europasaal lässt sich freilich auch anders interpretieren: Wenn es um Frauenförderung geht, ist das Aufkommen daran interessierter Männer nach wie vor überschaubar.
Immerzu verfügbar sein: Warum eigentlich?
So waren es erwartungsgemäß überwiegend Frauen, denen Brossardt mit Donnerstimme ein Stakkato an Thesen angedeihen ließ: „Frauen rennen in Unternehmen offene Türen ein.“ „Der Fachkräftemangel wird die weibliche Erwerbstätigkeit weiter erhöhen.“ „99 Prozent der Unternehmen bieten frauenfreundliche Maßnahmen an.“ „Es ist Aufgabe des Staats und nicht der Unternehmen, die Kinderbetreuung zu sichern.“
Schließlich kam er auf die Frauenquote zu sprechen, die er für manche Betriebe als Ding der Unmöglichkeit beschrieb: In der Metall- und Elektrobranche betrage der Frauenanteil insgesamt 20 Prozent; 8 Prozent der zweiten Führungsebene seien weiblich, 13 Prozent Frauen machten die dritte und vierte Führungsebene aus. „In solchen Betrieben hat eine Frauenquote von 30 Prozent keinen Sinn, weil dazu keine Frauen da sind“, rechnete Brossardt vor. Diese Ansicht mache ihn aber nicht zum Quotengegner, findet er.
Auch diese beiden Aussagen des Hauptgeschäftsführers können ganz anders interpretiert werden. Und das tat Mechthilde Maier, Leiterin der Group Diversity Management der Deutschen Telekom. Ihre Ansätze bildeten den Antipoden zu Brossardts Überzeugungen. Bei Letzteren habe sie „hier und da schnaufen müssen“, leitete sie ihr Referat ein. Dabei ist Maier keineswegs eine Vorreiterin der Frauenbewegung: „Vor 20 Jahren bin ich vor allem weggelaufen, das irgendwie mit Frauenförderung zu tun hatte“, sagte sie.
Heute empfindet es die Betriebswirtin als richtig, dass ihr Arbeitgeber bis 2015 eine 30-prozentige Frauenquote für die Führungsgremien durchsetzen will. Einen Grund, den Bonner Großkonzern dafür mit einer Jubelarie zu bedenken, sah Maier offensichtlich nicht: Oft bekomme sie Fadenscheiniges von männlichen Vorgesetzten zu hören, warum sie eine Stelle nicht weiblich besetzen: „Ich habe keine Frau bekommen.“ „Die Stelle wollte sowieso keine.“ „Die Position ließ sich nicht mit der Familie vereinbaren.“
Wie wütend derlei Erklärungen Maier machen, ließ sich aus dieser Reaktion ablesen: „Es ist die gottverdammte Pflicht des Arbeitgebers, dass seine Arbeitnehmerinnen Familie und Beruf vereinbaren können.“ Als einen Weg dahin fordert Maier die flexible Vollzeit. Außerdem müsse die Devise lauten: „Freizeit ist Freizeit, außer in Notfällen. Wir müssen dringend unsere Arbeitskultur verändern und von der uneingeschränkten Verfügbarkeit wegkommen.“ Speziell Arbeitnehmerinnen müssten umworben werden, damit sie gerne in einem Unternehmen tätig sind. Das waren denkwürdige Worte in Zeiten, in denen etliche Chefs ihre Angestellten als Unkostenfaktor behandeln. Das gilt besonders für Frauen, die Familie haben.
Folgendes ist längst ein Mantra unter Politik- und Wirtschaftsvertretern, das den meisten von uns einleuchtet: Würden mehr Frauen Technik studieren, hätten sie bessere Chancen, in der freien Wirtschaft Führungspositionen zu übernehmen. Dieses Argument – das auch Brossardt wählte – entkräftigte Maier aus ihrer eigenen Praxis: Viele hohe Positionen bei ihrem Arbeitgeber hätten mit Technik gar nichts zu tun. Vielmehr seien Kenntnisse in Marketing und Personalentwicklung gefragt. Bereiche, in denen Frauen äußerst erfolgreich seien.
„Es gilt, ein Umfeld zu schaffen, indem sich die Frage Karriere oder Kind gar nicht erst stellt. Beides muss möglich sein – für Frauen und Männer.“ So ein Satz aus dem Mund eines Mannes erntet naturgemäß Applaus von Frauen. Den bekam André Ponndorf, Fachgruppenleiter IT des Schrobenhauser Unternehmens Bauer. 64 unterschiedliche Teilzeitmodelle gebe es bei seinem Arbeitgeber. Dieser habe auch eine Anschubfinanzierung für die kommunale Kinderbetreuung geleistet, was alle Unternehmen tun sollten. Die Frauenquote lehnt er dennoch ab: „Leistungsfähigkeit lässt sich nicht mit der Quote steuern.“ Ein gängiges Argument aus der Mottenkiste der Quotendiskussion, mit dem die Undurchlässigkeit von Männernetzwerken ignoriert wird.
Damit löste Ponndorf bei den drei weiteren Diskutantinnen ein müdes, wissendes Lächeln aus: Vielleicht waren es ja auch solche Einwände, die Landtagspräsidentin Barbara Stamm vor drei Jahren von der Quotengegnerin zur -befürworterin werden ließen: „Die Frauenförderung ging mir zu langsam voran, auch in meiner Partei der CSU“, sagte sie. Dabei stehe doch fest: „Ohne qualifizierte Frauen ist die Zukunft nicht zu bewerkstelligen.“ Für Grünenfraktionschefin Margarete Bause ist die Quote sowieso nur der Ausgangspunkt, um die Arbeitswelt zu verändern: „Damit ist Druck im Kessel“, sagte sie. Will heißen: Dann wird für eine freie Stelle die geeignete Frau gesucht – und gefunden. Luise Klemens, Landesbezirksleiterin von Verdi in Bayern, ist – dank Quote – mit dem Frauenanteil in ihrer Gewerkschaft zufrieden: „50 Prozent in den Gremien, 50 Prozent bei den Mitgliedern.“
Diskussionen über Frauenförderung könnten künftig weitgehend überflüssig werden: Sowohl in Brüssel als auch in Berlin beraten Politiker derzeit, ob eine 30-prozentige Frauenquote für Führungspositionen in Unternehmen Pflicht werden soll oder nicht. (Alexandra Kournioti)

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