In Bayern entzündet sich ein neuer Kruzifix-Streit. Nach dem Beschluss des Kabinetts unter Führung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu Kreuzen in Landesbehörden hagelt es Kritik. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, mahnte in dem Zusammenhang eine humane Flüchtlingspolitik an: "Das Entscheidende ist, dass das Kreuz nicht nur an der Wand hängt, sondern auch vom Inhalt her mit Leben erfüllt wird", sagte der Landesbischof am Mittwoch in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
"Das Kreuz ist genau die Grundlage dafür, dass wir immer wieder auch unbequeme Fragen an die Staatsregierung stellen", sagte er. Das Kreuz bedeute auch "Feindesliebe, Einsatz für die Schwachen, universales Liebesgebot; also nicht die Benutzung des Kreuzes zur Abwehr gegen andere, sondern als Grundlage dafür, dass wir eine Verantwortung für alle Menschen haben." Dies gelte auch für Flüchtlinge, sagte Bedford-Strohm.
Am Vortag hatte das Kabinett beschlossen, dass in allen Behördengebäuden unter der Verwaltung des Freistaats im Eingangsbereich ein Kreuz angebracht werden soll. Söder hatte dabei betont, das Kreuz stehe nicht für eine Religion, sondern sei ein "Bekenntnis zur Identität" und zur "kulturellen Prägung" Bayerns: "Das Kreuz ist nicht ein Zeichen einer Religion."
Bedford-Strohm widersprach Söder auch in dieser Frage: "Wir als Christen und wir als Kirchen werden natürlich immer wieder darauf hinweisen, dass das Kreuz zuallererst ein religiöses Symbol ist. Und wir werden auch immer wieder auf den Inhalt des Kreuzes hinweisen." Und weiter: "Wer das Christentum vereinnahmt, um nur die eigenen Ziele zu legitimieren, der hat das Kreuz nicht verstanden." Diesen Vorwurf wolle er aber niemandem konkret machen, betonte der Landesbischof.
Muslime haben kein Problem mit dem Kreuz
Das Thema Kruzifixe in öffentlichen Gebäuden ist in Bayern nicht neu, sondern wurde bereits in den 1990er Jahren heftig diskutiert. 1995 beschlossen die Verfassungsrichter in Karlsruhe, dass die bis dahin gültige Pflicht, in bayerischen Klassenzimmern Kreuze anzubringen, nicht verfassungskonform ist: Sie verstoße gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit und die staatliche Neutralitätspflicht. Der Aufschrei in konservativen und katholischen Kreisen war groß. Sogar der sonst als zurückhaltend geltende Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, demonstrierte damals für das Kreuz an Schulen. Passende Pointe: Söder hängte am Dienstag in der Staatskanzlei ein Kreuz auf, das einst Wetter geweiht hatte.
In den meisten bayerischen Schulen hängen bis heute Kreuze. Das bayerische Unterrichtsgesetz wurde nach dem Karlsruher Urteil lediglich so verändert, dass die Schulleitung bei Konfliktfällen eine gütliche Einigung herbeiführen muss, wenn "der Anbringung des Kreuzes aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung widersprochen" wird.
Kritik an Söders Entscheidung kam Mittwoch auch von wissenschaftlicher Seite. Thomas Schüller, Kirchenrechtler an der Universität Münster, sagte: "Wer politisch das Kreuz so instrumentalisiert, begreift nicht einmal im Ansatz theologisch die im Ersten Korintherbrief genannte Torheit des Kreuzes, die Stachel im Kreuz der Mächtigen und Hoffnungszeichen für die Schwachen und Entrechteten ist", sagte er der Deutschen Welle.
Einen Missbrauch des Christentums warf der katholische Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose dem Ministerpräsidenten vor: Er habe in den vergangenen Wochen mit vielen Christen gesprochen, schrieb Hose im sozialen Netzwerk Facebook in dem offenen Brief an Söder. "Viele empfinden es zunehmend als eine Provokation und als Heuchelei, wie Sie über das Christentum öffentlich reden. In unserer Wahrnehmung wird das Christentum von Ihnen dazu missbraucht, um die Ausgrenzung von Menschen anderen Glaubens zu betreiben. Über diese Entwicklung bin ich gemeinsam mit vielen anderen sehr besorgt."
Dabei legt Söder traditionell großen Wert auf seine eigene christliche Prägung: Der Franke war bis Anfang des Jahres Mitglied der Landessynode der evangelischen Kirche in Bayern, trat aber aus Zeitgründen zurück, als sein Aufstieg zum Ministerpräsidenten feststand.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir Muslime haben kein Problem mit dem Kreuz, überhaupt mit der Wertschätzung der Religion im gesellschaftlichen Leben. Die staatliche Neutralität sollte dabei aber stets gewahrt bleiben. Was nicht geht, ist die Doppelmoral, christliche Symbole zu akzeptieren, aber muslimische, jüdische oder andere aus der Öffentlichkeit zu verbannen." (Bernward Loheide und Kathrin Zeilmann, dpa)
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