Politik

Bier und Hendl gratis? Politiker - vor allem aber Beamte – müssen da aufpassen. (Foto: dpa)

27.06.2014

Heikle Gunstbezeugungen

Warum dürfen sich Politiker von Unternehmen einladen lassen, Beamte aber nicht? Fachleute fordern klarere Regeln

In knapp drei Monaten beginnt die Wiesn. Unternehmen nutzen den Event gern zur Kontaktpflege, bitten Geschäftspartner und auch mal Politiker zum Bier. Doch spätestens seit dem Wirbel um gesponserte Wiesnbesuche von Ex-
Bundespräsident Wulff dürften viele ins Grübeln geraten. Was ist noch erlaubt?
Am einfachsten haben es bei der Entscheidungsfindung Beamte: Sie dürfen im Zweifelsfall gar nichts. Eine Einladung auf die Wiesn zum Beispiel müssen sich selbst Top-Beamte in Bayerns Ministerien vom Amts- beziehungsweise Personalchef genehmigen lassen. Erlaubt sind etwa Einladungen von Konsuln an Amtschefs – zur Kontaktpflege. Grundsätzlich sollte ein dienstlicher Zusammenhang bestehen.

Wer gar nichts annimmt, ist auf der sicheren Seite  - aber ist das praktikabel?


Geregelt ist das Ganze im bayerischen Beamtengesetz und Beamtenstatusgesetz. Als nicht akzeptable Geschenke und Belohnungen gelten dort „alle unentgeltlichen Zuwendungen, auf die Beamtinnen und Beamte keinen gesetzlich begründeten Anspruch haben“. Erlaubt sind „geringwertige Aufmerksamkeiten“. Im Bereich der Staatsverwaltung hat man sich auf einen Gegenwert von 15 bis 25 Euro verständigt. Klaus Wenzel, Präsident des bayerischen Lehrerinnen und Lehrerverbandes würde das für Pädagogen noch strenger fassen: „Geschenke im Wert von über 5 Euro sind für Lehrer tabu.“
Maximilian Baßlsperger, Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern, kritisiert, dass es keine klare Obergrenze dafür gibt, was als „geringfügig“ gilt. Er rät seinen Studenten deshalb, Geschenke im Wert von mehr als 5 Euro nicht anzunehmen.
Stephan Grüninger, Professor an der Hochschule Konstanz mit Schwerpunkt Compliance und Direktor des Instituts für Corporate Governance, weiß von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die sagen, dass sie nicht einmal mehr einen Kaffee annehmen dürfen. „Man kann es sich einfach machen und verbietet einfach alles. Das ist praktisch für Denkfaule in Sachen Compliance.“ Grüninger hält das für unfair gegenüber den Mitarbeitern, die so von Haus aus ins Unrecht gesetzt würden. „Und man weiß, dass es in der Praxis nicht funktioniert.“

Einladungen haben immer eine Auswirkung, sagt eine Studie


In München drückte man bis vor Kurzem bei Wiesn-Einladungen zu Bier und Hendl ein Auge zu. Jetzt gilt: Geschenke bis 25 Euro sind grundsätzlich erlaubt, auch Wiesngutscheine. Essenseinladungen müssen „üblich und angemessen“ sein und dienstlichen Bezug haben. Andere Städte legen die Grenzen teilweise niedriger. Der Klarheit dient all das nicht. Doch zu einheitlichen Vorgaben konnte sich Bayern bis heute nicht durchringen. Anders übrigens als der Bund: Für Beamte des Bundes gelten 25 Euro als Höchstgrenze.
Politiker haben’s da leichter – oder, was die Entscheidungsfindung angeht, schwerer. Für sie gibt es, was Einladungen betrifft, keine eindeutigen Vorgaben. Die CSU hat vor einigen Monaten im Nachgang zur Verwandtenaffäre im Landtag einen „Verhaltenskodex“ für ihre Mandatsträger erarbeitet. Dort heißt es zum Beispiel, dass „Interessenkonflikte, die durch Geschenke und geldwerte Vorteile entstehen könnten“, vermieden werden müssen. Allerdings seien „allgemein übliche Gesten ... davon nicht betroffen“. Was immer der Einzelne halt drunter versteht ... Die Wiesn- oder Essenseinladung zum gepflegten Dinner dürfte für die meisten Politprofis durchaus „üblich“ sein.
Im Landtag klären die „Verhaltensregeln“ für Abgeordnete, was grundsätzlich erlaubt ist: Die „Teilnahme an Veranstaltungen zur politischen Information, zur Darstellung der Standpunkte des Landtags oder seiner Fraktionen“ ist erlaubt. Das können Einladungen sein zu parlamentarischen Abenden und sonstigen „Veranstaltungen zur politischen Information, die im Rahmen der parlamentarischen Praxis üblich, zeitgemäß und damit auch zulässig sind“.
Daneben appellieren die Verhaltensregeln an das Fingerspitzengefühl der Abgeordneten. Und außerdem, sagt Landtagssprecher Anton Preis, stehe ja auch „der Einladende in der Verantwortung“. Also in der Regel Unternehmen. Dort gelten meist ohnehin strenge Compliance-Vorgaben. Der Regensburger Arbeitsrechtler Bernd Wittmann hat beobachtet: Die Sensibilität im Bereich Compliance ist in der freien Wirtschaft stärker ausgeprägt als im öffentlichen Dienst. „Die Unternehmen fürchten wirtschaftliche Einbußen, wenn Berichte über Korruption beziehungsweise Bestechung bekannt werden“, sagt Wittmann.
Also alles kein großes Problem mehr? Der Transparenzexperte Gregor Hackmack, Gründer der Plattform abgeordnetenwatch.de, zitiert in seinem soeben erschienenen Buch Demokratie einfach machen – Ein Update für unsere Politik eine beunruhigende Studie. Erarbeitet wurde sie 2012 von den Wirtschaftsprofessoren Ulrike Malmendier (University of California, Berkeley) und Klaus Schmidt (Universität München). Sie weist nach, dass bereits kleine Zuwendungen wie eine Wiesn-Einladung das Verhalten der Beschenkten beeinflussen und Lobbyisten helfen, sich Politiker gewogen zu machen. Und das, bilanziert Hackmack, sei „sehr schädlich für die Demokratie“. ( Angelika Kahl / Waltraud Taschner)

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