Nachdem er sich an seiner geplanten Bierpreisbremse PR-technisch eher verschluckt hat, winkt Münchens zweitem Bürgermeister Josef Schmid (CSU) am Freitag, 23. Juni, ein Wohlfühl-Termin: Der Politiker schaltet, pünktlich um 11.30 Uhr, Bayerns erste kommunale Crowdfunding-Website frei. Zu verdanken hat Schmid das Pilotprojekt der zwar noch jungen, aber ziemlich rührigen Abteilung des Münchner Wirtschaftsreferats namens „Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft“. Und der ambitionierte Vize-OB wird sich dazu beglückwünschen, dass er sich die Truppe beim Ressortzuschnitt nach der Wahl 2014 in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsreferent unterstellt hat.
Es handelt sich bei besagter Website um eine sogenannte Partner-Page, die Schmids Kompetenzteam gemeinsam mit der Berliner Agentur Startnext entwickelt hat. Nach Angaben von Jürgen Enninger, Leiter des Münchner Kompetenzteams Kreativwirtschaft, soll dadurch Künstlern aus München und der gesamten Metropolregion die Möglichkeit gegeben werden, kulturelles Crowdfunding professionell zu betreiben.
Die Musiker, Maler und Filmemacher stellen dabei ihr Projekt knapp, aber gut verständlich vor, erläutern, wofür sie konkret noch welche Summe brauchen – und finden dann, hoffentlich, genug großzügige Mitbürger, welche die jeweilige Idee unterstützen. Startnext übernimmt dabei den technischen und organisatorischen Teil, die Stadtverwaltung koordiniert und achtet darauf, dass die Qualität stimmt. Kommt die benötigte Summe nicht zusammen, kümmert sich Startnext um die Rücküberweisung an die Einzahler.
Das Modell Crowdfunding (wörtlich übersetzt: Schwarmfinanzierung, also eine breit gestreute Unterstützung durch viele private Einzelspender) ist ein geistiges Kind der Kultur- und Kreativszene – wo es ja häufig gute Ideen, aber wenig Bares gibt. Sie setzt sich aber inzwischen auch in anderen öffentlichen Bereichen durch.
Die Firma Startnext ist in Bayern neben München auch in Nürnberg aktiv. In der Frankenmetropole möchte etwa ein deutsch-brasilianischer Verein für den 21. und 22. Juli im Tucherschloss eine sogenannte Festa de Choro auf die Beine stellen, ein Latino-Musikfestival, für das auch Musiker vom Zuckerhut eingeflogen werden sollen. Rund 2000 Euro benötigen die Organisatoren noch.
Nach Angaben von Startnext kamen übrigens in den vergangenen acht Jahren mehr als 43 Millionen Euro für die verschiedenen künstlerischen Projekte zusammen – Geldspritzen, welche die in solchen Dingen oft sparsamen Kämmerer niemals hätten aufwenden können. „Kommunen sind nach unserer Erfahrung beim Crowdfunding primär nicht mit eigenen Projekten aktiv, sondern eher als Multiplikator, Kurator und Berater“, erläutert Startnext-Sprecherin Anna Theil.
Nicht jede Art von Crowdfunding ist legal
Nicht-künstlerische Projekte wären, zumindest bislang, noch in der Minderheit. Man habe aber, so Theil, auch schon eine Aktion zur Sanierung eines von der Schließung bedrohten, maroden Schwimmbads in der Nähe von Weimar begleitet. Für derartige, direkt von Bürgern für Bürger angestoßene Vorhaben – beispielsweise auch zum Erhalt oder Ausbau von Spielplätzen – sieht auch Jürgen Enninger künftig, neben Kreativprojekten, das größte Potenzial von kommunalem Crowdfunding.
Damit wäre die Möglichkeit aber auch verwaltungsrechtlich schon ausgereizt. Denn dass eine Stadt die Schwarmfinanzierung nutzt, um langfristig originäre eigene Aufgaben finanzieren zu können, ist nicht zulässig.
Das musste 2009 bereits die Stadt Quickborn in Schleswig-Holstein, einer der absoluten Crowdfunding-Vorreiter in Deutschland, schmerzlich erfahren. Innerhalb kürzester Zeit sammelte die Kommune rund vier Millionen Euro bei ihren Bürgern ein, zahlte dafür drei Prozent Zinsen im Jahr. Das Geld war gedacht als finanzielles Polster für alle möglichen, teils noch gar nicht konkreten Projekte, welche die Stadt beziehungsweise die Bürger in naher Zukunft zu realisieren gedachten. Doch die Finanzaufsicht der Landesregierung stoppte das Unterfangen mit dem Argument, dies sei ein Bankgeschäft, das von Kommunen nicht betrieben werden dürfe. Quickborn schaltete daraufhin für zwei weitere Bürgerdarlehen eine Bank dazwischen. Wer Geld für ein geplantes Projekt haben wollte, musste ein Konto bei der Bank eröffnen, der Mindesteinlagebetrag betrug 5000 Euro pro Bürger. Mit dieser Hürde blieb der weitere Erfolg allerdings aus.
Eine gesetzeskonforme Möglichkeit stellt dagegen die Onlineplattform LeihDeinerStadtGeld aus Frankfurt/M. dar, zumindest haben die hessischen Behörden bisher noch nichts beanstandet. Die Plattform wird nicht von der Verwaltung, sondern von Privatleuten betrieben. Der Zinssatz ist abhängig vom Projekt, von der Größe der Kommune und dem jeweiligen Zinsumfeld. „Aktuell zahlen Kommunen für einen zehnjährigen Kommunalkredit ungefähr 1,5 Prozent Zinsen pro Jahr“, sagt Betreiber Jamal El Mallouki. „Wir betreuen die Initiatoren, bereiten die konkrete Ausgestaltung vor, helfen bei der Vermarktung und sind erster Ansprechpartner für die Bürger. Wir übernehmen die Verwaltung der Verträge und die Koordinierung der Zins- und Tilgungsleistungen.“
In der Gemeinde Oestrich-Winkel im Rheingau-Taunus-Kreis war das Ganze bereits ein voller Erfolg: Für 100 000 Euro konnten so die dringend benötigten neuen Funkgeräte für die Freiwillige Feuerwehr angeschafft werden.
Bayerns Kommunen sind von derartigen Finanzierungsmodellen allerdings nicht überzeugt. Das sei aktuell kein Thema, erklärt Städtetagssprecher Achim Sing auf Nachfrage.
(André Paul)
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