Die Transferlösung für entlassene Schlecker-
Angestellte ist am Widerstand von Bayerns FDP gescheitert. Gewerkschaften und Parteien werfen den Liberalen nun mangelnde Solidarität vor. Für kleine Gemeinden gibt es den Anspruch auf staatliche Subventionen.
Seit dieser Woche gibt es in Bayern 1300 neue Arbeitslose, alles ehemalige Schlecker-Angestellte, fast nur Frauen. In ganz Deutschland sind 11 000 Mitarbeiter der Drogeriekette entlassen worden. Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) hat die Entlassungen im Freistaat mitzuverantworten. Denn vergangene Woche lehnte er eine Bürgschaft für eine Transfergesellschaft ab, die die gekündigten Schlecker-Angestellten vorübergehend auffangen sollte. Die entlassenen Mitarbeiter hätten sechs Monate lang 80 Prozent ihres bisherigen Gehalts bekommen – das Arbeitslosengeld beträgt nur 60 Prozent. Zudem hätten sie gezielte Weiterbildungsmaßnahmen in Anspruch nehmen dürfen; beim Arbeitsamt hingegen werden die Entlassenen behandelt wie andere Erwerbslose.Die übrigen Parteien und die Gewerkschaften reagierten empört auf das Nein der Liberalen. Selbst Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kritisierte seinen Wirtschaftsminister: „Das gehört eigentlich zu uns in Bayern, dass wir die Menschen nicht alleine lassen, sondern uns um ihr Schicksal kümmern.“ Laut Seehofer scheiterte die Bürgschaft nur am Widerstand des kleinen Koalitionspartners FDP.
Attacken auch gegen Seehofer
Die Opposition im Landtag aber sieht den Ministerpräsidenten in der Mitverantwortung. SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher: „Der eigene Machterhalt war Seehofer wichtiger als Tausende Frauenarbeitsplätze.“ Hubert Thiermeyer, Verdi-Fachbereichsleiter Handel in Bayern, ist nicht nur enttäuscht, dass die Transfergesellschaft geplatzt ist. Er fürchtet auch die Reaktion der 2500 Angestellten der 530 verbliebenen bayerischen Schlecker-Filialen. Der Grund: Die Entlassenen können jetzt Kündigungsklagen einreichen – mit einer Transfergesellschaft wäre diese Option weggefallen. Wenn 11 000 Angestellte in Deutschland ihre Abfindung einfordern, sinken die Chancen, einen Investor zu finden, enorm.
Verdi appelliert deshalb an die Solidarität der Entlassenen: Sie sollten nicht klagen, um die nichtgekündigten Kolleginnen zu retten. Eine etwas blauäuige Bitte – natürlich ist mit Klagen zu rechnen. Die Abfindung in Höhe von 2,5 Monatsgehälter, die jedem Mitarbeiter zusteht, soll erst am Ende des Insolvenzverfahrens ausgezahlt werden. Es ist unklar, wann das sein wird, und ob in der Insolvenzmasse dann überhaupt noch etwas für die Abfindungen übrig ist.
FPD empört über die "Heuchelei" von Verdi
Hinzukommt, dass nur ein Drittel der Entlassenen vollzeitbeschäftigt war und die Arbeitslosengelder für die meisten deshalb niedrig ausfallen. Zeil und die FDP rechtfertigen die Absage an die Transferlösung: „Man kann den Steuerzahler nicht in Haftung nehmen für jahrelange Fehlentscheidungen im Management“, sagte Zeil. Generalsekretär Patrick Döring nannte die Empörung von Verdi-Chef Frank Bsirske über das FDP-Nein „eine Heuchelei“. Schließlich habe Bsirske immer wieder, zuletzt 2009, zum Boykott des Drogeriemarkts aufgerufen, um gegen schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen zu protestieren.
Eine Sprecherin von Verdi Bayern hält dem entgegen: „Es ging uns nie darum, das Unternehmen zu retten. Wir wollten den Angestellten eine Perspektive geben.“ Denn während Zeil zuversichtlich ist, dass die Schlecker-Angestellten über das Arbeitsamt neue Stellen bekommen, glaubt bei Verdi niemand daran.
Tatsächlich sind bei der Bundesagentur für Arbeit in Bayern derzeit zwar gut 4600 offene Stellen im Einzelhandel gemeldet. Der zuständige Regionaldirektor geht davon aus, dass die Unternehmen nur ein Drittel der freien Jobs gemeldet haben. Doch sind auch mehr als 24 000 Verkäufer im Freistaat arbeitslos gemeldet. Das Problem ist die regionale Verteilung der Stellen. Viele Verkäufer arbeiten Teilzeit. Da lohnt es sich nicht, zu einer 40 Kilometer entfernten Arbeitsstelle zu fahren.
Doch es gibt noch eine andere Lösung für die entlassenen Schleckermitarbeiter: Einige Gemeinden könnten die geschlossenen Geschäfte mit staatlicher Hilfe weiterführen. Wenn der Schleckermarkt der einzige Laden im Ort war und auch in der näheren Umgebung kein Geschäft ist, haben die Gemeinden ein Recht auf Subventionen von Bund und Ländern für den Einzelhandel. Denn der Laden ist in dem Fall nötig, um die Grundversorgung der Bürger zu gewährleisten. Einige Bürgermeister haben sich beim Insolvenzverwalter bereits erkundigt, wie sie die Subventionen beantragen können. (Veronica Frenzel)
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