Politik

Auch wenn er nicht aussieht wie ein Hans, wie er selbst sagt, Trachtenjanker und Lederhose trägt Ozan Iyibas einfach gerne. (Foto: BSZ)

17.07.2015

"Ich bin nicht der Vorzeige-Migrant der Partei"

Ozan Iyibas, Vorsitzender des neuen CSU-Arbeitskreises Migration und Integration, über Stammtischparolen in der Asyldebatte, Vorurteile und warum er bei der CSU ist

Er hat die klassische Ochsentour durch die Parteibasis gemacht: Der 32-jährige Ozan Iyibas, Leiter einer Sparkassen-Hauptgeschäftsstelle, fing 2007 als Schriftführer der CSU Neufahrn an. Heute ist er nicht nur Vorsitzender der Europa-Union Freising. Gerade wurde er auch zum Vorsitzenden des neuen bayernweiten CSU-Arbeitskreises Migration und Integration gewählt. BSZ Herr Iyibas, schön, dass die CSU jetzt auch erkennt, wie wichtig die Themen Integration und Migration sind. Aber kommt das nicht ein bisschen spät?
Ozan Iyibas Die CSU weiß von jeher, wie wichtig diese Themen sind. Und sie macht in diesem Bereich einiges, denken Sie nur an die Sprachförderung. Unsere Hauptaufgabe sehe ich nun darin, in die Gemeinden zu gehen, an die Basis, um zu hören, was dort wirklich los ist. Dort kommt die Flüchtlingsproblematik gerade in aller Härte an. Und wir wollen mit Flüchtlingen und Helfern, aber auch den Alteingesessenen vor Ort sprechen. Wir müssen uns auch deren Ängste und Sorgen anhören. Denn haben sie das Gefühl, dass ihnen keiner zuhört, könnten davon rechte Gruppierungen profitieren.

BSZ Aber verstärkt die CSU nicht Ängste und Vorurteile, wenn sie in der Asyldebatte Missbrauch und Abschiebung überbetont?
Iyibas Nein, wir benennen Probleme, die es gibt: Flüchtlinge sind nicht gleich Flüchtlinge. Es gibt Kriegsflüchtlinge, die großes Leid ertragen haben. Aber viele kommen auch aus sicheren Ländern wie dem Kosovo oder aus Montenegro. Würden wir den Bürgern Friede, Freude, Eierkuchen vorgaukeln, würde das keiner verstehen, und wir würden rechtsradikalen Tendenzen Vorschub leisten.

"Wir können den Bürgern nicht Friede, Freude, Eierkuchen vorgaukeln"

BSZ Es geht vor allem darum, die Lücke zum rechten Rand zu schließen?
Iyibas Nein. Keineswegs, es geht vor allem darum, den Flüchtlingen, die es wirklich nötig haben, zu helfen und die Sorgen der Alteingesessenen ernst zu nehmen. Wir wollen mit allen gemeinsame Lösungen finden.

BSZ Und eine Lösung ist, Flüchtlingen das Taschengeld zu streichen, wie es Finanzminister Söder fordert?
Iyibas 45 Prozent der Flüchtlinge kommen aus sicheren Ländern. Und es ist Fakt, dass es darunter Menschen gibt, die ohne Not unsere Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen. Deshalb stehe ich hinter der CSU-Forderung, Anreize, das System zu missbrauchen, abzuschaffen.

BSZ Die Sie dann aber auch für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten abschaffen.
Iyibas Komme ich aus einem Kriegsland, bin ich doch glücklich über ein Dach über den Kopf, etwas zu essen, und dass mein Überleben gesichert ist. Und irgendwann möchte ich dann vielleicht auch wieder in das Land zurück, in dem ich geboren worden bin.

BSZ Warum haben Sie sich eigentlich für die CSU entschieden? Die Partei gilt ja nicht gerade als Magnet für Migranten.
Iyibas Das wird sich ändern. 2007 standen zwei Vertreter der CSU vor meiner Haustür, die mich aus der Sparkasse kannten und fragten, ob ich bei den Kommunalwahlen 2008 für die CSU kandidieren möchte. Ich habe mir Bedenkzeit erbeten und mich auch bei anderen Parteien informiert. Für die CSU habe ich mich entschieden, weil ich ihr viel zu verdanken habe. Sie ist für die Rahmenbedingungen in Bayern verantwortlich, die es mir ermöglicht haben, beruflich das zu erreichen, was ich erreicht habe.

BSZ Haben die nicht vielleicht einfach einen Vorzeige- oder Alibi-Migranten für die CSU gesucht?
Iyibas Tatsächlich haben damals einige türkische Mitbürger gemeint, die CSU nütze mich aus, um ihre Stimmen zu bekommen. Ob es diesen Hintergedanken tatsächlich gab, weiß ich nicht. Aber am Ende steht das Ergebnis: meine Entwicklung in der Partei trotz Migrationshintergrund, die ich ohne Förderer aus der Partei so nicht hätte machen können. Ich habe mich durch die CSU immer aufgenommen gefühlt.

"Ich habe die Blicke gespürt: Was will denn der bei uns?"

BSZ Sie haben nie Vorurteile erlebt?
Iyibas Natürlich habe ich das, schließlich schaue ich nicht aus wie ein Hans oder ein Franz. Kam ich in einen Raum – egal ob in der Sparkasse oder einer CSU-Versammlung – habe ich von Leuten, die mich noch nicht kannten, die fragenden Blicke gespürt: Was will der denn jetzt bei uns? Aber das war für mich auch immer Ansporn, zu zeigen: Ich bin der Ozan und i bin einer von euch.

BSZ Hatten Sie das Gefühl, besser als die anderen sein zu müssen?
Iyibas Ganz klar, ich musste immer einen Schritt voraus sein und mich beweisen. Aber dann haben mich die Leute auch immer akzeptiert.

BSZ Besser sein zu müssen, heißt das aber nicht auch, dass in Bayern keine Chancengleichheit herrscht?
Iyibas Ich glaube, dass jeder in Bayern alle Chancen hat, die er braucht, um sein Leben erfolgreich zu gestalten. Es gibt aber drei Dinge, die elementar sind: Man muss die Sprache lernen, eine Ausbildung abschließen und – das halte ich für ebenso wichtig – sich um gesellschaftliche Teilhabe bemühen. Natürlich mag Bayerns Bier- und Weißwurstkultur für Menschen aus der Türkei erst einmal ein bisschen schwierig sein. Aber ich muss mich bemühen, die Menschen kennenzulernen – zum Beispiel, indem ich in einen Verein gehe. Es muss ja nicht gleich der Trachtenverein sein, aber vielleicht der Fußball- oder Musikverein. Es braucht aber auch Strukturen, die dazu Hilfestellung leisten.

BSZ
Mit einem Integrationsgesetz könnte man Kommunen Integrationsbeiräte vorschreiben, die genau solche Aufgaben übernehmen könnten. Unterstützen Sie das?
Iyibas In Neufahrn haben wir einen Integrationsbeauftragtem, der genau das macht. Aber angesichts der Flüchtlingsproblematik fehlen uns die Kapazitäten dazu, das gesetzlich zu implementieren.

"Ich besuche regelmäßig Stammtische, um dort mit den Menschen ins Gespräch zu kommen"

BSZ Wie kommen Sie eigentlich persönlich mit der Weißwurst-Kultur in Bayern zurecht?
Iyibas Das ist meine Kultur. Meine Eltern kamen 1975 nach Bayern, ich bin 1982 geboren. Ich esse Schweinsbraten, trinke Weißbier und trage auch mal gerne Trachtenjanker und Lederhose. Und ich besuche regelmäßig Stammtische, um dort mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

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Und hören Sie dort auch Stammtischparolen?
Iyibas Auch Menschen, die Stammtischparolen von sich geben, gilt es ernst zu nehmen und das eigentliche Thema, das darunter liegt, zu entdecken. Aber natürlich muss man auch aufzeigen, dass man nicht alles und alle in einen Topf werfen kann.

BSZ Und wie absurd ist es dann, wenn die eigene Partei und ihr Vorsitzender mit Stammtischparolen um sich werfen? Erinnert sei an „Wer betrügt, der fliegt“ oder „Multikulti ist tot“.
Iyibas Wenn der Ministerpräsident so etwas sagt, dann, weil das die Themen sind, die die Menschen bewegen. Und wenn sich die Menschen fragen, was meint er mit „Multikulti ist tot“, kommt eine Diskussion auf, in der man auch nach Lösungen suchen kann. Und warum sollten wir Betrügereien Vorschub leisten, die unsere ehrlichen Steuerzahler ausnutzen?

BSZ Schöne Erklärung: Seehofer wirft mit Stammtischparolen um sich, um mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen.
Iyibas Es ist wirklich so, dass die CSU noch nie ein Problem mit Migranten hatte. Aber wir müssen auch einfach davon weg, uns immer alles schönzureden. Ja, die CSU ist eine Partei, die auch mal aneckt. Aber wir bringen auch die Lösungen.
(Interview: Angelika Kahl)

Kommentare (1)

  1. ohman am 19.07.2015
    bedeutet integration nicht, dass die vielfalt der werte erhalten bleibt? ich sehe hier nichts mehr vom migrationshintergrund und dementsprechend auch nichts von kultureller vielfalt. dieses interview hätte genauso eine person ohne migrationshintergrund geben können. geht eine wertegemeinschaft in einer anderen auf, spricht man schon per definitionem nicht von integration. die qualifikation, um über integrationspolitische themen zu reden sollte doch bitte nicht darin liegen, dass die eltern aus dem ausland kommen. die csu kann das besser.
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