Politik

Barbara Lanzinger fordert: "Eltern müssen ihren Jungs beibringen, wie man mit Frauen umgeht." Hier sieht sie ein großes Defizit. (Foto: Eliana Hegerich)

26.08.2016

"Ich will jetzt auch mal Abgeordnete erster Klasse sein"

Barbara Lanzinger, Vize der CSU-Frauen, fordert besseren Schutz und schnellere Hilfe für Gewalt- und Stalkingopfer und kritisiert den Umgang mit Frauen in ihrer Partei

Die 61-jährige Ambergerin weiß, wovon sie spricht: Als Sozialpädagogin hatte es Barbara Lanzinger mit einigen Frauen zu tun, die vom Partner misshandelt wurden. Als Vize-Vorsitzende der Frauenunion Bayern und Bundestagsabgeordnete fordert sie, Frauen besser zu schützen. Bei der Bundestagswahl 2017 hat sie viel vor: Sie tritt gegen den amtierenden CSU-Direktabgeordneten ihres Wahlkreises an. BSZ: Frau Lanzinger, die größte Gefahr für Frauen lauert nicht auf der dunklen Straße, sondern zu Hause. 140 000 Frauen werden allein in Bayern jährlich Opfer von Gewalt durch ihren Partner. Tut die Politik genug, um Frauen zu schützen?
Barbara Lanzinger: Ich selbst war Sozialpädagogin beim Sozialdienst katholischer Frauen und habe unter anderem den Notruf für Frauen mitgegründet. Damals – vor weit über 30 Jahren – haben wir Betroffene noch in Privatwohnungen untergebracht, Frauenhäuser gab es noch nicht in der Zahl wie heute. Es hat sich seitdem sehr viel getan. Frauen können heute beispielsweise in der Wohnung bleiben, die Polizei holt den gewalttätigen Partner heraus. Allerdings: Die 38 Frauenhäuser in Bayern mit rund 370 Plätzen für Frauen und 460 für Kinder reichen längst nicht. Die Regensburger Polizei etwa berichtet immer wieder, dass Frauen nicht untergebracht werden können.

"Es gibt zu wenige Plätze in Frauenhäusern"

BSZ: Daran ist Ihre Partei aber doch selbst schuld. Laut einer Studie im Auftrag des Sozialministeriums wird jede zweite Frau in Bayern von Frauenhäusern abgewiesen. Anträge der Opposition, die Zahl der Plätze aufzustocken und die Häuser besser finanziell zu unterstützen, hat die CSU in den vergangenen Jahren immer wieder abgelehnt.
Lanzinger: Ich weiß nicht, welche Anträge im Landtag gestellt und von der CSU abgelehnt worden sind. Ich weiß aber, dass wir in der Frauenunion großes Interesse daran haben, dass Frauen schnellen und ausreichenden Schutz bekommen. Und ja: Wir müssen mehr tun. Aber wir werden auch mehr tun. Auf Grundlage der Studienergebnisse wird jetzt ein neues Gesamtkonzept für ein Hilfesystem für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder erarbeitet.

BSZ: Wäre angesichts der akuten Not nicht ein Sofortprogramm geboten?
Lanzinger: Ich bin seit über 30 Jahren in der Politik und kann aus Erfahrung sagen: Wunsch und Wirklichkeit gehen einfach oft auseinander. Denn man muss auch immer sehen, wie man etwas im Haushalt unterbringen kann. Aber da die bayerische Sozialministerin gerade für solche Themen sehr offen ist, bin ich mir sicher, dass es bald konsequente Schritte geben wird zur Verbesserung der Situation der Frauen.

BSZ: Da Sie ja vom Fach sind, was raten Sie einer betroffenen Frau?
Lanzinger: Ein pauschaler Rat ist schwierig, denn jeder Fall ist anders. Wichtig wäre, sich von Anfang an gegen die Gewalt zu stellen und rechtzeitig Polizei und Beratungsstellen einzuschalten – auch wenn verständlicherweise die große Angst besteht, dass damit die Familie und das ganze Leben auseinanderbrechen. Wir hatten vor Kurzem in Amberg eine Veranstaltung mit der Polizei zumThema Gewalt – ausgehend von den Vorfällen der Kölner Silvesternacht. Erstaunlich war die große Empörung der Männer damals. Da musste ich schon ganz klar sagen: „Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland doch kein neues, importiertes Phänomen.“ Sie ist bei uns seit jeher alltäglich.

"Den Jungs beibringen, wie man mit Frauen umgeht"

BSZ: Also was tun?
Lanzinger: Gewalt fängt schon bei dummen Anmachen an – und da müssen wir Frauen noch stärker den Mut haben, zu sagen: „Nein“ oder „Halt mal die Klappe“ – auch auf die Gefahr hin, dass man damit aneckt. Das müssen wir unseren Kindern von Anfang an beibringen. Vor allem aber müssen Eltern ihren Jungs klarmachen, wie man mit Frauen umgeht und wie nicht. Hier sehe ich noch ein großes Defizit in unserer Gesellschaft. Wir können doch nicht von Menschen, die zu uns kommen, fordern, dass sie sich an unseren Werten orientieren, wenn wir diese nicht selbst vorleben.

BSZ: Ist hier nur die Familie gefragt?
Lanzinger: Ich sehe die Familie in der Hauptverantwortung, aber natürlich sind auch Kitas und Schulen gefragt. Und könnte ich das entscheiden, würde ich sämtliche gewalttätige Fernsehsendungen verbieten. Jetzt im Sommer hatte ich mal Zeit, mir ganz bewusst anzusehen, was Kinder so alles anschauen. Und es ist erschreckend: Das Programm besteht zum Großteil nur noch aus Mord und Totschlag. Stattdessen aber müssten die Medien viel deutlicher machen, dass Gewalt an Frauen und Kindern etwas zutiefst Menschenunwürdiges ist.

BSZ: Ein Thema, das nicht nur angesichts des aktuellen Falls in München, wo ein Mann seine Ex-Freundin erstochen hat, an Brisanz gewinnt, ist Stalking. Die Frau hatte sich gewehrt, das Gericht ein Kontaktverbot ausgesprochen, dennoch ist sie tot. Läuft da nicht etwas schief?
Lanzinger: Bayern pocht ja schon lange auf eine Nachbesserung des Stalking-Gesetzes, jetzt soll sie endlich kommen. Bisher ist Voraussetzung für eine Bestrafung des Täters, dass es eine massive Beeinträchtigung des Opfers gibt – die Frau beispielsweise gezwungen ist, den Wohnort zu wechseln. Künftig soll Stalking auch strafbar sein, wenn das Opfer dem Druck nicht nachgibt und sein Leben nicht ändert. Es reicht dann, dass die Handlung des Täters objektiv dazu geeignet ist, eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung herbeizuführen. Stalker wollen Menschen psychisch fertigmachen – und sie zerstören damit Leben. Man kann nur hoffen, dass es mit dem neuen Gesetz weniger Fälle wie in München gibt. Aber, auch wenn das kein Trost ist, jedes Verbrechen kann natürlich auch das beste Gesetz nicht verhindern.

"CSU-Frauen bekommen kaum Direktmandate"

BSZ: Wie kann man den Frauen noch helfen?
Lanzinger: Wir sollten die vorhandenen Beratungsstellen stärken – auch finanziell. Jeder Zehnte wird in seinem Leben gestalkt. 2015 gab es über 19 000 verzeichnete Fälle – und die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Man sollte überlegen, ob man nicht auch dieses Thema in dem neuen Gesamtkonzept für Hilfen für Gewaltopfer berücksichtigen sollte.

BSZ: Zum Schluss noch ein anderes Frauenthema: Landtagspräsidentin Barbara Stamm monierte jüngst mit Blick auf die Bundestagswahlen, dass gute Frauen in der CSU keine Chancen hätten. Ist das so?
Lanzinger: Die Aussage stimmt. Frauen bekommen kaum Direktmandate, während sie auf der Liste gut vertreten sind. Auch ich bin über die Liste in den Bundestag eingezogen. Jetzt aber werde ich um das Direktmandat kämpfen, ich kandidiere gegen den aktuellen Abgeordneten Alois Karl. Ich will jetzt auch einmal eine Abgeordnete erster Klasse sein, die direkt von den Menschen gewählt werden kann.
(Interview: Angelika Kahl)

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