Politik

Was ändert sich künftig für bayerische Abiturienten? Nicht viel, geht es nach Kultusminister Spaenle. (Foto: dapd)

26.10.2012

Im Süden nichts Neues

Bundesweit einheitliche Abiturstandards – was heißt das für Bayern?

Sofort versprach Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU): „Die Qualität des bayerischen Abiturs bleibt erhalten.“ Der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) dagegen beeilte sich zu betonen: „Wichtig ist die Botschaft an die Eltern und Schüler: Es wird dadurch nicht schwerer.“
Ab 2017 gelten bundesweit einheitliche Leistungsstandards für das Abitur in den vier Kernfächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch. Sechs Bundesländer – darunter Bayern und Niedersachsen – drücken sogar auf die Tube. Sie führen bereits für den Abiturjahrgang 2014 gemeinsame Prüfungskomponenten ein. Die Frage ist allerdings: An welchem Niveau werden sich diese orientieren? An dem von Bayern oder an dem von Niedersachsen?
„Bayern setzt beim Abitur auf hohe Qualität“, sagt Kultusminister Spaenle der Staatszeitung. „Deshalb kann man davon ausgehen, dass auch die Aufgaben in dem von der Kultusministerkonferenz vorgesehenen Aufgabenpool hohe Anforderungen an die Prüflinge stellen werden.“ Er ist sich  sicher: Für Bayern werde die Veränderung deshalb am geringsten sein.


„Mindestanforderungen erfüllt Bayern immer“


Spaenle spricht bei den von der Kultusministerkonferenz (KMK) eingeführten Standards von Mindestanforderungen. Und er betont: „Mindestanforderungen erfüllt Bayern immer.“ Eine Aussage, die Martin Güll, bildungspolitischer Sprecher der Landtags-SPD, ärgert – auch wenn er gemeinsame Bildungsstandards „ohne Wenn und Aber“ begrüßt. Denn die landläufige Meinung, in Bayern gebe es ein Premium-Abitur, während man in manch anderem Land den Schülern ein Abitur light hinterherwerfe, hält er für absurd. „Niedersachsen und Bremen sind, was die Standards angeht, nicht schlechter unterwegs, allerdings anders“, sagt er der BSZ. Denn während man sich im Freistaat viel zu sehr auf die reine Faktenvermittlung konzentriere, gehe es im Norden oft verstärkt um Kompetenzvermittlung. „Was aber bedeutet denn Hochschulreife“, fragt Güll. „Fakten herunter beten oder echte Tranferleistungen erbringen zu können?“ Hier müsste man sich auf einander zubewegen, fordert er.
In eine ähnliche Kerbe schlägt der bayerische Elternverband (BEV). „Dass Bayern das schwerste Abitur hat, ist wissenschaftlich überhaupt nicht erwiesen“, sagt BEV-Sprecherin Ursula Walther. Natürlich gebe es Unterschiede, deshalb sei die Idee grundsätzlich richtig. Allerdings schränkt sie ein: „Wenn die Standards  die Qualität tatsächlich erhöhen.“ Und auch sie betont, dass es nicht nur um reine Wissenvermittlung gehe, sondern auch um den Erwerb von sozialen Kompetenzen.
Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), fragt ebenfalls, welcher Bildungsbegriff hier zugrundegelegt werde. Warum nur Standards in den Kernfächern? „Warum nicht Musik, Kunst, Sport und Sozialkunde? Wo bleiben die Tugenden und Werte? Welche Rolle spielt Persönlichkeits- und Herzensbildung?“
Wenzel warnt zudem davor, dass die Einführung von einheitlichen Prüfungsstandards den Schritt in Richtung Einheitsschule vorbereiten könnte. Eine Vereinheitlichung der Prüfungsinhalte würde schließlich zu einer Vereinheitlichung der Lehrinhalte und das zu einer Vereinheitlichung des Unterrichts führen. Etwas, das er in keinem Fall will.
Das aber will Kultusminister Spaenle bekanntlich ebenso wenig. Und so wird er auch nicht müde zu betonen: „Ein Zentralabitur wollen wir in Bayern nicht.“ Denn das ginge nur mit identischen Lehrplänen in allen Ländern. Das jetzt beschlossene Konzept dagegen lasse „den Ländern genug Spielraum, um eigene Schwerpunkte sowohl in der schulischen Bildung als auch in den Abschlussprüfungen zu setzen“.


„Ein Zentralabitur wollen wir im Freistaat nicht“


Die Länder bleiben also „selbst Herren ihres Verfahrens“, so Spaenle. Lediglich die Mindeststandards müssten erfüllt sein. An denen gibt es allerdings bereits heftige Kritik. Zu „vage“, sagt beispielsweise die deutsche Mathematiker-Vereinigung. Sie „zweifelt daran, dass die Beschlüsse der KMK das gesteckte Ziel erreichen“. Sie ließen zu viele Deutungen zu und illustrierten zu wenig, wie Kompetenzen im Mathematikunterricht erworben werden können. Wolfram Koepf, Professor für Mathematik an der Universität Kassel und Sprecher der Mathematik-Kommission Übergang Schule-Hochschule, appelliert deshalb an die Länder, die „vagen Standards auszugestalten“.
Es kommt  jetzt tatsächlich vor allem auf die Feinabstimmung an. Darauf, dass man es schafft, sich auf möglichst konkrete Aufgabenstellungen zu einigen. Die wandern in einen gemeinsamen Pool, aus dem sich die einzelnen Länder bedienen können. Und hier liegt der nächste Stolperstein. Denn die Betonung liegt auf dem Wort können. „Natürlich entscheidet jedes Land selbst, ob es sich aus dem Aufgabenpool bedient“, sagt  Spaenle. Er gibt sich aber optimistisch: „Ich bin mir sicher, dass es kaum ein Land geben wird, das sich dem Anspruch entziehen wird, den gemeinsamen Standards genügen zu können.“
Das muss er auch. Denn wenn am Ende doch wieder jedes Land alle Möglichkeiten ausschöpft, um die eigenen Standards zu bewahren, wird aus dem „kleinen Schritt“, wie der deutsche Philologenverband die Einführung der gemeinsamen Standards nennt, ein Stillstand in Richtung verbesserte Vergleichbarkeit der Abiturprüfungen. Und hier appelliert SPD-Bildungspolitiker Güll an Kultusminister Spaenle. Niedersachsen müsse auf Bayern zugehen, aber auch umgekehrt Bayern auf Niedersachsen. Denn man brauche Detailwissen und Kompetenz. „Verfolgt Spaenle aber weiterhin die Devise ,Bei uns ändert sich nichts’, ist das der falsche Weg.“
(Angelika Kahl)

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