Politik

Karikatur: dpa

07.10.2011

In Nürnberg gauweilert’s

Beim CSU-Parteitag diskutieren die Delegierten über ihr Verhältnis zu Europa, die Pkw-Maut und die Frauenquote

Wenn es um die politische Konkurrenz geht, ist CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt zumeist nicht zimperlich in seiner Wortwahl. Beim Blick auf die eigene Partei wählt der Oberbayer dagegen gerne den Schonwaschgang. Da fiebert die Basis seit Wochen dem Showdown zwischen dem Altvorderen Peter Gauweiler und dem Verkehrsminister Peter Ramsauer um einen Vize-posten hinter Parteichef Horst Seehofer entgegen, doch Dobrindt erklärt den heute beginnenden Konvent in Nürnberg trocken zu einem „Inhaltsparteitag“. Nun gut, Wahlen stünden auch an, aber in erster Linie wolle man den „Markenkern unserer Politik bestimmen“. Nur keine Aufregung also, business as usual.
Selbst wenn Dobrindt auf die Wahlen zu sprechen kommt, versprüht der Generalsekretär geradezu aufreizende Unaufgeregtheit. „Gegenkandidaturen sind in der Demokratie der Normalfall und nicht der Störfall“, säuselt Dobrindt und verweist auf die Auseinandersetzung des Jahres 2007, als der heutige Vorsitzende Seehofer im Duell um die Nachfolge Edmund Stoibers noch Erwin Huber unterlag. Der CSU ist dieser Parteitag alles andere als normal in Erinnerung, es war seinerzeit eine durchaus emotionale Veranstaltung. Immerhin eines mag Dobrindt einräumen: „Spannend sind Wahlen immer.“
Die morgige Vizewahl bezieht ihre Spannung nicht nur aus den Gegensätzen der Kandidaten: hier der auch im gesetzteren Alter von 62 Jahren noch kampfeslustige Freigeist Gauweiler, dort der eher bedächtige Parteisoldat Ramsauer; es geht auch um den der CSU heiligen Regionalproporz und die neue Frauenquote, wonach 40 Prozent aller Vorstandsmitglieder weiblich sein müssen. Mit der Quote, sagt Dobrindt, habe die CSU auf den zurückliegenden Bezirksparteitagen „herausragend gute Erfahrungen“ gemacht. Er erwarte, dass dies auch in Nürnberg „problemlos funktioniert“. Zur eventuell erforderlichen Feinjustierung stellt die Regie bei den Beisitzerwahlen einen eigenen Frauenblock zur Abstimmung, dessen Größe je nach Notwendigkeit zwischen zehn und zwölf variieren kann.
Alles kann der Generalsekretär aber nicht vorplanen. Die Unsicherheit beginnt schon damit, ob die Delegierten die vier Vizeposten per Sammel- oder per Einzelabstimmung besetzen wollen und ob offen oder geheim abgestimmt wird. Bei einer Sammelwahl mit fünf Kandidaten – neben Gauweiler und Ramsauer bewerben sich Barbara Stamm und Beate Merk erneut, dazu möchte Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt Nachfolger von Ingo Friedrich werden – fällt der Bewerber mit den wenigsten Stimmen heraus. Der gegenwärtigen Stimmung in der Partei folgend könnten dies die eher unbeliebte Merk oder der recht unprofilierte Schmidt sein. Im Fall des Mittelfranken Schmidt wäre der Regionalproporz mit Gauweiler und Ramsauer erheblich zugunsten Oberbayerns verschoben, bei Merk bliebe die Frauenquote in der Führungsspitze unerreicht. Während ersteres nicht zu heilen wäre und für neue Zerwürfnisse im ohnehin nicht konfliktfreien Verhältnis zwischen Franken und Altbayern in der CSU sorgen könnte, ließe sich ein Scheitern Merks über mehr Frauen auf den Beisitzerposten ausgleichen.
Entscheidet sich der Parteitag für eine Einzelabstimmung, kommt es unweigerlich zum Showdown zwischen Gauweiler und Ramsauer. Gauweiler hat schon angekündigt, keiner Frau den Posten streitig machen und auch am Regionalproporz nicht rütteln zu wollen. Bleibt also nur noch Ramsauer. Der will kämpfen und schließt nicht aus, bei einer Niederlage gegen Gauweiler anschließend Schmidt herauszufordern, sollte dessen Wahl noch nicht gelaufen sein.
Parteichef Seehofer hat sich bislang aus diesem „Stellvertreterkrieg“ herausgehalten. Eigentlich müsste er Ramsauer stützen, schließlich hat er ihn erst vor zwei Jahren überredet, Parteivize zu werden. Doch Seehofer kennt die Stimmung in der Partei. Und die ist vor allem wegen dessen europakritischer Haltung eindeutig pro Gauweiler. Seehofer selbst muss sich um seine Wiederwahl keine Sorgen machen. „Wer soll es denn sonst machen?“, lautet eine in der CSU ebenso oft wie ernüchtert gestellte Frage. Seehofer hofft wieder auf gut 88 Prozent. Das sollte zu schaffen sein, hat er der Partei doch zuletzt wenig Anlass für Proteste gegeben. CSU gegen Merkel
Die Parteitagsregie gibt Gauweiler und Ramsauer gleichermaßen die Chance, sich vor dem Wahlgang noch einmal zu profilieren. Im Inhaltsteil des Konvents steht zunächst ein Leitantrag zum Euro auf der Tagesordnung, was wohl Gauweiler für einen nachhaltigen Auftritt nutzen wird. Direkt im Anschluss darf Ramsauer sein neues Modell für eine Pkw-Maut in Deutschland präsentieren. In beiden Fällen stellt sich die CSU unzweideutig gegen die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die weder die Maut noch den Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone für wünschenswert hält. Immerhin hat die CDU-Chefin direkt nach den Abstimmungen über die Leitanträge selbst die Gelegenheit, bei ihrem traditionellen Gastauftritt der kleinen Schwester ihre Sicht der Dinge darzulegen.
Dobrindt ist davor nicht bang. „Immer wenn große Entscheidungen in Deutschland angestanden sind, war es die CSU, die die notwendigen Weichenstellungen vorgegeben hat“, betont er und verweist auf das Parteitagsmotto „Auf Bayern kommt es an!“ Das in aller Bescheidenheit.
(Jürgen Umlauft)

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