Politik

Ermittler am Tatort des Bombenanschlags in Ansbach: Zwölf Menschen wurden verletzt. (Foto: dpa)

25.07.2016

Minister: Islamistischer Terror hat Bayern erreicht

Drei Bluttaten in einer Woche: Auf die Axt-Attacke in Würzburg und den Amoklauf in München folgt ein Bombenanschlag in Ansbach. Der mutmaßliche Attentäter soll syrischer Flüchtling gewesen sein. Die Ermittler vermuten einen islamistischen Hintergrund

Bei einem mutmaßlich islamistisch motivierten Bombenanschlag im fränkischen Ansbach sind zwölf Menschen verletzt worden, drei davon schwer. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hält es für wahrscheinlich, dass der Anschlag am Sonntagabend das Werk eines islamistischen Selbstmordattentäters war. "Meine persönliche Einschätzung ist, dass ich es leider für sehr naheliegend halte, dass hier ein echter islamistischer Selbstmordanschlag stattgefunden hat", sagte Herrmann. Der mutmaßliche Täter sei ein 27-jähriger Flüchtling aus Syrien. Er starb bei der Explosion nahe einem Open-Air-Konzert. Auch Justizminister Winfried Bausback geht davon aus, dass der Bombenanschlag von Ansbach das Werk eines islamistischen Selbstmordattentäters ist. Er teile die Einschätzung seines Kollegen Herrmanns, "dass der islamistische Terror Deutschland erreicht hat", schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Darauf müsse sich "unser demokratischer und freiheitlicher Rechtsstaat einstellen".

Der mutmaßliche Täter, der öfter in psychiatrischer Behandlung gewesen sei, habe die Bombe mit scharfkantigen Metallteilen in seinem Rucksack bei dem Musikfestival mit etwa 2500 Besuchern zünden wollen, sagte Herrmann bei einer Pressekonferenz in Ansbach. Ihm wurde aber der Einlass verwehrt. Die Explosion ereignete sich gegen 22.00 Uhr vor dem Eingang zum Konzert. Der Nürnberger Polizeivizepräsident Roman Fertinger sagte: "Wenn er mit dem Rucksack in die Veranstaltung gelangt wäre, hätte es bestimmt mehr Opfer gegeben."

Auf die Frage, ob der Täter im Zusammenhang mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) stehe, sagte Herrmann: "Es ist dies auf jeden Fall nicht auszuschließen." Konkrete Hinweise auf den IS gebe es allerdings nicht. "Die offensichtliche Absicht, mehr Menschen zu töten, weist zumindest auf einen islamistischen Hintergrund hin." Man müsse nun herausfinden, mit wem der Täter kommuniziert habe, erläuterte Staatsanwalt Michael Schrotberger.

Drei Bluttaten innerhalb nur einer Woche

Es ist die dritte Bluttat in Bayern innerhalb einer Woche. Am Montag vergangener Woche hatte ein afghanischer Flüchtling unter anderem in einer Regionalbahn in Würzburg Menschen mit einer Axt angegriffen, am Freitag war ein junger Mann in München Amok gelaufen. Mehrere Menschen starben, viele wurden verletzt.

Herrmann sagte, es sei leider ein weiterer schlimmer Anschlag, der gerade die Besorgnis der Menschen weiter verstärken dürfte. Eine restlose Aufklärung der Tat sei wichtig, um das Vertrauen in den Rechtsstaat wieder herstellen zu können. "Wir müssen sehen, dass neben vielen Flüchtlingen mit schlimmen Schicksalen auch Leute in unser Land kommen oder gekommen sind, die eine echte Gefahr für die Sicherheit der Menschen in unserem Land darstellen", sagte er. "Das können wir nicht hinnehmen." Das müsse Konsequenzen haben.

Er pocht auf Gesetzesänderungen auf Bundesebene. Dabei gehe es etwa um das Strafrecht und um aufenthaltsrechtliche Fragen. "Wir müssen auch anderen deutlich machen: Jeder hat die Rechtsordnung dieses Landes zu akzeptieren." Wenn jemand dagegen verstoße, müsse schon auf niedrigerer Schwelle als bisher deutlich werden, dass er das Land wieder zu verlassen habe. Allerdings hängen die Überlegungen nicht unmittelbar mit dem tödlichen Attentat vom Sonntagabend zusammen: Das bayerische Kabinett wird von Dienstag an bei einer Klausur am Tegernsee vor allem das Thema Sicherheit diskutieren.

Verstärkung der Sicherheitsbehörden

Justizminister Bausback plädierte für eine weitere Verstärkung der Sicherheitsbehörden. "Und im Internet und den sozialen Netzwerken müssen die Möglichkeiten von Fahndung und Gefahrenabwehr verbessert werden." Der vom Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof gesetzte Rahmen sei "angesichts der Bedrohungslage zu eng". Die beiden Gerichte dürften hier "ihre Wertungen überdenken", schrieb er. Und: "Auch im Bereich der Regeln des Aufenthaltsrechts und bei der strafrechtlichen Verfolgung besteht Ergänzungsbedarf."

In Ansbach sorgte die Explosion für einen Großeinsatz der Polizei, die mit 200 Kräften anrückte. Feuerwehr und Rettungsdienste waren mit 350 Kräften im Einsatz. Die Polizei gründete eine Sonderkommission mit mehr als 30 Mitgliedern. Die Tatortarbeit begann noch in der Nacht.

Der mutmaßliche Täter sei vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen und habe einen Asylantrag gestellt, sagte Herrmann. Der Antrag wurde vor einem Jahr abgelehnt, der Flüchtling sei seitdem geduldet gewesen. Hintergrund sei, dass Deutschland im Moment niemanden nach Syrien in den Bürgerkrieg abschiebe. Der Grund für die Ablehnung des Asylantrags ist laut Herrmann noch unbekannt. Dies soll im Laufe des Tages mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geklärt werden.

Herrmann: Asylschutz menschenverachtend missbraucht

Er sei entsetzt, dass der Asylschutz menschenverachtend missbraucht werde, sagte er. "Das ist ungeheuerlich." Alles müsse unternommen werden, damit solches Verhalten nicht weiter um sich greife.
Der Mann wohnte in einer Unterkunft in Ansbach und war wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Unter anderem hatte die Polizei wegen eines Drogendelikts mit dem Mann zu tun, wie Herrmann sagte. Der Syrer habe sich schon zwei Mal das Leben nehmen wollen. Er sei deshalb auch schon in einer Psychiatrie untergebracht gewesen.

Die komplette Altstadt von Ansbach, das rund 40 000 Einwohner hat, war am späten Abend abgeriegelt. Anwohner konnten zunächst nicht zurück in ihre Häuser. Das Open-Air-Konzert wurde abgebrochen. Bei den "Ansbach Open 2016" sollten am Sonntag die deutschen Popsänger Joris, Philipp Dittberner und Gregor Meyle auftreten.

Unklar war zunächst, in welchem Umfeld sich der 27-Jährige bewegte und woher er den Sprengstoff hatte. Man müsse auch klären, woher genau die Metallteile stammten, sagte Polizeivizepräsident Fertinger. Diese glichen solchen, die in der Holzindustrie verwendet werden.

Seehofer: "Der Rechtsstaat wird nicht weichen"

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat sich nach dem Bombenanschlag in Ansbach erschüttert und zugleich entschlossen gezeigt. "Bayern erlebt Tage des Schreckens", sagte er. Zum dritten Mal in einer Woche sei der Freistaat von einer schweren Gewalttat erschüttert worden. "Unser Mitgefühl gilt den Verletzten des heimtückischen und brutalen Bombenanschlags in Ansbach." Er wünschte den Verletzten schnelle und vollständige Genesung und ihren Angehörigen "viel Kraft in diesen schweren Stunden". Trotzdem gelte: "Der Rechtsstaat wird nicht weichen." Von Dienstag an will die Staatsregierung bei einer Kabinettsklausur am Tegernsee über das Thema Sicherheit beraten. Nun müssten die Hintergründe und Zusammenhänge der Tat "schnell und lückenlos aufgeklärt" werden, sagte Seehofer. "Nur so können wir die richtigen Schlussfolgerungen ziehen." Den Einsatzkräften und Helfern dankte er für ihren "vorbildlichen Einsatz". (dpa)

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