Politik

Neun Kandidaten bewerben sich in Regensburg am Sonntag um den OB-Posten; in Augsburg sind’s sogar zehn. (Foto: dpa)

14.03.2014

Jetzt wird's bunt

Am Sonntag finden Kommunalwahlen statt - nie war die parteipolitische Vielfalt größer als diesmal

Witzbolde meinen: Gäbe es in Augsburg auch nur halb so viele Hallenbäder oder Kinos wie Bewerber um den Posten des Oberbürgermeisters, dann wäre die Lebensqualität in der Fuggerstadt super. Immerhin zehn Bewerber drängen in der 272 000-Einwohner-Kommune auf den Chefsessel im Rathaus. Neben Amtsinhaber Kurt Gribl von der CSU sind Kandidaten von SPD, Grünen, FDP, Freien Wählern, Linkspartei, Piraten, AfD, ÖDP und Pro Augsburg im Rennen – das ist bayerischer Rekord, selbst die Landeshauptstadt München bietet nur sieben OB-Anwärter auf. Knapp hinter Augsburg landet Regensburg mit neun Kandidaten, Würzburg schafft es auf sieben, Passau immerhin noch auf fünf.
Das Phänomen der parteipolitischen Vielfalt ist aber nicht auf die großen Städte beschränkt. Man nehme etwa die Gemeinde Geisenfeld bei Ingolstadt, gerade mal 10 000 Menschen leben dort. Auf der Wahlliste für den 16. März finden die Bürger neben den etablierten Kräften CSU und Freie Wähler die Unabhängigen Sozialen Bürger (USB), die Union Land (UL), die Christlichen Demokraten Geisenfeld (CDG) und die Initiative Lebendiges Miteinander (ILM). In Geisenfeld gibt es mehr Parteien als Supermärkte, das muss ein Dorf erst mal schaffen.

Mittels Stellenanzeige zum Bürgermeisterkandidaten


Während in den Metropolen verstärkt die bundesweit aktiven Klein-, Protest- und Splitterparteien mitmischen wollen, fächert sich die Szene im ländlichen Raum in immer neue lokale Bündnisse auf. Viele sind entstanden aus der Unzufriedenheit mit einem konkreten Thema vor Ort. In einem Großteil der rund 2000 bayerischen Gemeinden gibt es mittlerweile eine lokale politische Liste, die sich nur auf diesen Ort beschränkt. Die kommunale Politiklandschaft Bayerns wird immer bunter.
Es gebe keine andere Wahl, meinte kürzlich der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter, „bei der Persönlichkeit und lokale Faktoren eine so große Rolle spielen wie bei der Kommunalwahl“. Weshalb die Parteien „erhebliche Konkurrenz durch Wählergruppen“ bekämen.
Konkurrenz für die Parteien: Bis vor wenigen Jahren hatten die Freien Wähler im Freistaat darauf das Monopol. Schließlich war es ja mal die Grundidee hinter dem FW-Konzept: Über kommunale Themen wie Öffentlichen Nahverkehr und Abwasserentsorgung sollte ohne ideologische Rückkopplung an die Bundespartei debattiert werden können.
In anderen Bundesländern, wo die Freien Wähler noch nicht im Landtag sitzen, ist das auch noch heute so. Aber inzwischen positioniert der bayerische Landes- und Fraktionsvorsitzende Hubert Aiwanger seine Truppe als weitere Kraft im parteipolitischen Spektrum – irgendwo zwischen linker Mitte bei den sozial- und wirtschaftspolitischen Themen und konservativ in weltanschaulichen Fragen. In Ostbayern finden sie das ganz gut, in Franken und Schwaben dagegen regt sich in den Ortsvereinen Widerstand. Den FW erwächst immer öfter interner Widerstand durch Gruppierungen, die es beim kommunalen Engagement belassen und so richtig frei sein wollen, vor allem von Bevormundungen durch Hubert Aiwanger. Wie viele Ortsvereine tatsächlich der FW-Landesvereinigung angeschlossen sind, kann Generalsekretär Michael Piazolo nicht sagen.
Manchmal entstehen neue politische Gruppierungen aber auch aus ganz persönlichen Befindlichkeiten. Im mittelfränkischen Bad Windsheim beispielsweise fand die SPD-Ortsgruppe, ihr Bürgermeister Ralf Ledertheil agiere zu „selbstherrlich“, schickt nun statt seiner eine Stadträtin ins Rennen. Der Amtsinhaber wollte sich das nicht bieten lassen, gründete eine eigene „Bürgerliste“ und strebt nun seine Wiederwahl an. Ähnlich verhält es sich in Puschendorf im Landkreis Fürth: Weil der CSU-Ortsverband meinte, zwei Amtszeiten seien genug für Amtsinhaber Wolfgang Kistner und statt seiner die Ortsvorsitzende auf den Schild hob, kontert der geschasste Rathauschef mit einer Pro Kistner-Liste, um seinen Job zu behalten.
Beliebt – gerade bei den Volksparteien – sind immer häufiger nur nominell unabhängige Tarnlisten, die tatsächlich aber den Schwarzen oder Roten nahe stehen. Ihr Zweck: die Kritiker von CSU oder SPD an der Wahlurne einfangen, bevor es eigenständige Wählervereinigungen tun. Im oberfränkischen Coburg praktizieren die Christlich-Sozialen Bürger dieses Modell schon länger erfolgreich, im oberbayerischen Pfaffenhofen versucht sich die SPD gerade daran mit einer Truppe namens „Gemeinsam fürs Gemeinwohl“.
Die Sozialdemokraten haben derweil akzeptiert, dass sie auf dem Land in Bayern keine Volkspartei mehr sind, in vielen Gemeinden tritt schon lange kein Bewerber mit SPD-Parteibuch mehr an. Aber zumindest für die CSU war es bisher noch Ehrensache, überall Flagge zu zeigen. Doch in diversen Lokalzeitungen ist zu beobachten, dass christsoziale Ortsvorsitzende inzwischen schon mittels Stellenanzeige nach Bürgermeisterkandidaten suchen. (André Paul)

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