Politik

Für Pendler der Horror: Streiks bei der Bahn. Die CSU will derlei künftig erschweren. (Foto: dpa)

06.02.2015

Kampf um den Arbeitskampf

Die CSU will auf Bundesebene das Streikrecht einschränken – und könnte bei einem Nein der SPD auch eine Landesregelung treffen

Es war der längste Bahnstreik der Geschichte: Letztes Jahr legte die Lokführer-Gewerkschaft 64 Stunden lang den Personen- und 75 Stunden den Güterverkehr lahm. Zusätzlich musste die Lufthansa Hunderte Flüge streichen, weil die Gewerkschaft Cockpit die Piloten zehn Mal zu einem Ausstand aufrief.
Nachdem jetzt neue Streiks drohen, reicht es der CSU. „Arbeitskämpfe dürfen nicht auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen werden“, schimpft der stellvertretende Parteivorsitzende Peter Gauweiler. Es sei Aufgabe des Staates, wichtige Infrastruktur zu schützen und die Daseinsvorsorge sicherzustellen. Unter Gauweilers Leitung hat der Parteivorstand einen Entwurf ausgearbeitet, der den Lohnkampf einschränken soll.

Der CSU-Beschluss sieht jetzt vor, dass vor jeder Arbeitseinstellung in den Bereichen Informationstechnik, Telekommunikation, Transport, Verkehr und Energie ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden muss. Wenn dabei keine Einigung erzielt wird, muss der Ausstand nach dem Willen der CSU mindestens vier Werktage vorher angekündigt werden. Außerdem sollen die Tarifparteien verpflichtet werden, eine Notdienstvereinbarung zu treffen und einen konkreten Streikfahrplan vorzulegen. Das Papier soll in den kommenden Wochen in die Berliner Gesetzgebung eingespeist werden.

Für Gewerkschaften wie den Deutschen Journalisten-Verband ist der CSU-Vorstoß ein „massiver Angriff auf das in der Verfassung garantierte Grundrecht zum Streik“. „Ein Zwei-Klassen-Streikrecht wäre in dieser ganzen unsäglichen Diskussion noch einmal eine ganz neue ‚Qualität’ der Grundrechtsbeschneidung und erst recht verfassungswidrig“, warnt der Bundesvorsitzende des Beamtenbundes (DBB), Klaus Dauderstädt. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) befürchtet durch die unklare Definition der Daseinsvorsorge gar eine „Abschaffung des Grundrechts auf Streik“: „Bei der Umsetzung des Vorschlags würden sich wohl viele Arbeitgeber und Branchen dazurechnen, um einem Arbeitskampf zu entgehen.“

Verärgert zeigt sich auch der bayerische Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Matthias Jena. Der CSU-Vorstoß sei nichts anderes als eine Schwächung der Rechte der Beschäftigten. Dabei sei Deutschland im internationalen Vergleich keine Streikhochburg. Im Übrigen müssten Gewerkschaften aus dem Bereich der Daseinsvorsorge schon jetzt Notdienstvereinbarungen treffen. Zwar gebe es auch in Italien und Frankreich für bestimmte Sektoren eine Ankündigungspflicht von mehreren Tagen. „Dennoch wird in diesen Ländern erheblich mehr gestreikt als bei uns“, sagt Jena der Staatszeitung.

Gegenwind kommt auch vom Koalitionspartner der CDU/CSU: „Das Streikrecht ändern wir nicht“, versichert ein Sprecher des SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann der BSZ. Dies sei auch durch den Koalitionsvertrag nicht gedeckt. „Tarifverhandlungen ohne eine realistische Streikdrohung wären für die Gewerkschaften nur kollektives Betteln.“ Kooperationsvereinbarungen sollten daher aus Sicht der SPD freiwillig bleiben. „Wer durch Zwang kooperieren muss, wird nicht zu einer befriedigenden Lösung kommen.“

Falls sich die CSU auf Bundesebene nicht durchsetzen kann, will sie das Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht durch ein Landesgesetz regeln – wo die Kritik der Opposition vermutlich folgenlos bliebe. Welche Auswirkungen das auf einen deutschlandweiten Streik hätte, ist allerdings offen.
„Die CSU bläst zum Großangriff auf Arbeitnehmerrechte“, ereifert sich der Landeschef der Grünen, Eike Hallitzky. „Und das, obwohl die Gewerkschaften sehr behutsam mit ihrem Kernrecht umgehen.“ „Von daher besteht kein Anlass, Ankündigungsfristen für Arbeitskämpfe oder eine Pflicht zur Schlichtung in das Streikrecht aufzunehmen“, ergänzt der Vorsitzende der Bayern-SPD, Florian Pronold.

Freie Wähler Landeschef-Hubert Aiwanger sieht die Schuld für die vielen Arbeitsniederlegungen bei der Bahn bei der CSU selbst, weil sie die Privatisierung vorangetrieben habe: „Beamte mit Streikverbot bei einem Staatsbetrieb werden durch schlechter bezahlte Angestellte eines Privatunternehmens ersetzt.“ Aiwanger, der auch FW-Fraktionschef im Landtag ist, fordert, in sensiblen Bereichen wenigstens das wichtigste Personal wieder mit Beamten statt mit Zeit- und Leiharbeitern zu besetzen. „Wer privatisiert, schlecht bezahlt und dann noch das Streiken verbieten will, provoziert soziale Konflikte.“ (David Lohmann)

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