Politik

Wohin mit dem Nachwuchs, wenn Mama und Papa in der Uni sind? Die Hochschul-Kitas haben oft nicht genug Plätze. (Foto: DPA)

14.02.2014

Kinderbetreuung wird zum Wettbewerbsfaktor

Nach regulären Universitäten und Fachhochschulen hat auch die Münchner Bundeswehruni erkannt, dass Kita-Plätze beim Kampf um die besten Köpfe entscheidend sein können

Das war höchste Zeit: Nachdem die Universitäten und Fachhochschulen schon längst Betreuungseinrichtungen für unter Dreijährige vorhalten, zieht jetzt auch die Bundeswehruni in München nach. Im April wird Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Neubiberg eine Kinderkrippe eröffnen. Unter den Studierenden hier gibt es besonders viele Eltern: Zehn Prozent der Immatrikulierten haben Kinder.

Auch wenn es den Anschein haben mag: Die neue Krippe hat nichts mit von der Leyens Anspruch zu tun, die Bundeswehr familienfreundlicher zu machen. Die Planungen seien schon 2005 mit ihrem Amtsantritt in Angriff genommen worden, betont Unipräsidentin Merith Niehuss, „doch die Mühlen der in solchen Dingen damals noch unerfahrenen Bundeswehr-Verwaltung haben sehr langsam gemahlen“. Mit der Umstellung der Armee auf ein Heer der Freiwilligen werden derlei Angebote indes immer wichtiger, da sie die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber steigern können. Allerdings reichen die 36 Plätze bei Weitem nicht aus: Einer Umfrage zufolge ist der Bedarf doppelt so hoch. Und für eine wirklich familienfreundliche Armee müsste es auch Korrekturen bei der Laufbahn der Berufssoldaten geben, die derzeit in der Regel alle zwei Jahre versetzt werden.

Ein Eltern-Kind-Zimmer

Die zivilen Hochschulen in Bayern haben das Thema schon seit Längerem auf der Agenda. Denn sie konkurrieren immer stärker um die besten Köpfe. Wobei neben fachlichen Aspekten auch das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine immer stärkere Rolle spielt. „Die Universitäten sind sich der Problematik bewusst, jede Uni sucht nach Lösungen“, sagt Margit Weber, Frauenbeauftragte an der LMU und Sprecherin der Frauenbeauftragten aller bayerischen Universitäten.

Hier unterscheiden sich die Hochschulen von anderen staatlichen Behörden, für die das Thema mit wenigen Ausnahmen noch Neuland ist. An den meisten Hochschulen gibt es inzwischen Kinderkrippen und Kindergärten für Studierenden- und Beschäftigtenkinder. Aber noch könne der Bedarf bei Weitem nicht gedeckt werden, sagt Weber. Vor allem in München nicht, wo der Ausbau der Kinderbetreuung schleppend läuft.

An der LMU gibt es seit den 70ern einen Kindergarten in Trägerschaft einer Elterninitiative, in unmittelbarer Nähe der Mensa an der Leopoldstraße. Andere Einrichtungen folgten. Um den besonderen Bedingungen im Wissenschafts- und Lehrbetrieb gerecht zu werden, wurde 2005 mit den „LMU-Campuskindern“ eine flexible Betreuung für Kinder von 15 Monaten bis sechs Jahren ins Leben gerufen: Dort sollten Eltern ihr Kind kurzfristig abgeben können und es gut betreut wissen. Sechs Krippenplätze waren fest, der Rest flexibel nutzbar.

Nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und Erziehungsgesetz werden Kita-Plätze aber nur dann staatlich gefördert, wenn „die überwiegende Zahl der Kinder über einen Zeitraum von mindestens einem Monat die Kindertageseinrichtung durchschnittlich mindestens 20 Stunden pro Woche besucht“. Denn nur dann, so die Auffassung des Gesetzgebers, könne Bildung erfolgen. „Das widerspricht komplett den Bedürfnissen der Universität“, sagt Weber. Um weiter in den Genuss der staatlichen Förderung zu kommen, mussten zwei weitere Plätze fest vergeben werden – dies ging zulasten der flexiblen Betreuung. Auch für den längeren Betrieb am Abend fehlen die Mittel, kurzfristig konnte dieser aus Studienbeiträgen finanziert werden.

Insgesamt 17 Unis und Fachhochschulen in Bayern haben erfolgreich am Auditverfahren „Familiengerechte Hochschule“ teilgenommen, das von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung initiiert wurde. Als Best-Practice-Beispiel aus Bayern wird auf der Homepage der berufundfamilie geGmbH die Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg genannt, die auch einen Babysitterservice, eine Notfallbetreuung, flexible Nachmittagsbetreuung für Schulkinder oder Ferienbetreuung anbietet.

Schulferien als Problem

In Bayreuth hat man darüber hinaus im Mai 2013 ein Eltern-Kind-Arbeitszimmer eingerichtet, um Eltern im Notfall das Arbeiten mit gleichzeitiger Kinderbetreuung zu ermöglichen. Während auch die Uni Erlangen-Nürnberg zertifiziert ist, sucht man die beiden großen Münchner Unis LMU und TU München vergebens auf der Liste. „Die Hochschulleitung hat sich in Absprache mit den Frauenbeauftragten gegen die Zertifizierung entschieden. Das ist ein sehr aufwändiges Verfahren, wodurch wir auch nicht mehr Räume, Geld und Personal etwa für Betreuungseinrichtungen bekommen“, so die Frauenbeauftragte. Um vor allem für Gastprofessoren und Neuberufungen einen entsprechenden Service vorzuhalten, arbeitet die LMU mit einem kommerziellen Familienservice zusammen.

In Bayreuth versucht man in einem solchen Fall selbst zu vermitteln: „Das Team Familiengerechte Hochschule verfügt über ein gutes Netzwerk“, sagt Stefanie Raab-Somabe, die zuständige Referentin. Während das Angebot für Studierenden-Kinder ausreiche, gibt es für Beschäftigte eine Warteliste. Schwierig wird es aber auch hier vor allem bei der Not- und Randzeitenbetreuung: Außerhalb der Regelzeiten ist es schwierig, Personal zu bekommen.

Ein unispezifisches Problem sind auch die Schulferien: Wenn die Schulen geschlossen haben und mit ihnen auch viele Kitas und Horte, müssen Hochschulmitarbeiter mitunter besonders viel arbeiten, weil das Semester in vollem Gang ist. Hierfür hat die LMU den Familienservice mit einer Inhouse-Ferienbetreuung für die Oster- und Pfingstferien beauftragt. Inhouse ist aber gar nicht so einfach bei laufendem Semester: „Letztlich haben wir Räume im Herzoglichen Georgianum zur Verfügung gestellt bekommen. Aber das System, das heißt Unis oder Politik, hält so etwas nicht bereit“, sagt Margit Weber. Auch während der Sommerferien gibt es zwei Wochen Ferienprogramm. Mitarbeiter mit mittlerem Einkommen werden sich jedoch zweimal überlegen, ob sie das für ihr Kind auch nutzen können: Die zwei Drittel der Kosten, die die Uni finanziert, sind zunächst als geldwerter Vorteil zu versteuern, und der Steueranteil wird vom Gehalt abgezogen.

Und auch bei der Anpassung der Arbeitswelt steckt die Tücke im Detail: Hauptvorlesungen sollen während der Kernzeiten stattfinden, damit Studierende mit Kindern das wahrnehmen können. Damit wandern die Veranstaltungen jüngerer Mitarbeiter aber oft an den Rand – was die Kinderbetreuung erschwert. Überhaupt herrsche in vielen Bereichen noch ein raues Klima, sagt Frauenbeauftragte Weber: Ein Jahr Auszeit nach der Geburt eines Kindes erscheine oft unmöglich, Teilzeit sei immer noch gleichbedeutend mit einem Karriereknick. „Hier ist noch viel Bewusstseinsarbeit zu leisten.“
Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsabläufe sind auch Punkte, die in Bayreuth ins Visier genommen werden. „Wir wollen gute Bedingungen für unsere Studierenden und Beschäftigten bieten,“ so Stefanie Raab-Somabe. Die Uni profitiere so auch „bei der Personalgewinnung“. (Anke Sauter)

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