Politik

Streik! Doch deshalb bekommen Eltern keineswegs die Kita-Gebühren zurück. (Foto: dpa)

30.04.2015

Kita-Streik als Sparmodell

Erzieherinnen bekommen während des Arbeitskampfs kein Gehalt, Eltern keine Gebühren zurück – Gewinner sind die Kommunen

Grundsätzlich sind sich eigentlich alle einig: Kindergärtnerinnen gehören besser bezahlt. Wer kann in Großstädten schon leben von 2589 Euro Brutto – so viel verdient eine Erzieherin nach ihrer Ausbildung. Kinderpflegerinnen, die im Freistaat mit 37 Prozent einen fast drei Mal so hohen Anteil ausmachen wie im Bundesdurchschnitt, kommen auf nur 2043 Euro.
Die Gewerkschaften Verdi und GEW fordern für die bundesweit 240 000 Erzieher, Kinderpfleger und Sozialpädagogen die Eingruppierung in eine höhere Tarifstufe und damit eine Gehaltserhöhung von durchschnittlich zehn Prozent. Und da ist es dann schon vorbei mit dem Konsens: „Nicht bezahlbar“, sagt die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). Am Dienstag erklärten die Gewerkschaften die Verhandlungen für gescheitert.
Besonders bizarr: An jedem Tag des Streiks zahlen Erzieherinnen und Eltern drauf, während die Kommunen faktisch Geld sparen. Weil sie ihren streikenden Angestellten den Streiktag vom Gehalt abziehen. Legal ist das – wer streikt, bekommt vom Arbeitgeber kein Geld. Wie viel Bayerns Kommunen insgesamt durch den Streik eingespart haben, wird statistisch nicht erfasst. Die Staatszeitung fragte vier Kommunen direkt: München, Ingolstadt, Regensburg und Augsburg.

Eltern müssen trotzdem zahlen


In München erklärte eine Sprecherin des Personalreferats, dass man über die Höhe des Ersparten keine Angaben machen könne. Die anderen drei Kommunen vermochten dies schon: Rund 20 000 Euro Ersparnis sind es in Ingolstadt, wo bisher an einem Tag gestreikt wurde. In Regensburg gab es an zwei Streiktagen 993 Streikstunden, sagt eine Pressesprecherin. „Wir gehen davon aus, dass dies einen hohen fünfstelligen Betrag ausmacht.“ Zwischen 80 000 und 90 000 Euro in etwa. Die Auskunft aus Augsburg: Die Stadt hat an drei Streiktagen 83 827 Euro gespart. Das Geld wird dafür verwendet, um die Unterdeckung der städtischen Kitas von 4,6 Millionen Euro zu reduzieren.
Die Stichprobe zeigt: Insgesamt dürften Bayerns Kommunen bei diesem Streik bisher mehrere hunderttausend Euro eingespart haben.
Hinzu kommt, dass die Kommunen keine Einbußen durch den Streik zu befürchten haben. So müssen sie beispielsweise den Eltern bei streikbedingten Schließungen der Kitas keine Gebühren rückerstatten.
Daniela Richter (Name geändert), eine Mutter aus Ingolstadt, hatte dies versucht. Anlass war der Streik im vergangenen Jahr. „Es ging mir dabei nicht um das Geld, sondern darum, die Erzieherinnen bei ihrem Anliegen zu unterstützen“, sagt sie. Ihr Schriftverkehr mit der Stadt Ingolstadt liegt der Staatszeitung vor. 29 Euro Kitagebühr forderte Richter zurück. Die Stadt legte das dem Rechtsamt vor. Dieses entschied: „Die Gebühren werden bei einem Streik, sofern er nicht einen Monat dauert, nicht erstattet.“ Der Betreuungsvertrag sehe eine Monatsgebühr als Pauschale und keine Einzelabrechnung vor. Zudem verwies die Stadt darauf, dass ein Streik aus Sicht des Arbeitgebers als höhere Gewalt zu werten sei.
Die Kommunen dürfen im Streikfall jedoch nicht nur die Gebühren der Eltern einbehalten.

Auch staatliche Zuschüsse dürfen die Kitas behalten

Auch die Zuschüsse, die sie vom Land bekommen, müssen sie nicht zurückerstatten. Im abgelaufenen Jahr hat der Freistaat die kommunalen Kindertagesstätten mit Zuschüssen zur Betriebskostenförderung in Höhe von rund 350 Millionen Euro unterstützt, sagt ein Sprecher des bayerischen Sozialministeriums. Eine Kürzung dieser Förderung aufgrund eines Streiks sei bisher nicht erfolgt, und auch nicht vorgesehen. „Dafür wäre der Verwaltungsaufwand zu hoch.“
Bezahlt wird der Streik also von Erzieherinnen und Eltern. Die Erzieherinnen erhalten nur wenn sie Mitglied einer Gewerkschaft sind, ein steuerfreies Streikgeld von etwa 50 Euro pro Tag. Und die berufstätigen Eltern, die die Kita-Gebühren nicht zurückbekommen, müssen eine Alternativbetreuung organisieren – und bezahlen – oder Urlaub nehmen.
Der GEW Landesverband Bayern hofft jetzt vor allem auf die Kommunen, die sich für eine bessere Bezahlung der Erzieher starkmachen sollen. Im Städtetag und darüber hinaus. (Beatrice Ossberger)

Kommentare (1)

  1. Roland am 05.05.2015
    Nö, Verlierer sind die Kommunen, weil Ihnen die
    Eltern auf die Füße steigen und die Kosten
    zurück erstatten müssen!
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