Politik

Kabarettist Serdar Somuncu ist Spitzenkandidat von "Die Partei". (Foto: Gregor Fischer/dpa)

08.09.2017

Kleine Parteien – große Wünsche

Zur Bundestagswahl sind in Bayern insgesamt 21 Parteien zugelassen – wir stellen die skurrilsten vor

Partei für Gesundheitsforschung

Eine Partei, die nur einen einzigen Punkt im Angebot hat: Das ist die 2015 gegründete Partei für Gesundheitsforschung. Bundesweit zählt sie 170 Mitglieder, 19 davon in Bayern. Ihr Ziel: Es soll mehr Geld in die Erforschung altersbedingter Krankheiten wie Alzheimer, Krebs und Schlaganfall fließen. Die Partei für Gesundheitsforschung, heißt es treuherzig in deren Programm, „überlässt andere politische Themen bei einer Regierungsbeteiligung den Koalitionspartnern“. Spitzenkandidatin in Bayern ist die 27-jährige Christine Kellner; sie studiert Polymer-Kolloidchemie in Bayreuth. Warum sie sich für das Anliegen engagiert? „Was nützt die zuverlässigste Rente“, fragt Kellner, „wenn man nicht gesund ist?“

V-Partei³

Um Gesundheit geht’s auch bei der 2016 gegründeten V-Partei³. steht für: „Veränderung, Vegetarier und Veganer“. Sie hat bundesweit 1500 Mitglieder, davon 330 in Bayern. Spitzenkandidat ist der 41-jährige Verwaltungsangestellte Roland Wegner aus dem Landkreis Augsburg. Er lebt seit 2007 vegetarisch, seit 2010 vegan – bundesweit sind, je nach Zählung, etwa 3,6 Prozent der Menschen Vegetarier, 11,6 Prozent essen nur gelegentlich tierische Produkte. „Wenn die alle rechtzeitig von uns erfahren und uns dann auch wählen, kämen wir auf zehn Prozent Stimmenanteil“, rechnet Wegner vor. Eine optimistische Prognose, wenn man sich das Desaster der Grünen beim Veggie-Day vor Augen führt. Genau das hat Wegner damals inspiriert: „Wenn es nicht mal die Grünen schaffen, hier Konsequenz zu zeigen“, bilanziert Wegner, braucht’s eine eigene Partei.“ Prominentestes Mitglied ist passenderweise eine Ex-Grüne: die bald 90-jährige Barbara Rütting.

Die Tierschutzpartei

Gesundheit und Tierschutz sind offenbar schwer angesagt. Jedenfalls hat sich auch die Partei Mensch Umwelt Tierschutz, kurz Tierschutzpartei, diesen Themen verschrieben. Gegründet wurde sie 1993, sie hat bundesweit 1400 Mitglieder, 245 in Bayern. „Mit unserem Lebensstil werden wir unseren Planeten gnadenlos aufessen“, klagt Helmut Wolff (63), einer der beiden bayerischen Landesvorsitzenden. Umsteuern würde er mittels Steuerpolitik, pflanzliche Kost solle begünstigt werden. Sein Ziel: „Ein respektables Ergebnis, mit dem wir auf die großen Parteien Druck ausüben können.“ Trotzdem ist er realistisch: Alles über einem Prozent würde ihn freuen.

Demokratie in Bewegung

Die 2017 gegründete Gruppierung erinnert nicht nur dem Namen nach an Frankreichs République en Marche. Es gebe durchaus „grundsätzliche Ähnlichkeiten“ mit der von Emmanuel Macron gegründeten französischen Partei, sagt Maximilian Glasneck (27), einer der beiden bayerischen Spitzenkandidaten. Den kometenhaften Aufstieg von en Marche würde die deutsche Demokratie in Bewegung natürlich gern wiederholen. Glasneck, von Beruf Gesundheitsfachwirt, verweist enthusiastisch auf die zahlreichen E-Mails, die seit Online-Schaltung des Wahl-O-Mats bei ihm einlaufen: „Ich komme kaum hinterher mit den Antworten.“ Die Ziele der 350 Mitglieder starken Truppe – 23 davon in Bayern – lesen sich durchaus ehrenwert: ein Ethik-Kodex für Abgeordnete, der den Verzicht auf bezahlte Nebentätigkeiten umfasst, zählt dazu, eine demokratischere EU oder die radikale Vereinfachung des Steuersystems. Und wenn’s nicht klappt mit dem Einzug in den Bundestag, hat Glasneck schon einen Plan B in petto: „2018 kandidieren wir für den Bayerischen Landtag.“

Die Partei


Doch, es stimmt wirklich: Die vogelwildeste Kleinpartei hat die meisten Mitglieder. Rund 25 000 Menschen haben sich der Partei des Satirikers Martin Sonneborn angeschlossen. Der 52-jährige Ex-Titanic-Chefredakteur schaffte es, 2014 ins EU-Parlament – geholfen hatte ihm dabei, dass kurz zuvor die 3-Prozent-Klausel für Parteien gekippt wurde. Jetzt tritt Die Partei zur Bundestagswahl an, Spitzenkandidat ist der 49-jährige türkischstämmige Kabarettist Serdar Somuncu. Immerhin eine Forderung dürfte in Deutschland mehrheitsfähig sein: „Der Irre vom Bosporus, Erdo(g)an, wird nach Deutschland gelockt, festgenommen, eingekerkert und dann gegen Deniz Yücel ausgetauscht.“ Somuncu sei der richtige Mann für den Bundestag, glaubt Sonneborn: „Der kann sehr schön rumpöbeln.“

Bündnis Grundeinkommen

Eigentlich will der Münchner Moritz Meisel (29) gar nicht in den Bundestag. Der Landesvorsitzende des Bündnisses Grundeinkommen (BGE) sagt: „Statt an der Wahl teilzunehmen, wäre uns ein bundesweiter Volksentscheid für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommen lieber.“ Weil es den aber nicht gibt, haben er und seine Mitstreiter 2016 die Ein-Themen-Partei gegründet. 290 Mitglieder hat sie bundesweit, in Bayern 25. Bayerischer BGE-Spitzenkandidat ist Reimund Acker, Mathematiker aus Puchheim. „Mit unserer Teilnahme an der Wahl wollen wir den etablierten Parteien zeigen, für wie viele Menschen das Thema wahlentscheidend ist“, sagt Meisel. Aber wie viele würden dann nur noch auf der faulen Haut liegen? „Die wenigsten“, glaubt Meisel. „Der Mensch ist nicht geschaffen fürs Nichtstun!“

Bürgerrechtsbewegung Solidarität

Donald Trump würde diese Partei lieben: Sie hält den Klimawandel für eine Erfindung von Dummköpfen, will den Atomausstieg stoppen, den Nationalstaat stärken und die D-Mark wieder einführen. Das Ziel der 1992 gegründeten, rund 1000 Mitglieder starken Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo): den Zusammenbruch des Wirtschaftssystems verhindern. Der Atomausstieg, von einer kleinen Weltelite beschlossen, drehe das „Rad der Geschichte ins Mittelalter zurück“, glaubt Landeschef Werner Zuse (67), der aus seinem früheren Beruf ein großes Geheimnis macht. Alles in allem: die passende Partei für Verschwörungstheoretiker.
(Angelika Kahl, Waltraud Taschner)

Kommentare (1)

  1. FKD am 15.09.2017
    Als Mitglied der Partei Die PARTEI muss ich die fehlerhafte Schreibweise aufs schärfste verurteilen! #fail
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