Politik

Horst Seehofer (links) ist "stabilisiert" nach dem Parteitag, glaubt die Mehrheit in der CSU. Manche fügen hinzu: "mit zwei blauen Augen". Misslich für den Parteichef war vor allem das äußerst knappe Votum für die Frauenquote. CSU-Darling Karl-Theodor zu Guttenberg (rechts) hatte es da leichter: Sein Prestigeprojekt Bundeswehrreform ging nahezu einstimmig durch. (Foto: dapd)

05.11.2010

Kleine Revolutionen, große Emotionen

Der CSU-Parteitag segnete die Frauenquote ab - und andere ungewohnte Dinge wie die reichlich nebulöse Internetmitgliedschaft

CSU paradox: Die Neuerung mit der – erst mal – geringsten Wirkung wurde beim Parteitag am vergangenen Wochenende am hitzigsten diskutiert. Und am längsten. Fast vier Stunden plagten sich die Delegierten mit dem Antrag des Parteivorstands zur Frauenquote herum. Zeitweise konnte man den Eindruck gewinnen, Landesvorstand und Bezirksvorstände müssten nun zu 40 Prozent mit Mitgliedern der Linkspartei besetzt werden – statt mit CSU-Frauen. Dabei geht es nur um rund 40 zusätzliche Posten für Frauen – bayernweit.


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Angeführt wurde die Phalanx der Quotengegner vom Parteinachwuchs Junge Union. Klar, dass die JU-Frauen dagegen seien, lästerten erfahrene Christsoziale: „Mehr Frauen bedeuten mehr Konkurrenz um Posten.“ JU-Vizechefin Katrin Poleschner wählte für ihre Quotenabscheu ein demonstrativ sachliches Argument: „Die Quote ist Unrecht“ – und attestierte damit allen im Bundestag vertretenen Parteien außer der FDP, eine juristisch wacklige Art der Frauenförderung zu praktizieren. Andere Quotengegner verlegten sich auf offenen Spott: „Gutaussehende Frauen sind gegen die Quote“, formulierte der schwäbische Delegierte Manfred Krautkrämer, „die werden sowieso gewählt“. Dreistere Verstöße gegen die Political Correctness gab’s in JU-Internetforen: Nach der Quote für Frauen, dichtete ein User, fordere er eine „für evangelische schwule Landwirte mit Migrationshintergrund“. Die Frauenquote ging trotzdem durch: mit 56 Prozent Ja-Stimmen.


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Hätte sich nicht CSU-Darling Karl-Theodor zu Guttenberg noch für die Frauen ins Zeug geworfen – wer weiß, wie die Abstimmung ausgegangen wäre. Schmachtende Blicke allüberall, als der smarte Adlige durch die Reihen schritt. „Da ist er“, raunte ein sehr junger JUler seinem Kumpel zu, „ich weiß nicht warum, aber du merkst gleich, dass er der Chef ist“. Guttenberg, der künftige CSU-Chef: So sahen das wohl die meisten der gut 800 Delegierten. „Das Gros der Partei liegt ihm zu Füßen“, sagt ein Mitglied des Parteipräsidiums. Entsprechend unspektakulär verlief die Debatte zur Bundeswehrreform. Wortmeldungen zur Aussetzung der Wehrpflicht, laut früherer Seehofer-Aussage ein CSU-Essential: null. Nein-Stimmen: geschätzte fünf. Begeisterungspegel beim Applaus für den Verteidigungsminister zu Guttenberg: maximal.


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Demonstrativen Applaus erhielt auch Parteichef Horst Seehofer. Er kann die Streicheleinheiten brauchen, nach dem äußerst knappen Votum für das Projekt Frauenquote. Der CSU-Chef hatte sich dafür seit Monaten stark gemacht. Seehofer sei „stabilisiert“, lautet die Mehrheitsmeinung in der CSU. Selbst seine zahlreichen Gegner schließen nicht aus, dass Seehofer beim Wahlparteitag im kommenden Jahr wieder als Vorsitzender kandidiert. „Seehofer bleibt erst mal Chef – bis Dramatisches passiert“, glaubt der CSU-nahe Politikprofessor Heinrich Oberreuter. Gerieten die sechs Landtagswahlen im Jahr 2011 für die Union zum Desaster, könnte auch Seehofer wackeln. Dann nämlich werde man nach Schuldigen suchen und mit Blick nach Bayern erklären: „Ihr habt auch einen Anteil an der Misere.“ Erfahrene CSU-Strategen gehen noch weiter. Sie glauben, dass bereits eine CDU-Niederlage bei der Baden-Württemberg-Wahl im März genügt, um ein bayerisches Beben auszulösen: „Da bräche Panik aus im Freistaat“, sagt einer, „das würde Seehofer den Boden wegziehen“.

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Beschlossen hat der Parteitag auch eine Art Facebook für Christsoziale: CSU-Internet-Mitgliedschaft heißt das Konzept offiziell. Was das genau bedeutet, ist selbst für CSU-Insider nebulös. Welche Rechte Internet-Mitglieder haben sollen, ob sie Mitgliedsbeiträge zahlen – keiner weiß es. Das Ganze, verlautet aus der CSU-Zentrale, sei eine „hochkomplexe Rechtsmaterie“ und deshalb „momentan noch sehr vage“. Offenbar will man aber der Generation Internet eine Möglichkeit bieten, mal reinzuschnuppern in eine Partei, deren größte Wählergruppe die über 60-Jährigen sind. Daneben soll es künftig Mitgliederbefragungen zu Sach- und Personalfragen geben – die Mitglieder sollen sich per Brief oder online äußern können. Dem Ehrenvorsitzenden Theo Waigel geht das nicht weit genug: Er plädiert dafür, sich verstärkt bei CSU-Gegnern umzuhören: „Wir müssen diejenigen, die nicht zu uns kommen, fragen, was hält euch ab?“
(Waltraud Taschner)

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