Politik

War da was? Horst Seehofer und sein Vize Martin Zeil (FDP) gucken im Landtag etwas bemüht unaufgeregt drein. (Foto: dpa)

30.11.2012

Krise? Welche Krise?

Noch vor zwei Wochen redete Schwarz-Gelb dauernd vom Koalitionsbruch - davon will Horst Seehofer jetzt nichts mehr wissen

Über die Modelleisenbahn von Horst Seehofer ist schon viel geschrieben worden. Forschungslücken bestehen allerdings bezüglich seiner Schallplattensammlung. Womöglich steht da ganz vorne im Regal eine Scheibe der britischen Pop-Band „Supertramp“ aus dem Jahr 1975. Crisis? What Crisis? heißt das Album. Ein Titel, der dem aktuellen Seehoferschen Lebensmotto sehr nahe kommt. Es gebe „nicht den Hauch einer Krise“ in der bayerischen Regierungskoalition, hat Seehofer dieser Tage verlauten lassen. Krise? Welche Krise?
Nun, es ist gerade 14 Tage her, da war „Koalitionsbruch“ die meistgebrauchte Vokabel im Regierungsbündnis von CSU und FDP. Entzündet hatte sich alles an der Zukunft der Studiengebühren. Zwischenzeitlich hat Seehofer offenbar im Wahlprogramm der Liberalen von 2008 geschmökert und dabei entdeckt, dass sich die FDP dort für „nachgelagerte Studienbeiträge“ stark gemacht hatte. Zu zahlen wären diese erst, wenn der ausgebildete Akademiker sein eigenes Geld verdient. Die Belastung träfe die Studierenden also nicht während des ohnehin finanziell belastenden Studiums, sondern erst hinterher.

„Koalition ist Mist!“


In einer Kabinettssitzung empfahl Seehofer den Koalitionären die entsprechende Passage zur Lektüre bis zur nächsten Behandlung des Themas im Januar. Die nachgelagerten Gebühren könnten eine Kompromisslösung sein, die beiden Partnern die Gesichtswahrung ermöglicht. Daran, dass die Opposition per Volksentscheid die Gebühren komplett kippen will, ändert das aber nichts.
Ohnehin hat der Streit um die Studienbeiträge einen sehr offenen Einblick in das Innenleben dieses Bündnisses gewährt. „Koalition ist Mist!“ hatte CSU-Fraktionschef Georg Schmid seine Erfahrungen schon wenige Monate nach dem Schließen der Polit-Ehe auf Zeit im Herbst 2008 zusammengefasst, seither scheint sich bei der CSU an dieser Feststellung wenig geändert zu haben. Die Sache mit den Studienbeiträgen sei nur der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, hört man aus der CSU-Fraktion. Beim Betreuungsgeld, beim Ladenschluss, beim Haushalt, bei den Asylbewerbern – fast überall nervt die FDP.
Bei dieser wiederum herrscht großes Misstrauen über die Absichten der CSU. Dass Seehofer jetzt wieder bei jeder Gelegenheit säusele, wie gut und erfolgreich die Koalition doch arbeite und dass sein großes Ziel sei, die Koalition über 2013 hinaus fortzusetzen, schürt die Zweifel bei den Liberalen eher. Wo sie bei der CSU doch längst wieder vom Alleinregieren träumen. Dass Vizeregierungschef Martin Zeil der CSU erst kürzlich einen „verantwortungslosen Umgang“ mit dem Bündnis vorgeworfen hat, hallt nach bei der FDP.
Trotzdem erinnern sich die Partner nach dem Zoff um die Studienbeiträge wieder ihrer gemeinsamen Verantwortung. Dieser Tage traten sie in Sachen zweiter Münchner S-Bahn-Tunnel, Kulturhaushalt und Energiewende sogar Seit an Seit vor die Presse. „Wir demonstrieren auf höchstem Niveau, wie kraftvoll diese Regierung arbeitet“, lobt FDP-Fraktionschef Thomas Hacker die neue Harmonie. Doch die jüngere Vergangenheit hat er dabei nicht vergessen. Meinungsverschiedenheiten in einer Koalition seien nicht ungewöhnlich, nur sollte man darüber erst intern reden. „Unser Koalitionspartner hat da gelegentlich eine etwas andere Vorstellung von Öffentlichkeitsarbeit“, stichelt Hacker.
Vor Weihnachten steht für CSU und FDP noch die Verabschiedung des Doppelhaushalts 2013/14 an, das letzte große Projekt auf der gemeinsamen Agenda vor der Landtagswahl. Im neuen Jahr holt die Koalitionäre das Thema Studienbeiträge wieder ein. Vielleicht legt dann mal einer die alte „Supertramp“-LP auf. Das letzte Lied dort heißt „Two of us“ – Wir beide. (Jürgen Umlauft)

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