Politik

Wie geht’s jetzt weiter? Horst Seehofer brüskierte mal wieder die Fraktion – deren Chef Thomas Kreuzer schwieg. (Foto: dpa)

24.03.2017

Krisenmanagement? Fehlanzeige

Das Verhältnis von Horst Seehofer zur Landtagsfraktion ist so schlecht wie lange nicht – dabei wünschen sich alle Geschlossenheit

Das wird nix mehr mit Seehofer und der Landtagsfraktion. Der aktuelle Zoff um das Kommunalwahlrecht und G9 markiert nur den vorläufigen Höhepunkt einer Frostbeziehung. Kein bayerischer Ministerpräsident hat die CSU vergleichbar düpiert wie Horst Seehofer. Nützen kann das keinem.

Ablästern vor Journalisten – das ist Seehofers bevorzugte Strategie, wenn er der Landtagsfraktion oder einzelnen Ministern klarmachen will: So nicht! Jüngstes Beispiel ist der Dissens ums Kommunalwahlrecht. Die Fraktion beschloss im Juli 2016, das geltende Wahlverfahren, welches kleinere Parteien begünstigt, abzuschaffen – was Seehofer damals nicht beanstandete. Jetzt, da der Gesetzentwurf vorliegt, outete sich Seehofer überraschend als Gegner einer Reform. Und zwar nicht etwa vor der Fraktion. Sondern zuerst im CSU-Präsidium, dann vor der Presse.

Mit der Landtagsfraktion hat Seehofer darüber bis heute nicht geredet. Er hielt es auch nicht für nötig, Fraktionschef Thomas Kreuzer telefonisch zu kontaktieren. Der stand dann blamiert da, musste in der Zeitung lesen, die von der Fraktion gewünschte Reform sei Blödsinn, den Seehofer verhindern werde.

In der Landesleitung stapeln sich Briefe empörter CSUler


Ähnlich rüde bürstete Seehofer die Fraktion beim Thema G9 ab – es ging um Detailfragen der Abgeordneten, die ihn genervt hatten. Den zuständigen Kultusminister Ludwig Spaenle demütigte Seehofer mit öffentlichem Naserümpfen über dessen unklare G9-Strategie. Und Seehofers Tiraden gegen den ambitionierten Markus Söder sind ohnehin legendär. In der CSU-Landesleitung sind angeblich eine Menge Briefe aufgebrachter Parteimitglieder eingegangen, die sich über Seehofers Kommunikationsstil empören.

Tatsächlich sind die Tiraden des Ministerpräsidenten in der CSU beispiellos. Am heftigsten geknallt hat es zuletzt wohl im Jahr 1988, als der damalige Ministerpräsident Franz Josef Strauß die Steuerbefreiung für Flugbenzin von Privatfliegern durchboxen wollte, die Landtagsfraktion aber dagegen war. Öffentlich abgelästert über die Fraktion hat Strauß dabei aber nicht – ebensowenig wie seine Nachfolger Streibl und Stoiber, wenn sie im Clinch lagen mit den Abgeordneten. Der CSU-nahe Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter sagt, er könne sich „nicht erinnern“, dass die Fraktion je so brüskiert wurde wie in der Ära Seehofer.

Auch das öffentliche Desavouieren von Regierungsmitgliedern ist ziemlich beispiellos. Altgedienten Abgeordneten fällt lediglich der Fall des Ex-Wirtschaftsministers Anton Jaumann ein, über dessen Alkoholprobleme sich Strauß einst in größerer Runde beschwert hatte.

Bleibt die Frage: Was reitet Seehofer? Selbstgewissheit, lautet eine Erklärvariante aus der CSU. Weil er für die CSU im Jahr 2013 die absolute Mehrheit zurückerobert hat, glaube der Ministerpräsident, sich alles leisten zu können. Hinzu kommt Seehofers allgemeine Geringschätzung der landespolitischen Bühne: „Er zeigt, dass er den Landtag für das hält, was er gern Mäusekino nennt“, so Politikprofessor Oberreuter.

Außerdem wächst bei Seehofer mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst die Nervosität: Während die SPD geeint wie nie ihren Frontmann Martin Schulz feiert und in den Umfragen zulegt, steht die Union als Streithanselverein da, dem der rechte Schwung fehlt. Dass Seehofer die Befindlichkeiten der eigenen Leute offenkundig wurscht sind, verbessert den Auftritt der Union keineswegs. „Jetzt ist Geschlossenheit angesagt“, stöhnt ein CSU-Präside. Weshalb in der Landtagsfraktion wohl auch keiner den Aufstand proben wird.
Zum Kommunalwahlrecht wird es demnächst ohnehin noch eine – von den Grünen beantragte – Expertenanhörung geben. Das lässt der CSU Luft zum Verschnaufen. Und eröffnet Zeit für Gespräche. Wer wohl den ersten Schritt macht?

Fraktionschef Kreuzer hatte nach Seehofers Rempeleien erst mal nicht auf eine Klärung gedrungen. Kreuzer wunderte sich – und schwieg. Das sei allerdings „kein bewusstes Krisenmanagement“, verlautet etwas irritiert aus der Fraktion. Seehofer wird erfreut registrieren, dass er die Fraktion nicht fürchten muss.
Auch das ist singulär. Der polternde Strauß hatte 1988 einknicken müssen: Die Steuerbefreiung für Privatflieger kam nicht – die Fraktion war dagegen. (Waltraud Taschner)

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