Politik

Vital, brutal, sentimental: Franz Josef Strauß entsprach ziemlich genau seinem Selbstbild des typischen Bayern. (Foto: dpa)

27.09.2013

Lernwilliger Poltergeist

Am 3. Oktober jährt sich zum 25. Mal der Todestag des früheren bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß

Er war ein Ausnahmepolitiker, in vieler Hinsicht: klüger, beredter, auch hemmungsloser als viele andere – im Guten wie im Schlechten. In der Ära Stoiber war Strauß deshalb als CSU-Ikone umstritten – Stoiber distanzierte sich von dessen Neigung, dienstliche und private Geschäfte zu verquicken. Horst Seehofer war es, der FJS rehabilitierte – und der Strauß-kritischen Ministerin Christine Haderthauer gar mit Rauswurf aus dem Kabinett drohte. Seitdem redet keiner mehr schlecht über den legendären Alten.
Aus guten Beispielen ist zu lernen, aus schlechten auch. Dem vor 25 Jahren, am 3. Oktober gestorbenen Franz Josef Strauß hat es an Feinden nie gemangelt, doch auch diese behaupteten so gut wie nie, er sei dumm. Aus Klugheit würde er heute etwas anders auftreten als seinerzeit und den Dauerverdacht, er vermische die dienstliche mit der privaten Sphäre und fahre finanziell sehr gut damit, vermutlich gar nicht erst aufkommen lassen.
Ein Alphatier wie der einstige Strauß hätte heute einen Untersuchungsausschuss nach dem anderen am Hals. Ein weiser Politiker vermeidet solche Prozeduren sogar dann, wenn sie auf seine moralische Entlastung hinauslaufen sollten. Selbst eine Persönlichkeit, die Bayern zum Industriestaat und die CSU zu einer modernen Partei gemacht hat, wäre bei einer Reduzierung höchstpersönlicher Angriffsflächen sehr gut beraten gewesen.

Menschenkenntnis war nicht seine Stärke


Zum Ruhme eines Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden aber genügen die beiden genannten Lebensleistungen. Bitte, meine Damen und Herren aus der Politik, vollbringen Sie Gleichwertiges! Natürlich haben zahllose Personen ihm dabei geholfen. Aber auch das ist ein Kunststück, Parteifreunde zu animieren und ihnen notfalls einen breiten Buckel zu präsentieren, hinter dem sie sich verstecken können.
Aber war es nicht sein Temperament, das dem Mann zu schaffen machte und das er nicht ablegen konnte wie einen Trainingsanzug? Nein, etwas ganz anderes war es, das ihm zeit seines Lebens schadete. Er hatte keine Menschenkenntnis. Wohl traf er viele richtige Personalentscheidungen, doch Menschen vor den Kopf zu stoßen, die er hätte für sich einnehmen können, war ihm fast schon zur zweiten Natur geworden. Andauernd stand er auch vor psychologischen Rätseln. Es war ihm nicht einmal gegeben, Helmut Kohl zu durchschauen, obwohl das so schwierig nun auch wieder nicht gewesen wäre.
Lässt Menschenkenntnis sich lernen? Oh ja. Zum Beispiel sind, und das sogar schriftlich, zahllosen Machtmenschen der Vergangenheit alle möglichen Tipps zum Umgang mit Schmeichlern gegeben worden. Strauß durchschaute die Schöntuer nicht immer, die selbstverständlich auch hin und wieder rühmten, was zu rühmen war, seine ausgeprägte Persönlichkeit etwa. Zu einer solchen sollte tatsächlich jeder werden, der in den höheren Rängen der Politik sich tummeln möchte.

Markenartikel auf zwei Beinen


Der berühmte Bayer war ein Markenartikel auf zwei Beinen. Er genoss den Vorzug, unverwechselbar zu sein. Gewiss, eine Menge Leute mochte ihn umso weniger, je authentischer er sich gebärdete. Aber in der Demokratie ist es nun einmal so, dass 51 Prozent Zustimmung in der Regel genügen. Wie recht hatte doch er mit der wuchtigen Erklärung, wer immer nur Everybody’s Darling sein wolle, sei über kurz oder lang „Everybody’s Depp“. Und wie unrecht hatte er mit dem vermeintlichen Selbstlob, so schnell könnten die Leute gar nicht schauen, wie er, der Pfiffikus Franz Josef, von einer politischen Ecke in die entgegengesetzte gelange. Mit Recht widert eine solche Einstellung auch ein Publikum an, das im ersten Moment dazu lacht.
Er galt als vorzüglicher Redner. Das war er auch, aber immer erst nach einer Weile. In der ersten Viertelstunde rang er nach Worten, wurde dann aber immer besser und zum Schrecken etwa der Parlamentsstenographen auch immer schneller. In Höchstform war er, wenn ihm irgendwo drei Stunden gegönnt waren und er sich in der dritten um alles Mögliche scherte, nur nicht um sein Manuskript. Vom Blatt zu lesen lag ihm gar nicht. Auch das will nämlich gekonnt sein.
„Werde, der du bist“, empfahlen die Griechen. Sei, der du nun einmal bist, wäre ein Rat für Politiker, auch wenn dabei herauskommt, dass Millionen von Mitbürgern in einem Potentaten nur einen Poltergeist sehen. Niemand hielt Strauß für einen „Mann des Ausgleichs“, um 1970 herum die Idealgestalt der deutschen Politik. Kaum jemand glaubte, dass er Widerspruch vertrage. Er vertrug ihn schlecht, wenn Gefühle und Eindrücke aufgetischt wurden, vertrug ihn aber gut, wenn die Gegenargumente präzis waren und nach Realismus rochen. Schließlich war er, einst Bayerns bester Abiturient und dann Maximilianeer, ein kluger und gebildeter Mensch.
So klug war er, dass er seine Bildungslücken nicht nur erkannte, sondern auch beseitigte. Adenauers altphilologisch geprägter Atomminister Strauß kannte sich auf seinem damals exotischen Fachgebiet nicht nur politisch, sondern auch physikalisch aus. Als er, mittlerweile Verteidigungsminister, wegen der Spiegel-Affäre aus dem Kabinett geflogen war und eine neue Karriere als Finanzfachmann ansteuerte, setzte er sich, ein Endvierziger, auf den Hosenboden und studierte Wirtschaftswissenschaften. Er wurde ein beschlagener Bundesfinanzminister. Die gängige Phrase vom lebenslangen Lernen sollten auch andere Politiker zur Abwechslung einmal auf sich selbst beziehen. (Roswin Finkenzeller)

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