Politik

24.02.2012

Linker liberaler Konservativer

Ein Kommentar von Roswin Finkenzeller

Die erste Instrumentalisierung seiner Person hat Joachim Gauck bereits erlebt. Nicht seinetwegen einigten sich fünf Parteivorsitzende auf ihn, sondern aus Angst vor der Bundesversammlung, derzeit eine Stätte unsicherer Mehrheiten. Gauck profitierte von seiner Popularität. Gegen die sich zu stemmen brachte selbst Angela Merkel nur ein paar Stunden lang fertig. Eigentlich mag sie keine Staatsdiener, die es nicht nötig haben, Wachs in ihrer Hand zu sein. Genau das aber macht den künftigen Bundespräsidenten so interessant. Endlich einmal einer, der mit seinem eigenen Kopf denkt!
Je selbstbewusster, je origineller das neue Staatsoberhaupt aber denken und reden wird, desto mehr wird es anecken. Wer Position bezieht, wendet sich gegen andere Positionen. Gerade die Vorstellung vom umgänglichen Bürgerpräsidenten fußt auf der Legende, Volkes Stimme klinge unisono.

Der neue Präsident wird anecken

In Wahrheit ist jedes halbwegs intelligente Volk in fast allen wichtigen Fragen uneins. Gaucks bisheriges Leib-und-Magen-Thema, die Freiheit, ist dafür das beste Beispiel. Er selbst zitiert Heinrich Heine, der einst schrieb, die Deutschen liebten die Freiheit wie ihre Großmutter, mithin nicht gerade leidenschaftlich. Tatsächlich wäre es nach dem Geschmack einiger Gauck-Kritiker, wenn er seinem staatsphilosophisch durchaus fundierten Begriff von Freiheit einen Schuss Gleichheit beigäbe, eine Dosis Solidarität, eine Prise Regelungswut und ein Quäntchen Verständnis für jeweils das Gegenteil.
Das ist der Cocktail, auf den sich die hauptstädtischen Ohrenbläser bestens verstehen. Die Entschärfungsspezialisten des Bundespräsidialamtes könnten ihren Chef bitten, seine Worte solange zu wägen, bis sie sich anhören, als kämen sie von Wulff. Gauck selbst hat sich einmal als linken liberalen Konservativen bezeichnet. Damit spielte er nicht auf jene Mitte an, in der sich die Politiker gegenseitig auf die Füße treten. Er gab vielmehr zu verstehen, dass er in kein Schubfach passe. Bewahrt sich Gauck diesen Widerwillen auf intelligente Weise, dürfte er ein famoser Bundespräsident werden.

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