Politik

Für den Experten ein Highlight des Satire-Talks: Horst Seehofer bei „Pelzig“ inklusive eines selten schönen Moments von Ehrlichkeit. (Foto: Screenshot)

14.11.2014

"Manche Politiker sollten es einfach lassen"

Medienwissenschaftler Andreas Dörner über Chancen und Risiken politischer Satire und warum immer mehr Politgrößen freiwillig in die Sendungen gehen

Andreas Dörner, Professor für Medienwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg, untersucht mit Soziologen von der Uni Wuppertal Politsatire im TV. Und stellt fest: Manchem Politiker müsste man einfach abraten, in Sendungen wie die „heute-show“ oder „Pelzig hält sich“ zu gehen. Die Shows selbst aber hält der Experte für überaus wichtig – erreichen sie doch auch politikferne Menschen. BSZ: Herr Dörner, der Bundestag wollte die Satiriker der „heute-show“ kürzlich aussperren. Ein Fehler?
Andreas Dörner: Der Impuls der Bundestagsverwaltung, die Abgeordneten schützen zu wollen, ist verständlich. Der Ton der politischen Satire wird von vielen als herablassend empfunden. Dazu kommt, dass die teils überfallartigen Attacken der „heute show“ schon einige Akteure auf dem falschen Fuß erwischt haben. Die Art der Reaktion hat der etablierten Politik aber eher geschadet. Denn das Publikum musste den Eindruck gewinnen, man habe Angst vor der „heute-show“.

BSZ: Vergangene Woche gab’s auch wieder eine Drehgenehmigung fürs ZDF. Haben Politiker tatsächlich Angst vor der Satire-Sendung?
Dörner: Sie sehen in solchen Sendungen vor allem eine große Chance. Aber sie kennen auch das Risiko. Man kann mit Satire ein Publikum, das nicht auf den traditionellen Kanälen politischer Information unterwegs ist, erreichen und bei ihm Sympathiepunkte sammeln. Das funktioniert aber nur, wenn man das Metier beherrscht. Politikern sitzen in den Sendungen Humorprofis gegenüber, denen es darum geht, Spaß und Pointen zu produzieren. Deshalb bereiten diese ihnen ein kommunikatives Glatteis, auf dem man als Politiker auch schnell mal ausrutschen kann.

BSZ: Dennoch scheint es immer mehr Politiker in solche Sendungen zu ziehen. Warum?
Döner: Weil man heute ohne unterhaltsame Verpackung an einen Großteil des Wahlvolkes gar nicht mehr herankommt. Aber wie gesagt, der Versuch gelingt nicht immer – da können Politiker vor solchen Sendungen mit noch so vielen Hinweisen ihres Beraterstabs ausgerüstet sein. Humor ist eben nicht erlernbar.

Die Gefahr eines Imageschadens ist groß

BSZ: Müssten die Berater also auch einfach mal sagen: Lass es?
Dörner: Ja, mancher Politiker muss einsehen, dass seine Persönlichkeit und Kommunikationsweise zu Satire-Formaten einfach nicht passt. Am Ende steht sonst statt des Imagegewinns ein Imageschaden.
   
BSZ: Welcher Auftritt ging zuletzt richtig in die Hose?
Dörner: Wie der AfD-Politiker Bernd Lucke bei Stuckrad-Barre vorgeführt wurde, hatte richtig groteske Züge. Um ja nicht als Spielverderber zu gelten, hat Lucke alles mitgemacht: Er hat sich eine Griechenland-Fahne umhängen lassen und es sich gefallen lassen, dass der Tonmann, selbst ein Grieche, seine Stimme während einer Rede zur Forderung des Euro-Austritts Griechenlands komplett verzerrte und sogar den Mittelfinger sichtbar für alle Zuschauer emporreckte. Daraus kann man nur die Lehre ziehen, nicht alles, was einem in einer Sendung angetragen wird, auch mitzumachen.

BSZ: Und welcher Politiker ist ein echter Satire-Profi?
Dörner: FDP-Politiker Wolfgang Kubicki zum Beispiel. Er ist ein Mensch, der selbst sehr pointiert und ironisch kommunizieren kann und eine Attacke auf den politischen Gegner – das kann auch ein Parteifreund sein – schon mal als Anekdote oder trockenen Scherz verpackt. Zuschauer bekommen so Einblicke auf die Hinterbühne der Politik – auf Konflikte, die in der offiziellen Rhetorik normalerweise gar nicht vorkommen dürfen.

BSZ: In der letzten „Pelzig hält sich“-Sendung war der Grüne Anton Hofreiter zu Gast. Welchen Erkenntnisgewinn hat der Zuschauer, wenn man sich über die Frisur eines Politikers lustig macht?
Dörner: Pelzig alias Frank-Markus Barwasser geht es gar nicht so sehr darum, Politiker in die Pfanne zu hauen. Er versucht, sie herauszufordern, um auch etwas von ihrer Persönlichkeit sichtbar werden zu lassen. Und dabei kommt es immer wieder zu schönen Momenten von großer Ehrlichkeit. Fast schon legendär ist das Gespräch mit Horst Seehofer über Lobbyismus, Finanzmärkte und Großindustrie im Jahr 2010. Seehofer ließ sich damals zu dem Satz hinreißen, dass diejenigen, die entscheiden, nicht gewählt sind, und diejenigen, die gewählt sind, nichts zu entscheiden haben. Durch das Publikum ging heftiges Geraune. Ein Satire-Talk kann Räume des Sagbaren eröffnen, wie es andere Formate nicht vermögen.

BSZ: „Heute-show“-Moderator Oliver Welke sieht seine Sendung als Politik-„Einstiegsdroge“ für junge Menschen. Ist sie das?
Dörner: Es können viele politikferne Jüngere mit der Sendung erreicht werden. Das ist eine große Leistung. Allerdings hat die Sendung als Unterhaltungsshow auch eine sehr hohe Gag-Quote und viel Klamauk. Problematisch dabei ist, dass teilweise Häme gegenüber der etablierten Politik mit sprachlichen Inkorrektheiten einhergeht – die Sprache nähert sich mitunter sehr dem Schulhof-Slang, auch an die Fäkal- und Sexualsprache der Jugendlichen an.

Wichtige politische Lehrstücke

BSZ: Und werden Politiker nicht einfach als Volltrottel dargestellt?
Dörner: Weil die „heute-show“ Politik sehr stark personalisiert, reduziert sie viele Probleme auch auf die vermeintliche Inkompetenz der politischen Akteure. Aber nicht allein. Ich sehe auch den Versuch, Interesse für politische Themen und Zusammenhänge zu erwecken.

BSZ: Zum Beispiel?
Dörner: Martin Sonneborn hat in einem Interview mit einem Vertreter der Deutschen Bank sichtbar gemacht, dass alle Fragen und Antworten vom Pressesprecher vorformuliert waren. Er hat das anmaßende Verhalten von Großkonzernen damit auf sehr subtile Weise thematisiert. Das ist ein politisches Lehrstück, wie es besser nicht sein könnte.

BSZ: Kritiker aber werfen Satire-Shows vor, dass sie Politikverdrossenheit produzieren. Ist das so?
Dörner: Einzelne Formate können das gar nicht. Aber wer mit bestimmten Vorurteilen und Ressentiments solche Shows anschaut, wird die dort mitunter auch bestätigt bekommen.

BSZ: Habe ich als Politiker eigentlich ein Problem, wenn ich in der ZDF-„heute-show“ überhaupt nicht vorkomme?
Dörner: Für mehr Prominenz jedenfalls ist es wichtig, in der politischen Satire vorzukommen. Und dafür muss man das ein oder andere herablassende Wort auch verkraften.

BSZ: Aber in jeder Sendung sein Fett abzubekommen, muss auch nicht sein, oder? Teile der FDP geben der „heute-show“ sogar die Schuld für die Wahlschlappe.
Dörner: Ja, Rainer Brüderle stellt die FDP zum Beispiel als ein großes Opfer der Show dar. FDP-Politiker waren aber immer gerne dabei. Man wollte an der Coolness des Formats partizipieren. Zu behaupten, die FDP sei wegen der „heute-show“ aus dem Bundestag geflogen, wäre zu simpel. Und mit gutem Kontern und Selbstironie hätte sie die Angriffe durchaus in etwas Positives umwandeln können.
(Interview: Angelika Kahl)

Kommentare (1)

  1. Zitrone am 14.11.2014
    Danke Herr Ministerpräsident, das war der wahrste Satz seit unvordenklicher Zeit. Danke Pelzig.
    Schade nur, dass diese Humorzwerge von der Heuteshow so eine Aufrmerksamkeit haben, heiße Luft, Fäkalsprache, ich wünsch mir die Münchner Lach- und Schiessgesellschaft zurück.
    Heinrich Heine: Denk ich an Deutschland...
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