Landtag

Das Seepferdchen-Abzeichen reicht nicht: Die Mehrzahl der Kinder in Bayern kann nach Einschätzung von Experten nicht sicher schwimmen. (Foto: dpa)

22.02.2018

Kinderschwimmen? Erst ab 21 Uhr

Jedes zweite Kind unter zehn Jahren kann nicht schwimmen – über die Ursachen und Konsequenzen sind CSU, Opposition und Experten uneins

Freistaat und Kommunen müssen nach Ansicht von Fachleuten mehr Geld in Schwimmbäder und in die Schwimmausbildung von Kindern und Jugendlichen investieren. Vor allem müsse in Grundschulen ein durchgängiger Schwimmunterricht sichergestellt werden, hieß es am Mittwoch in einer Expertenanhörung im Innen- und Sportausschuss des Landtags. Das sei heute nicht der Fall, nicht einmal in München. Zudem müsse für jedes Kind ein Schwimmbad in erreichbarer Nähe sein.

"Schwimmen sollte eine Grundfähigkeit sein - das ist aus unserer Sicht ein Muss", sagte der Vize-Vorsitzende der Wasserwacht Bayern, Ingo Roeske. Der bayerische Ausbildungsleiter der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Patrick Sinzinger, sagte sogar: "Schwimmen ist ein Grundrecht." Er warnte allerdings, 70 Prozent der Kinder im Freistaat könnten nicht sicher schwimmen. Maßstab sei, dass die Kinder 200 Meter am Stück schwimmen können, nicht nur 25 Meter, wie sie für das Seepferdchen-Abzeichen reichen. "Ein Seepferdchen ist nichts anderes als eine Wassergewöhnung", betonte auch Roeske.

Georg Leipold, Vorstandsmitglied im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, forderte deshalb einen durchgehenden, kontinuierlichen Schwimmunterricht in der Grundschule, und zwar bis zum Niveau des Bronze-Abzeichens - hierfür werden 200 Meter Schwimmen verlangt. Zudem forderte Leipold spezielle Maßnahmen und Programme, damit auch Kinder aus Migranten- und sozial schwachen Familien schwimmen lernen - bislang ist die Nichtschwimmerquote in diesen Personenkreisen höher.

Ein Seepferdchen ist nicht ausreichend

DLRG und Wasserwacht beklagen aber, es fehle an Schwimmbädern. Die DLRG fordert deshalb ganz konkret ein Investitionsprogramm des Freistaats für Schwimmbäder, um weitere Schwimmbadschließungen vermeiden und einen flächendeckenden Schwimmunterricht sicherstellen zu können. Hintergrund ist, dass in den vergangenen Jahren mehrere Dutzend Bäder in Bayern schließen mussten oder von der Schließung bedroht sind. "Gerade die großen Entfernungen zwischen den Schulen und den verfügbaren Schwimmflächen beeinträchtigen das Ausbildungsergebnis", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der DLRG. Jedes Kind, jeder bayerische Bürger müsse aber innerhalb von 20 Minuten ein Schwimmbad erreichen können, forderte Sinzinger.

Die Wasserwacht argumentiert in ihrer Stellungnahme, Schwimmen sei eine Grundkompetenz, ähnlich wie Lesen und Schreiben. Kommunen und Politik müssten deshalb sicherstellen, dass es genügend Schwimmbäder mit ausreichend Schwimm- und Trainingsmöglichkeiten gebe.
Der Bayerische Städtetag fordert deshalb ein eigenes staatliches Förderprogramm für die Generalsanierung kommunaler Schwimmbäder. "Eine wesentliche Voraussetzung für Schwimmqualifizierungsmaßnahmen der Schulen und sonstiger Anbieter ist eine ausreichende Anzahl geeigneter Schwimmbäder", heißt es in einem Papier des Städtetags.

Hintergrund der Debatte ist auch die hohe Zahl von Badetoten in Bayern pro Jahr. Hierzu sagte der Mediziner Leipold aber, die Schwimmfähigkeit sei für den Großteil der Ertrinkungsunfälle nicht die entscheidende Größe. Ein Drittel davon passiere auf privatem Gelände: im Gartenteich oder - bei Säuglingen - in der Badewanne. Für den DLRG-Mann Sinzinger hängt das geringe Risikobewusstsein der Eltern aber auch mit dem mangelnden Schwimmunterricht zusammen. "Zur Schwimmenlehre gehört eben auch die Badelehre", sagte er. Sinzinger beklagte außerdem, dass es in anderen Bundesländern weniger Badetote als in Bayern gebe – „weil dort konsequent an jeder Schule Schwimmen unterrichtet wird“. In Bayern gebe es hingegen selbst für den DLRG-Schwimmunterricht zu wenige Bäder. Neulich sei Sinzinger für das Schwimmtraining mit Fünf- bis Sechsjährigen ein Zeitslot von 21 bis 22 Uhr angeboten worden. (dpa/loh)

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