Politik

An insgesamt 21 Modellschulen läuft der Schulversuch Bilinguale Grundschule. (Foto: dpa)

04.11.2016

Mathe lernen auf Englisch

Der Modellversuch „Bilinguale Grundschule“ kommt gut an – doch wie geht es mit den sprachkundigen Kindern danach weiter?

Klingt abenteuerlich: Grundschulkinder, die Rechnen lernen in einer Sprache, die nicht die ihre ist. Und zwar schon in der 1. Klasse. Dass das funktioniert, zeigt der Modellversuch Bilinguale Grundschule, der in Bayern seit Herbst 2015 läuft. An 21 Schulen findet der Unterricht in den Fächern Kunst, Musik, Sport, teilweise auch in Mathe sowie Heimat- und Sachkunde ausschließlich auf Englisch statt. Ohne dass die Kinder irgendwelche Fremdsprachenvorkenntnisse besitzen. Das Projekt wird von der Wirtschaft unterstützt.

Wissenschaftlich ausgewertet ist der Modellversuch zwar noch nicht. Doch die Erfahrungen sind durchweg positiv. Simone Fleischmann, Präsidentin des bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), spricht von einem „echt guten Modell“ und wünscht sich bereits jetzt, dass das Ganze flächendeckend angeboten wird. Grund: „Kinder, die früh mehrere Sprachen lernen müssen, sind eloquenter und sprachgewandter im Aufsatz“, betont Fleischmann. Professor Heiner Böttger von der Katholischen Universität Eichstätt, der das Projekt wissenschaftlich begleitet, spricht sogar davon, dass bilinguale Kinder sich insgesamt positiver entwickeln. „Bei diesen Kindern verstärken sich synaptische Verbindungen im Gehirn“, erklärt Böttger.

Was passiert nach dem Schulversuch? Im schlimmsten Fall sind die sprachkundigen Kinder an der weiterführenden Schule arg unterfordert


Am Schulversuch beteiligte Lehrkräfte bestätigen das. Margot Rieder, Konrektorin an der Grundschule Kaufering bei Landsberg, unterrichtet eine bilinguale zweite Klasse in Mathe, Sport, Kunst und Musik. Sie hat festgestellt, dass auch eher schwache Schüler profitieren. So versetzte einer ihrer Schützlinge im Urlaub Eltern und Mitreisende in Erstaunen, weil der Bub – insgesamt kein Musterschüler – sich so gut auf Englisch verständigen konnte.

Für die Lehrkräfte selbst ist der bilinguale Unterricht ziemlich aufwendig: „Ich muss zehn Mal gründlicher planen“, erzählt Rieder. Denn in den auf Englisch unterrichteten Fächern kann sie nichts auf Deutsch erklären. Und so arbeitet sie mit Bildern, verwendet als Sprachtraining Lieder und Gedichte – oder legt schon mal Hand an, wenn’s nicht anders geht. Als sie wollte, dass sich die Kinder in Zweierreihen aufstellen („line up in pairs of two“), „da hab ich sie halt gepackt und zu zweit hingestellt“, so Rieder. Sie ist begeistert von den Fortschritten der Kleinen, die mitunter schon englisch denken: „Die sitzen da und murmeln ’five plus three equals eight’, während sie die Aufgabe lösen.“

Ob die bilinguale Grundschule nach Ende des Modellversuchs flächendeckend angeboten wird, ist offen. Das Kultusministerium will die wissenschaftliche Evaluation abwarten. Bald klären muss man indes die Frage, wie mit den Kindern verfahren wird, die 2019 von der bilingualen Grundschule an eine weiterführende Schule wechseln. Professor Böttger wünscht sich, dass bilinguale Grundschulkinder nahtlos in ein Gymnasium, eine Real- oder Mittelschule mit bilingualem Angebot wechseln können. „Das ist absolut notwendig, damit die Kinder nicht gelangweilt sind“, so Böttger. Und verweist darauf, dass unterforderte Schüler oft verhaltensauffällig würden.

Tatsächlich ist es aber so, dass derzeit nur die Realschulen in Bayern die Möglichkeit haben, bilinguale Züge anzubieten, Gymnasien und Mittelschulen indes noch nicht – dort gibt es aber Modellversuche.
Ob das Kultusministerium binnen zwei Jahren Anschlussangebote für alle bilingualen Grundschulkinder bereitstellen kann, ist fraglich. Jedenfalls wurden erst kürzlich neue Lehrpläne für die weiterführenden Schulen erarbeitet, die kommendes Schuljahr in Kraft treten sollen. Blöd nur, dass die Vorkenntnisse der bilingualen Grundschüler darin nicht berücksichtigt sind. (Waltraud Taschner)

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