Politik

Wohnen in der Großstadt: Normalverdiener können sich das kaum mehr leisten. (Foto: dpa)

28.06.2013

Maximale Rendite

Um der Absenkung der Kappungsgrenze zuvorzukommen, erhöhen derzeit viele bayerische Vermieter massiv die Mieten

Für die Mieter der 132 GBW-Wohnungen im mittelfränkischen Herzogenaurach war der Schock groß: Brieflich hatte ihnen die GBW-Gruppe vor wenigen Wochen mitgeteilt, dass ihre Mieten ab Juli um knapp 20 Prozent steigen sollen. Pikant: Gerade erst wurden die bislang zur bayerischen Landesbank gehörenden 32 000 GBW-Wohnungen im Freistaat an einen privaten Immobilienkonzern verkauft. Mit der Übernahme durch die Patrizia AG habe die Mietsteigerung jedoch nichts zu tun, versichert eine GBW-Sprecherin.
Gut möglich. Denn glaubt man Mieterschützern, erhöhen derzeit viele bayerische Wohnungsfirmen und Privateigentümer die Mieten so kräftig wie lange nicht mehr. Der Grund ist ausgerechnet ein Gesetz der Bundesregierung, das eigentlich die Mietpreisexplosion in vielen Metropolen stärker begrenzen soll. Im Dezember 2012 hatte Schwarz-Gelb im Bundestag eine Mietrechtsreform beschlossen. Seit Mai dieses Jahres können die Länder in Städten, in denen Wohnungen fehlen, eine Obergrenze für Mieterhöhungen bei bestehenden Verträgen von maximal 15 Prozent innerhalb von drei Jahren festlegen. Zuvor waren bundesweit generell 20 Prozent im gleichen Zeitraum erlaubt.
Die bayerische Staatsregierung hatte bereits frühzeitig angekündigt, in der Landeshauptstadt die neue Mietpreisbremse zum frühestmöglichen Zeitpunkt einzuführen. Seit Mitte Mai gilt in München nun eine neue Kappungsgrenze von 15 Prozent. Mit paradoxen Folgen: „Um dem Gesetzgeber zuvorzukommen, haben zahlreiche Wohnungsbesitzer im Frühjahr die Mieten noch einmal massiv angehoben“, berichtet Anja Franz, Sprecherin des Münchner Mietervereins. Franz zufolge hätten in den vergangenen Monaten sehr viele Eigentümer die Miete gleich auf einen Schlag um das bisherige Maximum von 20 Prozent erhöht, statt wie bislang die Erhöhung auf drei Jahre zu strecken. „Da ist versucht worden, noch schnell mitzunehmen, was geht.“ Vor allem Bewohner beliebter Viertel sind betroffen. So musste eine 73-jährige Schwabingerin gerade erst nach Jahrzehnten ihre Wohnung in der Kaulbachstraße verlassen – der Vermieter hatte die Miete jüngst um 20 Prozent erhöht. Zu viel für die Rentnerin.

Alle bayerischen Städte registrieren zurzeit Steigerungen


Auch anderswo in der Isarmetropole wie im Westend oder in Schwabing-Nord sind derzeit Hunderte Mieter von extremen Mietsteigerungen betroffen. In anderen bayerischen Großstädten hat die Angst mancher Vermieter vor einer niedrigeren Kappungsgrenze ebenfalls zu einer Welle von drastischen Mietsteigerungen geführt. „Die Mieterhöhungen erfolgen seit Monaten immer häufiger und überwiegend unter voller Ausnutzung der Kappungsgrenze“, sagt etwa Thomas Weiland, Vorsitzender des Augsburger Mietervereins. Viele Vermieter fürchteten deren Absenkung in der Fuggerstadt auf 15 Prozent und hätten deshalb jüngst die Mieten noch um das maximal zulässige Fünftel erhöht, berichtet er. Beim Würzburger Mieterverein heißt es ebenfalls, die Zahl der extremen Mieterhöhungen habe wegen der Angst vor der Mietpreisbremse deutlich zugenommen.
Und auch in Regensburg langten manche Vermieter in den vergangenen Wochen noch einmal kräftig zu. In der Donaustadt sorgte es vor allem für Ärger, dass sogar eine städtische Wohnungsgesellschaft die Mieten eines Wohnhauses jüngst um knapp 20 Prozent erhöht hatte. Wohl gerade noch rechtzeitig. Denn Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) hat bereits angekündigt, die gesenkte Kappungsgrenze solle „künftig in allen bayerischen Gemeinden mit Wohnungsmangel gelten“.
Beim Verband Haus & Grund Deutschland, der die Interessen von Haus- und Wohnungseigentümern vertritt, führt man derweil keine Statistik darüber, ob und in welchem Ausmaß die Mitglieder ihre Mieten anheben. Wenn derzeit manche Wohnungsbesitzer in Großstädten tatsächlich die Mieten gleich um 20 Prozent erhöhten, sei dies jedoch wenig verwunderlich, sagt ein Sprecher. Dies zeige nur ganz klar, „dass viele private Vermieter in der Vergangenheit oft nicht die Preise ausgeschöpft haben, die sie gemäß dem Mietspiegel hätten verlangen dürfen“. Hans-Ulrich Pfaffmann, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, sieht in der Mieterhöhungswelle, die über den Freistaat schwappt, „ein eindeutiges Indiz dafür, dass es vor allem den großen Vermieter nur um die Gewinnmaximierung geht“. Er fordert die Bundesregierung auf, die Mieter besser zu schützen. So sollten die Eigentümer künftig die Mieten in einem Zeitraum von vier Jahren um nicht mehr als 15 Prozent erhöhen dürfen. Auch Christine Kamm, Wohnungspolitik-Expertin der Grünen im Landtag, sieht „den Gesetzgeber in der Pflicht“. Die rot-grüne Regierung von Nordrhein-Westfalen brachte jüngst einen Gesetzentwurf zur Eindämmung der rasant steigenden Mieten in den Bundesrat ein. Die Vorlage sieht unter anderem vor, dass die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen bundesweit von 20 auf 15 Prozent gesenkt und der Erhöhungszeitraum von drei auf vier Jahre verlängert wird. Bei Neu-Vermietungen soll die Miete außerdem nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen. Kritik kommt von den Liberalen. „Eine generelle Deckelung der Neumieten würde die Bautätigkeit massiv abwürgen“, sagt Thomas Hacker, Chef der bayerischen FDP-Landtagsfraktion. Er fordert stattdessen attraktive steuerliche Abschreibungssätze für den Wohnungsbau.  (Tobias Lill)

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