Politik

Durch geschicktes Vorgehen möglichst viel Miete kassieren – beim Brettspiel Monopoly ist’s nur Spaß, bei manchen Vermietern bitterer Ernst. (Foto: DPA)

08.11.2013

Mietpreisbremse ohne Wirkung

Immobilienbesitzer im Freistaat versuchen mit Tricks, die neue Mietpreisbremse zu umgehen – in den schwarz-roten Koalitionsgesprächen wird jetzt nach Lösungen gesucht

Um Mieten trotz der Mietpreisbremse kräftig erhöhen zu können, versuchen immer mehr Hausbesitzer, durch befristete Pachtverträge die Regelung zu umgehen. Dabei sind Zeitmietkontrakte bereits seit 2001 bis auf wenige Ausnahmen verboten und insbesondere bei größeren Wohnanlagen unwirksam. Abhilfe würde eine Deckelung der Wiedervermietungsmieten schaffen, wie sie aktuell in den Koalitionsgesprächen im Bund diskutiert wird.

Zuerst freute sich Constanze Müller (Name von der Redaktion geändert) über die im Mai dieses Jahres vom bayerischen Kabinett beschlossene Kappungsgrenze im Mietrecht. Danach dürfen Mieten in München in drei Jahren nur noch um maximal 15 Prozent angehoben werden. Doch Constanze hatte einen Zeitmietvertrag und nicht mit der Geschäftspraxis ihres Vermieters gerechnet: Nach Ablauf des Vertrags wurde sie mit Anrufen und unangemeldeten Besuchen zum Auszug gedrängt. Die offizielle Begründung: Modernisierungsmaßnahmen.

Dabei müssen im Fall von Umbaumanövern diese bei Vertragsunterzeichnung konkret benannt werden, sodass sich der Mieter ein Bild davon machen kann, wann und vor allem warum die Wohnung geräumt werden soll. „Wenn kein Grund vorliegt oder die entsprechende Baugenehmigung nicht vorhanden ist, geht der Vertrag in ein unbefristetes Verhältnis über“, erklärt Rechtsanwältin Anja Franz vom Münchner Mieterverein.

40 Prozent höhere Mieten

Zuerst weigerte sich Constanze daher hartnäckig, auszuziehen. Doch zermürbt vor Sorge um juristische Konsequenzen sowie die anfallenden Baumaßnahmen, entschied sie sich, es ihren Nachbarn gleichzutun und den Mietaufhebungsvertrag zu unterschreiben. „Ich hatte mir überlegt, die Presse und den Mieterverein einzuschalten, aber Umziehen war der weniger stressige Weg“, sagt die junge Frau rückblickend.

Der Grund für die Zunahme von Zeitmietverträgen: Anders als bei den durch die Kappungsgrenze gedeckelten Mietverträgen kann der Vermieter bei Neuverträgen Preise deutlich über der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen. Daher versuchen Hauseigentümer laut einer Studienauswertung des Forschungsinstituts F+B aus Hamburg, die Pacht durch regelmäßige Neuvermietungen um 40 Prozent und mehr zu erhöhen. Die gilt insbesondere für Bayern: Während sich die Nettokaltmieten in Deutschland zwischen 1995 und 2010 um durchschnittlich 19 Prozent erhöhten, stiegen sie im Freistaat sogar um 24 Prozent.

Für Franz liegt dabei nicht nur ein moralischer Verstoß, sondern ebenso einer gegen geltendes Recht vor: „Zeitmietverträge mit fester Laufzeit sind schon seit 2001 unwirksam und besitzen lediglich bei Eigenbedarf Gültigkeit – dieser kann allerdings bei mehreren Wohnstätten nicht angemeldet werden.“ Trotzdem wirbt zum Beispiel das Familienunternehmen Haus von Beck mit mehreren hundert Wohnungen öffentlich an vielen prominenten Gebäudefassaden in der bayerischen Landeshauptstadt mit der Verpachtung auf höchstens fünf Jahre. „Das sind Pioniere im Mieter entmieten und teurer vermieten“, ergänzt Franz.

Hiermit konfrontiert, wiegelt Haus von Beck ab. Der Inhaber Rainer Beck wirft den Medien eine „reißerische“ Berichterstattung vor und ist nicht zu einer Stellungnahme bereit. „Wir wollen uns dafür nicht instrumentalisieren lassen“, richtet sein Vertretungsberechtigter Michael Kramer der Staatszeitung aus. Sogar ehemalige Mitarbeiter möchten nicht über die Geschäftspraktiken ihres früheren Arbeitgebers sprechen.

Anbieter von „Wohnen auf Zeit“ sind auskunftsfreudiger. Sie argumentieren, es handele sich bei den befristeten Mietkontrakten in Wirklichkeit um zeitlich unbeschränkte. „Die Wohndauer wird nur unverbindlich im Rahmen von Treu und Glauben im Vertrag festgelegt“, beteuert Norbert Verbücheln von Mr. Lodge.

„Solche Anbieter nutzen das Unwissen der Bürger aus“, kritisiert Franz. Normalbürger seien wahnsinnig ängstlich, sobald es um die Wohnung gehe, und lediglich zehn Prozent würden sich in Problemfällen überhaupt an Mieterschutzvereine wenden. Aufgrund der undurchsichtigen Gesetzeslage in diesem Branchensegment, sucht die HomeCompany inzwischen freiwillig das Gespräch mit der Politik: „Wir selbst wünschen uns klare Regeln für die Zukunft“, versichert Sprecher Holger Bockholt.

Beatrix Zurek sieht die Krux im Zivilrecht liegen: „Rechtlich ist das Vorgehen nicht zulässig, allerdings kann man einen Vertrag im Graubereich nicht sanktionieren“, so die Vorsitzende des bayerischen Mieterbunds und stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Münchner Stadtrat. Betroffene sollten sich daher auf einen gerichtlichen Streit einlassen, um die Unwirksamkeit der Kontrakte aufzuzeigen. „Wenn Haus von Beck mit jedem Bewohner Stress hat, wird er sich sein Vorgehen in Zukunft überlegen“, glaubt sie.

Doch selbst wenn dieses Schlupfloch geschlossen würde: „Durch die Kündigungsausschlussklausel versuchen manche Besitzer, Zeitmietverträge über Umwege einzuführen“, warnt Mieterschutzbund-Geschäftsführer Claus O. Deese. Dabei verpflichten sich Mieter und Vermieter wechselseitig auf ein zeitlich befristetes Kündigungsverbot. Eine mögliche Lösung vonseiten der Politik wäre eine Begrenzung der Wiedervermietungsmieten, auf die nicht nur der Deutsche Mieterbund seit geraumer Zeit pocht. „Dann begehen Vermieter, die zum Beispiel zehn Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete fordern, eine Ordnungswidrigkeit“, veranschaulicht Geschäftsführer Ulrich Ropertz. Nachdem eine solche Regelung in Bayern im Sommer mit den Stimmen von CSU und FDP abgelehnt wurde, hofft Ropertz jetzt auf den Bund.

Bei den Koalitionsgesprächen einigten sich CSU, CDU und SPD überraschend auf ein „Paket für bezahlbares Bauen und Wohnen“. Wenn dieses in einer großen Koalition verabschiedet würde, dürften Bundesländer Regionen mit hohen Mietpreisen benennen, in denen die Pacht nach einem Mieterwechsel um höchstens zehn Prozent erhöht werden dürfte. Ein Hintertürchen haben die Koalitionäre den Immobilienbesitzern jedoch beim aktuellen Stand des Pakets immer noch offen gelassen: Die Mietpreisbremse für Wiedervermietungen gilt nicht für Neubauten. (David Lohmann)

Kommentare (1)

  1. Alexander am 11.11.2013
    Bei der Mieterhöhung brauch man keine Tricks!
    Lediglich einen Staffelmietvertrag oder eine 30% Erhöhung zum Abschluss
    des Mietvertrages.
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