Politik

Das Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München hat wieder geöffnet. Dort liegt ein Kondolenzbuch aus. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

25.07.2016

Möglicher Mitwisser traf sich mit Schützen am Tatort

Hätte der Amoklauf von München verhindert werden können? Der Schütze hatte mutmaßlich einen 16-jährigen Mitwisser. Während die Polizei noch rätselt, was er während seiner zweistündigen Bluttat genau gemacht hat, geht das Leben in dem Einkaufszentrum wieder los - anders als gewohnt

Ein mutmaßlicher Mitwisser des Amok-Schützen von München hat sich nach Angaben der Ermittler kurz vor der Tat mit dem 18-Jährigen im Bereich des Tatorts getroffen - und möglicherweise von dessen Waffe gewusst. Der 16-Jährige habe zudem einen Chat mit dem Täter gelöscht, teilte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch mit. Die Polizei habe den Verlauf der Kommunikation über den Dienst WhatsApp aber wiederhergestellt. Drei Tage nach dem Amoklauf mit neun Todesopfern ist das Olympia-Einkaufszentrum wieder geöffnet worden - nach einem Gedenkgottesdienst für die Mitarbeiter.

Der 18-Jährige hatte am Freitagabend neun Menschen und sich selbst umgebracht. Er habe mehrere Opfer mit Kopfschüssen getötet und sich dabei vermutlich an Killerspielen orientiert. "Mein Eindruck war, der hat sich wie in einem Computerspiel bewegt", sagte Kriminaldirektor Hermann Utz. Der Täter habe seine Opfer regelrecht hingerichtet. Die Polizei habe den gut zweistündigen Amoklauf noch nicht lückenlos aufgearbeitet, sagte Gerald Busch vom bayerischen Landeskriminalamt. "Wir sind dabei, diesen Weg ganz genau zu rekonstruieren."

Auch der mutmaßliche Mitwisser war süchtig nach Videospielen

Der mutmaßliche Mitwisser hat den Amokläufer nach Angaben der Ermittler im vergangenen Sommer in einer Psychiatrie kennengelernt, wo beide wegen depressiver Erkrankungen behandelt wurden. Dort habe der 16-Jährige erfahren, dass der Täter den norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik verehrt habe, sagte Steinkraus-Koch. Der 18-Jährige habe auch geäußert, "er hätte einen Hass auf Menschen". Die beiden hätten sich über Amokläufe ausgetauscht - aber nach ersten Erkenntnissen nicht mit Therapeuten oder anderen darüber gesprochen. Beide - der 16-Jährige und der Amok-Schütze - waren nach Angaben der Ermittler zudem süchtig nach Computerspielen. "Nach unserer Einschätzung haben sich zwei Einzelgänger getroffen", sagte der leitende Kriminaldirektor Hermann Utz.

Aufgrund des wiederhergestellten Chat-Verlaufs und einer neuen Vernehmung gebe es auch die Vermutung, dass der 16-Jährige "wusste, dass der Amok-Schütze im Besitz einer Glock 17 ist", sagte Steinkraus-Koch. Deshalb - wegen der Anwesenheit am Tatort und einer möglichen Kenntnis von der Waffe - gehen die Ermittler davon aus, "dass er etwas von der Tat gewusst haben könnte". Zum Tatzeitpunkt war der 16-Jährige aber nicht mehr in der Nähe des Einkaufszentrums. Er soll am Freitag von einem Freund von dem Amoklauf erfahren und sich dann gegen 21.30 Uhr bei der Polizei gemeldet haben.

Verdacht auf "Nichtanzeigens einer Straftat"

Der 16-Jährige war am Sonntag um 19.15 Uhr festgenommen worden, ist mittlerweile aber wieder auf freiem Fuß. Der Haftbefehl sei abgelehnt worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München I. Gegen den 16-Jährigen wird wegen des "Nichtanzeigens einer Straftat" ermittelt, weil er möglicherweise von dem geplanten Amoklauf wusste. Die Staatsanwaltschaft hatte den Haftbefehl unter anderem wegen Verdunkelungsgefahr beantragt. Der Ermittlungsrichter sah laut der Behörde aber keinen dringenden Tatverdacht und auch keinen Haftgrund.

Keiner der Verletzten schwebte am Montag mehr in Lebensgefahr. Insgesamt gab es laut Landeskriminalamt 35 Verletzte. Die Bundeswehr hatte nach dem Amoklauf - vorsorglich - rund 100 Militärpolizisten und Sanitäter in Bereitschaft versetzt. Die Stadt legte ein Kondolenzbuch für die Opfer im Rathaus aus. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) will beim Oktoberfest die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen. "Vielleicht sollte man sogar über ein Verbot von Rucksäcken nachdenken", sagte er dem Bayerischen Rundfunk (Bayern 2). Die bayerische SPD forderte Schulpsychologen und Sozialarbeiter an jeder Schule im Freistaat.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) strebt eine breite gesellschaftliche Debatte über gewaltintensive Computerspiele an, sieht jedoch keine Verbotsoption. "Es dürfte nicht gesichert sein, dass das vollkommen unproblematisch ist", sagte sein Sprecher in Berlin über die psychischen Auswirkungen von "Ballerspielen" angesichts unterschiedlicher Studien. (dpa)

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