Politik

Das umstrittene Kernkraftwerk Isar 1 (Hintergrund Bildmitte) in der Nähe von Landshut. (Foto: dapd)

18.03.2011

Nach der Katastrophe ist vor den Wahlen

Wegen des drohenden Super-Gaus in Japan ringt Bayern um die Kehrtwende in der Energiepolitik

Markus Söder war nie ein Politiker, der gerne auf Warnungen hörte. Es könnte Tote geben, ganze Landstriche würden verstrahlt, so alarmierten die Grünen schon vor einem Jahr mit einer Studie die Öffentlichkeit. Das Atomkraftwerk Isar 1 bei Landshut sei ein „Sicherheitsrisiko“. Die Rohre hätten Risse, die Notsysteme seien nicht ausreichend, die Wände so dünn, dass bei einem Flugzeugabsturz eine Kernschmelze nicht zu verhindern wäre.
Doch Bayerns Umweltminister Söder wies die Bedenken stets zurück und machte sich für eine längere Laufzeit des Altreaktors stark, gegen die Warnungen der Opposition, gegen den Protest der Regierung im benachbarten Oberösterreich und gegen den Widerstand der CSU-Parteifreunde im Landshuter Stadtrat. Bis zu diesem Montag.
In einem Interview an diesem Tag sagte Söder auf die Frage, ob Isar 1 sicher sei, noch selbstbewusst „ja“. Am Abend verkündete er dann in einer Telefonkonferenz mit dem CSU-Präsidium, dass er Isar 1 abschalten wolle. Eine rasante Kehrtwende, wie sie die bayerische Politik selten erlebt hat.
Die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima, nach dem verheerenden Tsunami, hat Union und FDP zur sofortigen Wende in ihrer Energiepolitik veranlasst. Während in Japan noch lange nicht klar ist, wie schwer die Auswirkungen des Unglücks in den Atomreaktoren von Fukushima wirklich sein werden, hat die Bundesregierung bereits am Dienstag ein Moratorium bei der eigentlich längst verabschiedeten Verlängerung der Atomlaufzeiten in Deutschland beschlossen – rechtzeitig vor der in einer Woche anstehenden Landtagswahl im unionsregierten Atomstandort Baden-Württemberg. Die sieben ältesten deutschen Reaktoren werden für drei Monate abgeschaltet, darunter auch Isar 1.
Dort hat der Betreiber Eon bereits mit dem Herunterfahren des Kraftwerks begonnen. Das AKW vom Netz nehmen will der Konzern aber erst nach einer expliziten Weisung der Bundesregierung. Söder teilte mit, er wolle Isar 1 auf Dauer abgeschaltet lassen – aus Sicherheitsgründen. Er verwies aber auch darauf, dass Bayern eine endgültige Stilllegung selbst rechtlich nicht durchsetzen könne.
Die Staatsregierung hat bei ihrer Kabinettssitzung am Mittwoch darauf verzichtet, sich für die dauerhafte Stilllegung des umstrittenen Meilers auszusprechen. Eon versicherte im Anschluss, man gehe nicht davon aus, dass Isar 1 für immer abgestellt werde.
Die Opposition mag sich über den neuen Anti-Atom-Kurs Söders kaum freuen. Sie ist irritiert vom plötzlichen Umschwenken. „Dass es für ein Umdenken bei diesem Thema ein so tragisches Ereignis braucht, ist traurig“, meint der Energieexperte der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann. Er traut Söders Bekenntnis zur Abschaltung von Isar 1 bislang nicht. „Der Minister müsste nun unbedingt dem Kraftwerk die Betriebsgenehmigung entziehen. Diesen Schritt hat Söder bislang nicht gemacht“, so Hartmann. Söder fürchte sich wahrscheinlich vor Schadensersatzansprüchen durch den Betreiber Eon, vermutet der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ludwig Wörner. Söders Versprechen sei nicht mehr als „eine Märchenstunde aus Angst vor den Wählern“, meint Wörner. Um glaubwürdig zu bleiben, müsse sich Söder nun für sein langes Festhalten an Isar 1 entschuldigen. Für Hubert Aiwanger, den Fraktionschef der Freien Wähler ist es mit einer Entschuldigung nicht getan. Er fordert: Söder muss zurücktreten.
„Isar 1 ist der einzige bayerische Reaktor, der gegen den Absturz eines großen Verkehrsflugzeuges nicht ausreichend gesichert ist“, begründet Söder nun das geplante Ende des AKWs. Doch schon im vergangenen Juli hatte der TÜV in einem Prüfbericht für Söders Ministerium festgestellt, Isar 1 sei nur „gegen den zufälligen Absturz einer Militärmaschine“ ausgelegt. Der Kommentar des Umweltministeriums damals: „Isar 1 erfüllt alle gesetzlichen Sicherheitsanforderungen.“
Dass CSU-Minister Söder die Sicherheit im Kraftwerk nun anders bewertet, bringt ihm zumindest Beifall vom Koalitionspartner. Die Abschaltung sei „eine Bestätigung der Umweltpolitik der FDP-Landtagsfraktion“, meint FDP-Energiepolitiker Tobias Thalhammer. Isar 1 sei für die Stromsversorgung Bayerns nicht notwendig, so Thalhammer, die anderen vier bayerischen Atomkraftwerke dagegen schon. Atomkraft erfülle weiter die „Aufgabe der Brückentechnologie“, sagt der FDP-Abgeordnete. SPD und Grünen geht die Abschaltung eines Kraftwerks dagegen noch lange nicht weit genug. Sie wollen den kompletten Ausstieg aus der Atomkraft (Seite 2 und 13).
(Bernhard Hübner)

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