Politik

GBW-Wohnungen in München. Insgesamt sind vom Verkauf 80 000 Mieter betroffen. (Foto: dpa)

19.04.2013

Nerviges Gezänk um den Mega-Deal

Eigentlich wollten alle Beteiligten eine Schlammschlacht um den Verkauf der GBW-Wohnungen vermeiden - leider erfolglos

Für Christian Ude muss sich diese Entscheidung wie ein Geschenk des Himmels angefühlt haben. Die Landesbank verkauft ihre Anteile an der Wohnungsgesellschaft GBW an ein privates Konsortium unter Führung der Augsburger Immobilien-Holding Patrizia und nicht an eine Bietergemeinschaft bayerischer Kommunen, deren größter Partner die Landeshauptstadt München war. Diese, so sagte es Ude, hätte einzig das Soziale, das Wohl der bayernweit gut 80 000 Mieter im Auge gehabt, während für den Wohnungskonzern aus Schwaben vor allem der wirtschaftliche Aspekt des Deals der entscheidende gewesen sei. Schließlich dürfe der, trotz angeblicher „Sozialcharta XXL“, Mieten erhöhen und nach einer Schamfrist Wohnungen aus dem GBW-Bestand veräußern.
Der GBW-Verkauf an die Partizia ermöglicht es dem SPD-Spitzenkandidaten zum Ärger von Schwarz-Gelb, in seiner Paraderolle als Rächer entrechteter Mieter durchs Land zu ziehen. Was er mit Verve tut. Keine drei Tage nach der Vergabe an die Patrizia hatte Ude schon die maximale Eskalationsstufe erreicht, indem er als Münchner Oberbürgermeister bei den EU-Wettbewerbshütern Beschwerde eingereicht hatte. Den Ansatzpunkt dafür hatte ihm Finanzminister Markus Söder (CSU) geliefert. Völlig überraschend verkündete der am Tag nach dem Zuschlag an die Patrizia, dass sich der Freistaat nun doch an deren Konsortium beteiligen werde, in Form seiner Landesstiftung. 50 Millionen Euro soll die nun plötzlich – nach Udes Einschätzung wettbewerbswidrig – beisteuern. Söder überrumpelte damit sogar den ahnungslosen Stiftungsvorstand.
Die Volte kam auch insofern überraschend, als Söder bislang immer behauptet hatte, eine Beteiligung des Freistaats am Kauf der GBW-Anteile berge die Gefahr eines neuen EU-Beihilfeverfahrens. Genau daran erinnerte sich bei einem Gespräch mit EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia dann auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und verwarf die Idee mit der Landesstiftung sofort wieder. Die Schuld daran aber schob er dem grantelnden Ude zu: „Wenn es von der Opposition nicht gewollt ist, dann können wir es auch sein lassen.“ Sein lassen wird Ude nun wohl auch seine EU-Beschwerde. Nachdem die Landesstiftung aus dem Spiel ist, fehlt dafür die Grundlage.
Ruhe an der GBW-Front herrscht damit aber noch lange nicht. Die schwarz-gelbe Koalition müht sich redlich, Udes GBW-Kurs als plumpes Wahlkampfmanöver darzustellen. Ude habe das Scheitern des kommunalen Konsortiums geradezu provoziert, indem er ein zu keiner Zeit konkurrenzfähiges „Scheinangebot“ abgegeben habe, empörte sich Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle. Ude habe aus „rein parteipolitischem Kalkül“ sein Regierungsbündnis im Münchner Stadtrat einen Antrag der dortigen CSU-Fraktion ablehnen lassen, das kommunale Angebot soweit zu erhöhen, dass es auch eine Chance gegen das der Patrizia gehabt hätte. 150 Millionen Euro hätte die Stadt München nach den Vorstellungen der CSU drauflegen sollen, was Rot-Grün im Stadtrat aber ablehnte. Im Gegenteil: Das kommunale Konsortium verringerte im Laufe des Verfahrens sein Angebot sogar.

Ude und Söder schenken sich nichts


Zu Recht, sagte Ude. Auslöser sei der Blick in die GBW-Bücher gewesen. Leider dürfe er keine Einzelheiten nennen, weil er von der Landesbank zur strikten Verschwiegenheit verdonnert worden sei. Aber wenn er aus dem Nähkästchen plaudern dürfte, „dann würde es peinlich für die Staatsregierung werden“, fabulierte Ude nebulös. Hintergrund ist wohl, dass die Patrizia ihre Investition nur refinanzieren kann, wenn sie Wohnungen aus den GBW-Beständen meistbietend verkauft und bei den Mieterhöhungen an die gesetzlich zulässige Obergrenze geht. Genau das aber wollte das kommunale Konsortium nicht – auch nicht die daran beteiligten Rathauschefs der CSU, wie der Erlanger OB Siegfried Balleis.
Trotzdem ließ die Staatsregierung mit ihren Angriffen auf Ude nicht locker. Als herauskam, dass wohl auch das kommunale Konsortium im Falle des Zuschlags Teile der GBW-Bestände an die Bayerische Versorgungskammer (BVK) verkauft hätte, sprach Söder erfreut von „starkem Tobak“. Der „Mieterfreund“ Ude habe die Öffentlichkeit „offenkundig getäuscht“. Glaubt man Ude, folgte die BVK-Idee einer Auflage von CSU-Kommunalminister Joachim Herrmann. Hintergrund: Da das kommunale Konsortium auch GBW-Wohnungen in Städten übernehmen sollte, die nicht mitgeboten hatten, sollten diese an die BVK weiterveräußert werden. Ude hielt das für sinnvoll. „Es wäre ja wirklich nicht zu verstehen, warum beispielsweise München auf Dauer Wohnungen in Unterfranken halten sollte“, erklärte Ude. Was Söder betreibe, seien „schmutzige Methoden und unfassbare Verdrehungen“.
Fast man die Ereignisse der vergangenen Woche zusammen, kommt genau das heraus, was nach den Bekundungen aller Beteiligter eigentlich vermieden werden sollte: Eine Schlammschlacht auf dem Rücken der Mieter. (Jürgen Umlauft)

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