Politik

Kommt die Skischaukel am Riedberger Horn? Für das Liftprojekt vorgesehene Fläche von 80 Hektar wird aus der strengsten Alpen-Schutzzone C herausgenommen. Die Entscheidung aber liegt beim Landratsamt. (Foto: dpa)

29.03.2017

Neue Gewerbegebiete und eine umstrittene Skischaukel

Das neue Landesentwicklungsprogramm von Heimatminister Söder spaltet Bayern: Die CSU und der Landkreistag finden es gut, Opposition, Naturschützer, Fachverbände und Städtetag äußern sich kritisch

Bayerns neue Gewerbegebiete müssen künftig nicht mehr in direkter Nähe von Siedlungen gebaut werden. Das Kabinett lockerte am Dienstag das sogenannte Anbindegebot. Dadurch sollen sich Firmen - etwa Industrie, Handwerk und Logistik - auch abseits von Ortschaften an Autobahnausfahrten, vierspurigen Straßen und Bahnstrecken ansiedeln dürfen. Große Möbelhäuser oder andere große Einzelhandelskomplexe sind weiterhin ausgenommen. Das neue Landesentwicklungsprogramm (LEP) muss vor dem Inkrafttreten noch vom Landtag beschlossen werden.

"Damit geben wir den Kommunen mehr Freiheit und verbessern den Naturschutz", sagte Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU) in München. Der ländliche Raum brauche Möglichkeiten, um sich zu entwickeln, er sei kein Museum. Auch der Zuzug von Menschen nach Bayern mache das Programm notwendig: "Zwei Millionen Menschen mehr werden wahrscheinlich ein kleines bisschen mehr Fläche brauchen."

Der Flächenverbrauch werde dadurch nicht steigen, sagte Söder. Ohnehin sei die Kritik - etwa von Umweltverbänden und Grünen - falsch, dass es in Bayern zu viel versiegelte Fläche gebe. 11,9 Prozent des Landes würden derzeit als Siedlungs- und Verkehrsfläche genutzt, bundesweit liege der Durchschnitt bei 13,7 Prozent. "Bayern ist im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlich besiedelt", betonte Söder.

Weg zur umstrittenen Skischaukel am Reidberger Horn ist frei

Das LEP soll ländliche Regionen stärken und Ballungszentren entzerren. Deshalb sollen 59 Gemeinden zu sogenannten Ober- und Mittelzentren hochgestuft werden - dort sind dann größere Gewerbeansiedlungen erlaubt. Kreise und Gemeinden, die von Bevölkerungsschwund bedroht sind, können zudem mit höheren finanziellen Zuschüssen rechnen: Dem "Raum mit besonderem Handlungsbedarf" werden viele Kommunen zusätzlich zugerechnet.

Mit Blick auf den Bau neuer Stromtrassen legt das LEP erstmals einen Mindestabstand von Höchstspannungsleitungen zu Wohngebäuden oder Schulen fest. Zum Schutz des Wohnumfeldes gilt künftig innerhalb von Ortschaften ein Mindestabstand von 400 Metern, außerhalb von Ortschaften soll ein Mindestabstand von 200 Metern gelten.

Auch der Weg zur umstrittenen Skischaukel am Riedberger Horn im Allgäu ist mit dem neuen LEP frei. Die für das Liftprojekt vorgesehene Fläche von 80 Hektar wird aus der strengsten Alpen-Schutzzone C herausgenommen. Eine Ersatzfläche von 304 Hektar soll stattdessen neu dort aufgenommen werden. Über den Bau der Skischaukel entscheidet nicht die Staatsregierung. Für die endgültige Prüfung und Genehmigung des Vorhabens ist das Landratsamt zuständig.

Opposition: "Schlechter Tag für den Umweltschutz"

Die Gemeinden Balderschwang und Obermaiselstein wollen ihre beiden Skigebiete mit einem neuen Skilift verbinden, um angesichts der Konkurrenz in Österreich attraktiv zu bleiben. Die Bevölkerung dort hat sich in Bürgerbefragungen für den Zusammenschluss ausgesprochen. Heimatminister Markus Söder (CSU) verteidigte den Kabinettsbeschluss. Es sei nur ein sehr kleiner Teil der strengen Schutzzone C betroffen, außerdem würden hochwertigste Flächen strenger geschützt. "Das ist eine deutliche Verbesserung für den Naturschutz", argumentierte er.

Naturschützer und verschiedene Verbände kritisieren das Vorgehen der Staatsregierung als inakzeptablen Taschenspielertrick - sie drohen mit Klagen. Zudem warnen sie davor, dass andere Kommunen dem Allgäuer Beispiel folgen könnten. Dem widersprach Söder: Man ändere das Landesentwicklungsprogramm nicht jedes Jahr. Und es gebe auch keine vergleichbare Situation in anderen Kommunen
Die Opposition im Landtag, Umweltverbände und die kommunalen Spitzenverbände kritisierten die LEP-Neuerungen im Gesamten scharf. Sie sprachen von vertanen Chancen und einem schlechten Tag für den Umweltschutz.

Kommunale Spitzenverbände bei Bewertung gespalten

Gespalten zeigen sich in der Bewertung die kommunalen Spitzenverbände im Freistaat. Lob kam vom Bayerischen Landkreistag: „Mit der heute durch das Bayerische Kabinett beschlossenen Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms werden die Handlungsfähigkeit und Planungshoheit der Kommunen nachhaltig gestärkt", so der Präsident, der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU) und ergänzt: "Die von verschiedenen Seiten geäußerten Sorgen um eine mögliche Zersiedlung der Landschaft teilen wir nicht. Die Prinzipien der Subsidiarität und Regionalität sind für die Zukunftsfähigkeit und Handlungsfähigkeit unserer Kommunen vorrangig“ Der Bayerische Städtetag dagegen ist unzufrieden: "Wir bedauern, dass die Staatsregierung sich nicht ernsthaft mit einer Neujustierung der Einstufungskriterien zur Stärkung und Konsolidierung des Zentrale-Orte-Systems auseinandergesetzt hat.“, so der Vorsitzende, der Nürnberger OB Ulrich Maly (SPD). Auch die Erweiterung des Ausnahmekatalogs des Anbindegebots stößt auf deutliche Kritik: „Die Erweiterung der Ausnahmen vom Anbindegebot auf jegliche Gewerbenutzungen an Autobahnausfahrten entspricht allenfalls Einzelinteressen von wenigen Kommunen, die zufällig an Autobahnen liegen. Jedoch wird der zentrale Ort, der weiter weg von der Autobahnausfahrt gelegen ist, geschwächt. Dies kann eine weitaus größere Zahl umliegender Städte und Gemeinden beeinträchtigen, wenn der Zentrale Ort seine Versorgungs- und Vorhaltefunktion nicht mehr erfüllen kann. Dadurch wird interkommunale Konkurrenz geschärft“, so Ulrich Maly.

Kritik auch von Experten-Fachvereinigungen

Ablehnung kommt auch von diversen Fachverbänden im Freistaat - darunter die Bayerische Akademie ländlicher Raum, die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung, der Bayerische Landesverein für Heimatpflege, der Bund Deutscher Architekten und der Verband beratender Ingenieure. Man lehne " geschlossen und mit großem Nachdruck die geplante LEP-Teilfortschreibung zur Änderung des Alpenplans ab", heißt es in dem gemeinsamen Papier. Man sei sich einig, so die Experten, "dass mit dem LEP-Fortschreibungsentwurf nicht nur eine negative räumliche Entwicklung im bayerischen Alpenraum verbunden ist, sondern dass damit auch eine Fehlentwicklung Gesamtbayerns eingeleitet wird, da hier besonders offensichtlich ein auf Landesebene geschlossener Gesellschaftsvertrag zur Landschaftsentwicklung der Alpen einer Politik partikularer und lokaler ‚Deals’ untergeordnet wird. Das am Riedberger Horn praktizierte Vorgehen, landesplanerische Normen durch kommunale Bürgerentscheide in Frage stellen zu lassen, ist eine nicht akzeptable Aufgabe landes- und regionalplanerischer Verantwortung und damit ein fatales Signal für die gesamträumliche Entwicklung Bayerns." Für die kommunale Ebene und die ländlichen Räume bedeute "die Übertragung von
Entscheidungen überörtlicher Tragweite keinen Entwicklungsimpuls, sind sondern birgt ein erhebliches
Konfliktpotenzial innerhalb und zwischen den Gemeinden und fördert die Durchsetzung von
Partikularinteressen und einen Konkurrenzkampf zu Lasten der Landschaft", so die Unterzeichner. (apl, dpa)

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