Politik

Er zeigte auch in der Politik Herz: Sepp Daxenberger. (Foto: dpa)

20.08.2010

Nie einer von denen sein

Zum Tod von Sepp Daxenberger

Es stimmt ja alles, was sie sagen. Dass er eine überragende Persönlichkeit war. Ein Ausnahmepolitiker. Ein Ausnahmemensch. Das politische Bayern ist sich, quer durch die Parteienlandschaft, einig: Dass der Grünen-Politiker Sepp Daxenberger tot ist, gestorben nur drei Tage nach seiner ebenfalls krebskranken Frau Gertraud, ist unfassbar. Die Worte, in die man das Ganze zu fassen sucht, fast scheint es, als sperrten sie sich vor ihrer Verwendung.
„Eine Tragödie, die sprachlos macht“, formulierte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), dem bisher in nahezu jeder Situation irgendein Kommentar einfiel. Theresa Schopper, die Grünen-Landeschefin: Sie weint, als sie am Mittwoch vor die Presse tritt. Und sagt den vielleicht treffendsten, den persönlichsten Satz über den nur 48 Jahre alt gewordenen Waginger. Sepp Daxenberger, schluchzt Schopper, „hat a Herz g’habt wia a Bergwerk“ – es ist die Adaption einer Liedzeile von Reinhard Fendrich.
Auf Daxenbergers großes Herz haben sie gebaut in der Grünen-Fraktion und in der Partei. Neben dem fürs harte Politbusiness nötigen Scharfsinn und einer beeindruckenden Redekraft verfügte der gelernte Schmied und Ökobauer nämlich auch über soft skills: Er konnte schlichten und vermitteln, zuhören und auf Menschen eingehen, gerecht sein und rücksichtsvoll. Der Ex-Landes- und Fraktionschef konnte die Wogen glätten auch innerhalb der eigenen Truppe.
Der politische Gegner fürchtete ihn, denn Daxenbergers Kritik traf meist mit chirurgischer Präzision dort, wo es am stärksten schmerzte. Gleichwohl genoss der Grüne die Hochachtung selbst hartleibigster CSU-Leute, weil er zwar brachial attackieren konnte, dabei aber nie unter die Gürtellinie des Opponenten rutschte – und weil der Sepp dann draußen vor der Tür nicht grantelte, sondern den Kontrahenten wieder freundlich grüßte.
Und die Journalisten liebten ihn eh, weil Typen wie er in der Politik mittlerweile so selten sind wie absolute Mehrheiten bei Wahlen. Auch in der BSZ-Redaktion flossen Tränen, als die Nachricht von Daxenbergers Tod eintraf. So vieles kam einem da in den Sinn: dass er immer zurückrief, dass er einen nie anlog, nie über die eigenen Parteifreunde lästerte. Dass er nie gejammert und geklagt hat über seine Krankheit, die ihn geplagt hat seit sieben Jahren. Wie er sich gefreut hat, als man ihn mal im Krankenhaus besuchte und wie er gesagt hat: „Ach, was soll ich in Urlaub fahren, ich weiß gar nicht, was ich zwei Wochen an einem Strand soll, ich will einfach hier meine Arbeit machen.“ Wie man zuletzt eine Verabredung nach der anderen verschieben musste, weil es ihm immer schlechter ging; zuletzt kam noch ein Schlaganfall zu seiner seltenen Knochenkrebserkrankung hinzu. „Es ist mir sehr peinlich“, schrieb er Mitte Juli in einer SMS, „ich muss schon wieder absagen. Bin gerade auf dem Weg ins Krankenhaus.“
Landrat wäre er gern geworden in seiner Heimat Traunstein, seine Chancen standen nicht schlecht. Es wäre eine erneute Premiere gewesen, nachdem Daxenberger bereits 1996 zum ersten grünen hauptamtlichen Bürgermeister Bayerns gekürt worden war. Und natürlich hätte er gern einer Staatsregierung mit grüner Beteiligung angehört. Am liebsten ohne die CSU, von der Daxenberger in seiner unnachahmlichen Art juxte, sie regiere in Bayern schon „so lange wie Fidel Castro – und auch der ist jetzt weg“. Als erster bayerischer Grüner dachte Daxenberger aber auch laut über schwarz-grüne Koalitionen nach. Eine Vorstellung, die bei vielen CSU-Leuten den Satz evozierte: „Mit dem Daxenberger könnten wir uns das schon vorstellen.“
Ja, Sepp Daxenberger hatte die Gabe, Herzen zu öffnen. Weil er sich den Luxus leistete, auch in der Politik Herz zu zeigen. „Ich wollte nie einer von denen sein“, heißt es bei Reinhard Fendrich, „die sich von fremden Zungen die Weisheit stehlen/dressierte Ohren mit schlecht kopierter Klugheit quälen/ die in den Spiegeln der Vernunft sich selber sehen/und Unzulänglichkeiten niemals eingestehen.“ Dass Sepp Daxenberger so tatsächlich nie war: Wer ihn kannte, hat es gespürt.
(Waltraud Taschner)

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