Politik

Sprung an die Landesspitze: Die Niederbayerin Sigi Hagl folgt auf Theresa Schopper und sagt: „In diese Fußstapfen zu treten, wird nicht leicht.“ (Foto: dpa)

22.11.2013

"Nie wieder eine Veggie-Day-Debatte"

Sigi Hagl, neue Chefin der bayerischen Grünen, über ihre größten Herausforderungen, einen Generationswechsel in der Partei und Fehler der Vergangenheit

„Ich hab vor dieser Aufgabe furchtbar Bammel“, gestand Sigi Hagl kurz vor ihrer Wahl zur Landesvorsitzenden der bayerischen Grünen. Der Erwartungsdruck an die 46-jährige Landshuter Stadträtin ist nach dem mäßigen Abschneiden der Partei bei der Landtagswahl tatsächlich groß. Die Niederbayerin fordert, dass sich ihre Partei nun endlich wieder auf grüne Kernthemen rückbesinnen müsse.
BSZ: Frau Hagl, vom Landshuter Stadtrat an die Spitze der bayerischen Grünen – ist das mutig oder verwegen?
Hagl: (lacht) Ein gewisser Mut gehört bestimmt dazu. Aber ich gehe ja nicht direkt vom Stadtrat in den Landesvorsitz. Ich war schon zwei Jahre im Parteirat der bayerischen Grünen und als Beisitzerin im Landesvorstand. Ich habe mir diesen Schritt gut überlegt, das war nicht nur so ein Bauchgefühl. BSZ: Vor Ihrer Wahl haben Sie zugegeben, ein bisschen Bammel vor der Aufgabe zu haben. Wovor genau?
Hagl: Der Landesvorsitz ist eine schöne Aufgabe, aber auch eine Herausforderung. Es ist gar nicht so leicht, in die Fußstapfen von Theresa Schopper zu treten, die das Amt zehn Jahre lang bekleidet hat. Außerdem sind die Rahmenbedingungen nach den zwei für uns wenig erfreulichen Wahlen nicht einfach und die Erwartungen an eine neue Vorsitzende groß. Da heißt es schnell: Die Neue soll’s richten. Unter solchen Voraussetzungen geht man ein neues Amt mit einem gewissen Respekt an. BSZ: Mit Theresa Schopper ist eine weitere Vertreterin der grünen Gründergeneration abgetreten. Was bedeutet das für die Partei?
Hagl: Dieser Wechsel vollzieht sich ja nicht von heute auf morgen, sondern erfolgt Stück für Stück. Und wir Neuen sind auch schon hineingewachsen in die Partei. Sicher verlieren wir durch diesen Generationswechsel bekannte Köpfe an der Spitze, aber er bietet auch die Chance, mit einer neuen Offenheit aufzutreten. BSZ: Was meinen Sie mit Offenheit? Für neue Themen oder für neue politische Konstellationen?
Hagl: Thematisch ist es meine Überzeugung, dass wir uns auf unsere grünen Kernthemen rückbesinnen müssen. Die thematische Konstanz seit ihrer Gründung zeichnet die Grünen aus. Die Betonung unserer Kernthemen haben wir in den Wahlkämpfen vernachlässigt – und das hat sich in schlechten Ergebnissen ausgedrückt. Mit Blick auf unsere politischen Mitbewerber müssen wir aber offener werden. Entscheidungen darüber müssen in den nächsten dreieinhalb Jahren nicht fallen, aber wir müssen die Partei auf neue Konstellationen vorbereiten. Wir Grüne können uns nicht dauerhaft an die SPD klammern. BSZ: Wenn Sie Ihr Themenspektrum nicht erweitern wollen, bedeutet das nicht im Umkehrschluss, dass man keine neuen Wählerschichten erschließt und auf Dauer eine Acht-Prozent-Partei bleibt?
Hagl: So sehe ich das nicht. Ich möchte eine wachsende Partei haben. In Umfragen waren wir schon über 15 Prozent, da sieht man, welches Potenzial in den Grünen steckt. Unsere Kernthemen wie Ökologie und Nachhaltigkeit sind längst in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Uns ist es nur nicht gelungen, das auch in Wählerstimmen umzumünzen. Die Themen sind die richtigen, wir müssen sie aber kampagnenfähiger machen.

"Eine schwarz-grüne Koalition kann ich mir vorstellen"

BSZ: Haben Sie diese fehlende Kampagnenfähigkeit auch persönlich im Wahlkampf erlebt?
Hagl: Kampagnenfähigkeit heißt für mich, dass die Bürger wissen müssen, was wir wollen und warum wir es wollen. An den Info-Ständen habe ich aber nicht über die Energiewende und die ökologische Landwirtschaft reden können, sondern musste über Steuerkonzepte und den Veggie-Day diskutieren. Wofür die Grünen aber eigentlich stehen, darum ist es nicht gegangen. Das sollte uns in Zukunft nicht mehr passieren. BSZ: Offenheit für andere politische Konstellationen heißt im Klartext: Annäherung an die CSU. Wie realistisch ist Schwarz-Grün in Bayern wirklich?
Hagl: Zurzeit halte ich das für eher unrealistisch. Hätte die CSU nach der Landtagswahl einen Koalitionspartner gebraucht, wäre Schwarz-Grün noch nicht denkbar gewesen. Das dem Wähler zu erklären, nachdem man im Wahlkampf ganz auf Rot-Grün gesetzt hatte, wäre auch schwierig gewesen. Ein Bündnis mit der SPD ist nach wie vor meine Wunschkonstellation, aber die CSU hat sich seit den Zeiten eines Franz Josef Strauß, die ich auch noch erlebt habe, gewandelt. Man muss jetzt sehen, inwieweit sich die CSU gesellschaftspolitisch noch öffnen kann, damit Schwarz-Grün möglich wird. Ich kann mir vorstellen, dass wir in fünf bis zehn Jahren soweit sind. BSZ: Heißt das, dass Sie in die nächsten Wahlen ohne Koalitionsaussage gehen werden?
Hagl: Unsere vorrangige Aufgabe für die nächste Zeit ist es, auf grün pur zu setzen. Koalitionen sind ja auch keine Liebesheiraten, sondern Zweckbündnisse. Letztlich werden die Inhalte entscheiden. Was das für die nächsten Wahlen bedeutet, kann heute noch niemand vorhersagen. Vor den Wahlen werden wir aber auf der Grundlage der entscheidenden Themen sagen, mit wem wir regieren wollen. BSZ: Wollen Sie bei den Grünen organisatorisch oder strukturell etwas ändern?
Hagl: Wir haben vor allem auf dem flachen Land ein Strukturdefizit. Es gibt in Bayern noch zu viele weiße Flecken, wo Ortsverbände der Grünen fehlen. Wir müssen überall Gesicht zeigen, wenn wir die Menschen von grünen Ideen überzeugen wollen. Das ist ein drängendes Problem, das wir bald anpacken werden. BSZ: Ihre erste Bewährungsprobe als Landesvorsitzende sind die Kommunalwahlen im März. Was sind Ihre Ziele?
Hagl: Wir müssen da natürlich in erster Linie örtliche Themen spielen. Landesweit werden wir die Energiewende und den demographischen Wandel als Herausforderungen für die Kommunen als Schwerpunkte setzen. Eine Zielmarke, wie viele Bürgermeister oder kommunale Mandatsträger wir stellen wollen, will ich nicht vorgeben. Wir haben bei der letzten Kommunalwahl viel dazugewonnen, diese starke Position wollen wir weiter ausbauen. BSZ: Ihre Vorgänger hat es früher oder später fast alle in den Landtag, den Bundestag oder ins Europaparlament gezogen. Wie sehen Ihre Pläne aus?
Hagl: Da habe ich derzeit keine Ambitionen. Ich bin leidenschaftliche Kommunalpolitikerin und möchte das auch bleiben.
(Interview: Jürgen Umlauft)

Kommentare (1)

  1. Alexander am 22.11.2013
    Der erhebliche Stimmenverlust wirkt sich aus wie ein Veggie-Day.
    Jetzt haben Sie ihn.
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