Politik

Die Donau zwischen Straubing und Vilshofen: Naturschützer erklären sie zum „Hotspot der Biodiversität“. (Foto: dpa)

14.12.2012

Noch schnell die Wogen glätten

Rechtzeitig vor der Landtagswahl will Ministerpräsident Horst Seehofer das Streitthema Donauausbau vom Tisch haben – bei einer Donaufahrt gibt er den besorgten Landesvater

Horst Seehofer ist gekommen, um zuzuhören. Die wenigen Worte, die er anfangs sagt, wägt er wohl. Niemand soll hier das Gefühl bekommen, dass er sich schon entschieden habe, wie es weitergeht mit der Donau zwischen Straubing und Vilshofen. Kommen die Staustufe und der Stichkanal an der Mühlhamer Schleife, also die Ausbauvariante C280, oder wird der Strom nur naturnah für den Schiffsverkehr ertüchtigt? Variante A hieße das im Fachjargon. „Ich bin ergebnisoffen hierhergefahren“, betont Seehofer. „Weder in meinem Kopf noch sonstwo ist eine Vorentscheidung getroffen“, weist er Berichte und Gerüchte zurück, er präferiere den sanften Ausbau. Auch die, die Seehofer kennen, sagen: „Er schwankt.“

Das Partyschiff als Kongresszentrum

Es ist ein trüber Wintertag in Niederbayern, als die „Kristallkönigin“ in Straubing ihre Fahrt Richtung Vilshofen beginnt. Der für diesen Tag vom Partyschiff zum Kongresszentrum umgerüstete Dampfer wird mit einer hochrangigen Besetzung an Bord die 70 letzten frei fließenden Kilometer der Donau hinabschippern.
Von den Experten des Für und Wider, von den direkt und indirekt Betroffenen will sich Seehofer fit machen lassen für die „Generationenentscheidung“, die das Kabinett im Januar 2013 treffen wird. Grundlage ist das neue, 33 Millionen Euro teure unabhängige Gutachten zum Donau-Ausbau, das beide Varianten verglichen hat. Sein Ergebnis macht es Seehofer nicht leichter. Beide Varianten lassen einen verbesserten Hochwasserschutz zu, beide Varianten bringen wirtschaftliche Vorteile und sind ökologisch vertretbar. C280 hat dabei den größeren Nutzen für die Schifffahrt, A ist verträglicher für Landschaft und Umwelt.
Im Zehn-Minuten-Takt treten die Wirtschafts-, Verkehrs-, Wasserbau- und Umweltexperten vor Seehofer und seine Minister Martin Zeil (Wirtschaft und Verkehr), Marcel Huber (Umwelt) und Helmut Brunner (Agrar), um mit einem Wust an Daten, Graphiken und Schaubildern die Varianten in ihre Einzelteile zu zerlegen. Peinlichst vermeiden sie jede Parteinahme. Das ändert sich erst mit Bertram Brossardt. Der wortgewaltige Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft macht sich ohne Umschweife zum Sprachrohr der Staustufenbefürworter. „Infrastrukturinvestitionen von heute schaffen den Wohlstand von morgen“, ruft er. Die exportorientierte bayerische Wirtschaft sei auf leistungsfähige Verkehrswege angewiesen, nur die Variante C280 schaffe diese. Mit ihr müssten pro Wochentag 1000 Lkw weniger fahren. Neue Unternehmen würden sich in Niederbayern ansiedeln und Arbeitsplätze schaffen. „C280 ist das wirklich bessere Donaukonzept“, erklärt Brossardt und setzt im Eifer noch eins drauf: „Die Donau ist schön, und sie wird mit C280 noch schöner!“
Seehofer ist mitgerissen von der Leidenschaft des Wirtschaftsfunktionärs, er klatscht laut und anhaltend. Doch als nächster ist Hubert Weiger dran, der Mahner. Der Chef des Bund Naturschutz in Bayern weiß die Umwelt- und Landschaftsschützer hinter sich – und vor allem die Mehrheit der Donau-Anwohner. Ein „mitteleuropäisches Kleinod“ sei die niederbayerische Donau, ein „Hotspot der Biodiversität“. Nirgends sonst in Bayern gebe es eine derart große Artenvielfalt, die unwiederbringlich verloren ginge, würde der Fluss zum Kanal umgebaut. Die von der Wirtschaft beklagten schwankenden Wasserstände der Donau seien für das Biotop überlebensnotwendig. Brossardts Verkehrsprognosen nennt er „Wunschdenken“. Die 1000 eingesparten Lkw werde es nicht geben, weil auf Schiffen transportierte Massengüter ohnehin nicht mit dem Lkw gefahren würden. Und noch eines: Die kanalisierten Abschnitte der Donau müssten im Winter oft wegen Eisgang gesperrt werden, „die frei fließende Donau war in den letzten 50 Jahren nicht einmal zugefroren“.
Inzwischen hat die „Kristallkönigin“ Deggendorf erreicht. Hier steht die erste von zwei Bürgerbegegnungen an. Am Landungssteg erwarten den Regierungschef aber nur Ausbaugegner. Befürworter des Staustufenbaus sucht man vergebens. Den Passauer Grünen-Abgeordenten Eike Hallitzky wundert das nicht. „Die zehn Staustufenbewürworter, die es hier gibt, sind ja schon auf dem Schiff“, spottet er.

„Deckel drauf, sonst dauert’s ewig!“

Bei der zweiten Station in Niederalteich das gleiche Bild. Seehofer registriert das sehr wohl. „Das hier sind keine Berufsdemonstranten , das ist ein Querschnitt der Bevölkerung“, ordnet er die auffälligen, aber friedlichen Proteste ein. Dass angeblich ganz Niederbayern auf nichts sehnlicher wartet als auf den Durchstich an der Mühlhamer Schleife, wie das CSU-Abgeordnete in München, Berlin und Brüssel stets suggerieren – davon ist nichts zu merken.
Worauf die Niederbayern wirklich warten, ist ein verlässlicher Hochwasserschutz. Das ist den Bürgermeistern und Landräten fast noch wichtiger als der Erhalt ihrer Donau. Sie sind es leid, „immer wieder abzusaufen“, wie es der Straubinger Landrat Alfred Reisinger (CSU) drastisch schildert, nur weil die große Politik sich auf keine Ausbauvariante einigen könne. Für Umweltminister Marcel Huber (CSU), der sich schon klar für die Variante A positioniert hat, ein weiteres Argument für den Ausbau ohne Staustufe. Wenn man sogar den sonst bei Großprojekten klagefreudigen Bund Naturschutz auf seiner Seite habe, sollte man die Chance für eine rasche Umsetzung und Ausbau und begleitenden Hochwasserschutz beim Schopf packen, sagt er am Rande im Gespräch mit Kommunalpolitikern. „Deckel drauf, sonst dauert’s ewig“, meint Huber.
Nach sechs Stunden auf und an der Donau zieht Seehofer Bilanz. Bis Januar werde er nun die berechtigten wirtschaftlichen und ökologischen Interessen sorgsam gegeneinander abwägen und im Kabinett diskutieren. Offiziell lässt er sich keine Tendenz entlocken. Zwischen den Zeilen aber kann man durchaus heraushören, dass C280 wohl eher nicht Variante seiner Wahl ist. „Die Landschaft und die Natur sind unser größtes Juwel in Bayern“, sagt er zum Beispiel. „Eine Zerstörung unserer wunderschönen Natur wird es nicht geben.“ Er wolle eine „auch vor dem Schöpfer zu verantwortende Entscheidung treffen“.
Bei den Staustufenbefürwortern sorgen diese Worte für Ernüchterung, bei den Gegnern herrscht stille Zufriedenheit. Zumal auch FDP-Minister Zeil noch einmal betont, er präferiere den Ausbau ohne Staustufen. Die Formel ist ganz einfach: Wer A sagt, kann nicht C bauen. (Jürgen Umlauft) Info: Donausbau – was er kostet, was er bringtDie Varianten: Die Variante A lässt den natürlichen Flusslauf nahezu unverändert, sorgt aber durch die Anlage von Buhnen und Uferschüttungen für einen etwas erhöhten Wasserstand. An 200 Tagen im Jahr soll damit eine Abladetiefe von 2,50 Meter erreicht werden. Die Variante C280 setzt auf den Bau einer Staustufe mit Schleuse und eines Stichkanals. Damit wäre die Abladetiefe von 2,50 Metern an 300 Tagen im Jahr gewährleistet. Zur ökologischen Absicherung der Auwälder müssten aber kilometerlange Spundwände eingezogen werden, am Stauwehr würde eine gewaltige Fischtreppe benötigt.Die Kosten: Variante A soll 160 Millionen Euro kosten, Variante C280 rund 320 Millionen. Mit rund 300 Millionen Euro bei beiden Varianten gleich wären die zusätzlichen Kosten für den ohnehin benötigten Hochwasserschutz in der Region.Der Nutzen: Mit der Variante A könnten künftig pro Jahr rund 11 Millionen Tonnen Güter auf der Donau transportiert werden, mit Variante C280 bis zu 12,8 Millionen Tonnen.Mit einem Kosten-Nutzen-Verhältnis von 6,6 (A) bzw. 7,7 (C280) sind beide Varianten „volkswirtschaftlich sinnvoll“. (jum)

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