Politik

Das mögen CSU-Männer: Frauen, die Dirndl tragen, Fähnchen schwenken – und keine Konkurrenz sind. (Foto: dapd)

18.01.2013

Partei der Platzhirsche

Wie die CSU versucht, Frauen für die Politik zu gewinnen – auf Landes- und kommunaler Ebene

Gemessen am Ankündigungsfuror müsste die CSU inzwischen die frauenfreundlichste Partei der Republik sein. Tatsächlich werden nach der Landtagswahl wohl noch weniger christsoziale Frauen im Landtag sitzen als bisher. Statt die 2010 eingeführte Frauenquote light zu verschärfen, setzt man auf Fortbildungen und Mentoring-Programme. Ute Eiling-Hütig hat es geschafft. Die 45-jährige Historikerin aus Starnberg setzte sich bei der Delegiertenversammlung gegen sechs Mitbewerber durch. Und kann so bei der Landtagswahl im September als Direktkandidatin antreten – in der Nachfolge von Ursula Männle.
Beim Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten in der Münchner Residenz präsentierte Starnbergs Landrat Karl Roth (CSU) stolz die eloquente Kandidatin. Dabei hatte Roth alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass sein Wunschkandidat – ein männlicher Parteifreund – das Rennen um die Männle-Nachfolge machte. Noch am Vortag der Wahl soll er brieflich ganz ungeniert für seinen Spezi geworben haben.
So läuft es seit Jahrzehnten bei der CSU: Theoretisch finden alle das Thema Frauenförderung ganz wichtig. Praktisch aber fördern Männer fast immer Männer.
Edmund Stoiber zum Beispiel: Der Ex-Ministerpräsident tönte bei jeder Gelegenheit, wie hochbedeutsam das weibliche Element in der Politik sei. Tatsächlich aber hatte er kein Problem damit, den Anteil weiblicher Regierungsmitglieder in seinen Kabinetten 15 Jahre lang konstant bei vier zu halten. Der amtierende Regierungschef Horst Seehofer wiederum hat zwar eine Reihe von Spitzenpositionen in der Verwaltung mit Frauen besetzt. Eine Frauenquote jedoch beschloss der Parteitag nur in einer abgespeckten Version: Die 40-Prozent-Quote gilt nur für Parteivorstände. Nicht aber für Delegiertenversammlungen, die über die Besetzung der aussichtsreichen Direktmandate entscheiden.

Nur 19 der 92 CSU-Landtagsabgeordneten sind weiblich


Was ein wesentlicher Grund dafür ist, dass dem neuen Landtag im Herbst voraussichtlich weniger CSU-Frauen angehören werden als bisher. „Wenn es gut läuft“, sagt die langjährige CSU-Abgeordnete Ursula Männle, „können wir den Stand halten.“
Derzeit sind 19 der 92 CSU-Abgeordneten Frauen. Damit weist die CSU den niedrigsten Frauenanteil aller Fraktionen im Landtag auf. Sieben CSU-Frauen scheiden aus, und nicht für alle folgen (Direkt-)Kandidatinnen nach. Die Direktmandate sind bei der CSU entscheidend, bei der letzten Landtagswahl zogen lediglich zwei Kandidaten über die Liste ins Maximilianeum ein. Mit Blick auf die schwarze Frauen-Power im Maximilianeum, sagt Landtagspräsidentin Barbara Stamm, komme es auch diesmal „ganz entscheidend auf das Ergebnis und die Listenplätze an“. Sicher ist schon jetzt, dass die Nachfolgekandidaten für die direkt gewählten CSU-Frauen Christa Stewens und Renate Dodell männlich sind.
Während die Landtagswahl für die CSU frauenmäßig zur Blamage geraten dürfte, setzt die Vorsitzende der CSU-Frauenunion, Angelika Niebler, weiterhin auf das von ihr erfundene Mentoring-Programm. Dass Politikerinnen in spe das dortige Angebot hilft, ist unbestritten. Dass selbst hochqualifizierte CSU-Frauen oft auf der Strecke bleiben, weil männliche Platzhirsche zusammenhalten, auch.
Wie das Mentoring-Programm funktioniert: Die interessierten Frauen können ihre Rhetorik und ihr Auftreten schulen, sie lernen Parteipromis kennen und bekommen durch ihre jeweilige Mentorin Einblick in die praktische Politik.
Organisiert wird das Programm übrigens von Ute Eiling-Hütig, Ursula Männles Nachfolgerin in spe. Eiling-Hütig war einst selbst Mentee: bei Ursula Mayer, Bürgermeisterin von Höhenkirchen-Siegertsbrunn. „Mir hat das viel gebracht“, erzählt Eiling-Hütig: „Früher war ich eher schüchtern, heute rede ich freier, und ich trete anders auf.“ Und sie sagt eher, was sie will. Zum Beispiel, dass sie sich im Landtag einen Sitz im mächtigen Haushaltsausschuss wünscht – bisher kein Gremium, in dem sich scharenweise CSU-Frauen tummeln. Was Eiling-Hütig auch gelernt hat: dass Männer freiwillig keine Macht abgeben. Weshalb sie sich eine Frauenquote auch für Delegiertenversammlungen wünscht – wie Ursula Männle oder Christa Stewens. Die geltende Vorstandsquote, sagt Stewens, sei „halbherzig“.

"Frauen-Sperrbezirke" im ländlichen Raum


Mit Frauen-Coachings will die CSU auch mit Blick auf die Kommunalwahl 2014 punkten. Denn in Bayerns Rathäusern und Landratsämtern sind CSU-Frauen eine noch seltenere Spezies als im Landtag: Nur zwei der bayerischen CSU-Oberbürgermeister sind weiblich, eine CSU-Landrätin gibt es nicht.
Im Landkreis Lindau findet Anfang März ein „Politik-Seminar für Frauen“ statt, das CSU-Kreisrätinnen gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises veranstalten. Eine der mitwirkenden CSU-Frauen ist Doris Scheuerl, stellvertretende Landrätin: „Ich habe immer gedacht, es muss sich doch endlich einmal etwas ändern. Eigentlich wollte ich selbst schon längst aufhören.“ Stattdessen kümmert sie sich um die Rekrutierung weiblichen Polit-Nachwuchses. Referentin des Seminars ist Ursula Kraemer aus Friedrichshafen, Chefin einer Coaching-Firma. „Frauen haben oft das Gefühl, erst einmal einen Kurs machen zu müssen, während Männer meist sofort sagen: Klar, das mach ich“, sagt Kraemer.
Dass gerade die CSU den geringsten Anteil an Politikerinnen hat, wundert die Expertin nicht. „Natürlich spiegelt das auch wider, welches Weltbild eine Partei hat. Und welche Rolle man einer Frau zugesteht.“ „Dem kann ich nur beipflichten“, sagt die Rosenheimer CSU-OB Gabriele Bauer. Sie beklagt, dass die CSU besonders in ländlichen Gegenden Probleme mit Politikerinnen hat: „Es gibt schon noch Frauen-Sperrbezirke.“ Nicht weit von Rosenheim wollte vor einiger Zeit eine Frau als Bürgermeisterin kandidieren, erzählt Bauer. Originalton der männlichen CSU-Kollegen: „An Bürgermoaster, der sich zum Biseln hihockt, brauch’ ma ned!“ (Waltraud Taschner, Angelika Kahl)

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