Politik

Wurde erst nach Androhung von Beugehaft gesprächig: Siegfried Naser. (Foto: dapd)

01.10.2010

Peinliche Promi-Possen

Der Landesbank-Untersuchungsausschuss besitzt gewissen Unterhaltungswert, die Aufklärung indes lässt auf sich warten

Siegfried Naser nahm den Canossa-Gang nicht selbst auf sich, er schickte einen Boten. Der überbrachte dem Landesbank-Untersuchungsausschuss einen Brief des früheren Sparkassen-Präsidenten, der einer vollständigen Kapitulation sehr nahe kam. „Wenn der Ausschuss ... meine Zeugeneinvernahme anordnen kann (beliebige Uhrzeit), komme ich und sage aus.“
Es war dies die vorerst letzte Volte in einer Posse, die Naser vergangene Woche mit einem Gefeilsche um Anfangszeiten und Reisekostenerstattungen begonnen und die der Ausschuss mit der Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 1000 Euro und der Androhung von Beugehaft quittiert hatte – ein im Landtagsbetrieb bislang einmaliger Vorgang. Sechs Stunden vor Eingang des Schreibens beharrte Naser noch auf das ihm nach eigener Einschätzung zustehende Auskunftsverweigerungsrecht; Naser sollte vor dem Untersuchungsausschuss seine Rolle beim Kauf der Kärntner Hypo Group Alpe Adria (HGAA) durch die BayernLB schildern.
SPD und Freie Wähler hätten Anzeige wegen Untreue gegen ihn erstattet, ihm drohe die Gefahr der Strafverfolgung, so Nasers Anwältin. Der erboste Ausschusschef Thomas Kreuzer (CSU) belehrte Naser, dass eine Strafanzeige gegen einen Zeugen kein Auskunftsverweigerungsrecht nach sich ziehe. Sonst könnte man jeden Strafprozess zum Platzen bringen.


Der blumige Herr Faltlhauser


Kreuzers Vize Harald Güller (SPD) sprach von einem „unglaublichen Vorgang, mit einer solchen Arroganz vor den Landtag zu treten“. Mit seinem Verhalten füge er auch der Sparkassenfamilie immensen Schaden zu.
Dessen wurde sich Naser offenbar erst mit einiger Zeitverzögerung bewusst, weshalb er am Donnerstag Mittag im Ausschuss dann doch aussagte (die Befragung Nasers dauerte bei Redaktionsschluss noch an). Erwartungsgemäß schweigsam hatte sich zuvor der als Schlüsselfigur beim HGGA-Deal geltende Investor Thilo Berlin präsentiert – gegen ihn läuft ein Strafverfahren bei der Münchner Staatsanwaltschaft, weshalb er sich nicht selbst belasten wollte.
Nasers damaliger Verwaltungsratskollege Kurt Faltlhauser (CSU) wiederum parlierte überaus ausführlich – der Ex-Finanzminister redete sechs Stunden lang. Faltlhauser war es zunächst ein Bedürfnis, den Oppositionsvorwürfen entgegenzutreten, die Verwaltungsräte aus den Reihen der Staatsregierung seien schlecht vorbereitet in die Sitzungen gegangen und hätten dort eher Kaffee und Kuchen im Blick gehabt als die Aufsicht über die Landesbank. Tatsächlich sei er bestens präpariert gewesen, habe sich immer wieder kritisch und „ohne jede Schüchternheit“ in die Debatten eingebracht, erklärte Faltlhauser.

"Ein Rotlicht gab es nicht"


Eigene Fehler beim milliardenschweren Scheitern des HGAA-Deals mochte Faltlhauser nicht sehen, außer vielleicht, dass auch er Mitte 2007 „zu sehr auf die Stabilität des Wachstums“ gesetzt habe. Offen gab er zu, von den in der HGAA schlummernden Risiken gewusst zu haben. „Wir hatten nicht die Illusion, über blühende Wiesen in den Balkan zu wandern“, berichtete er blumig. Doch man habe die Chancen weit höher eingeschätzt als die Risiken. „Ein Rotlicht zum Stopp des Vorhabens gab es 2007 auf der Basis der uns vorliegenden Informationen nicht“, so der Chef-Kontrolleur.
Dem damaligen Landesbank-Vorstand warf er damit vor, dem Verwaltungsrat wichtige Informationen vorenthalten zu haben. So seien kritische Anmerkungen der Wirtschaftsprüfer nicht an das Kontrollgremium weitergeleitet und Passagen aus dem HGAA-Kaufvertrag gestrichen worden. Ein „unfreundlicher Akt“ des Vorstands sei das gewesen. Hätte er das damals gewusst, er hätte wohl auf weitere Nachforschungen und eine Senkung des Kaufpreises gedrungen.
Dem FDP-Abgeordnete Karsten Klein blieb das nicht nachvollziehbar. Wenn die Verwaltungsräte schon von den Risiken gewusst hätten, hätten sie diesen auch konsequenter nachspüren müssen. Nachdem vor der Sommerpause bereits Wirtschaftsprüfer, die Vertreter von Consultingfirmen und österreichische HGAA-Partner ausgesagt und dabei vor allem den seinerzeitigen BayernLB-Vorstand in Bedrängnis gebracht hatten, müssen nun die Verwaltungsräte der Bank in den Zeugenstand.
Ein „heißer Herbst“ werde das für sie werden, kündigte der Grüne Sepp Dürr an. In 14 Tagen ist Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) geladen. Auf Wunsch der CSU erst am Ende der Befragungen kurz vor Weihnachten werden Regierungschef Horst Seehofer (CSU) und sein Stellvertreter Martin Zeil (FDP) aussagen müssen. Sie sollen zu den Umständen des Verkaufs der HGAA an die Republik Österreich Ende 2009 befragt werden.
(Jürgen Umlauft)

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