Politik

22.01.2010

Pleitewelle überrollt den Freistaat

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Freistaat wird auch in diesem Jahr hoch bleiben

Sie brachte eine ganze Region ins Wanken: die Pleite des Fürther Versandhändlers Quelle im Oktober. Tausende Arbeitsplätze gingen in der Folgezeit verloren. Eine Insolvenz in dieser Größenordnung ist in Bayern bislang zwar ein Einzelfall. Doch vor allem Pleiten von Mittelständlern könnten sich nach Ansicht von Experten in diesem Jahr häufen.
Schon jetzt hat eine riesige Pleitewelle den Freistaat erfasst. In den ersten neun Monaten des Jahres 2009 lag die Zahl der Unternehmensinsolvenzen laut Statistischem Bundesamt mit 3403 rund ein Fünftel über dem Vorjahresniveau – nur in Nordrhein-Westfalen gingen mehr Firmen in Konkurs. Der bayerische Bund der Selbstständigen (BDS) rechnet für 2009 mit etwa 4200 Unternehmenskonkursen. Auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) geht von einem Anstieg der Insolvenzen in ähnlicher Größenordnung aus. „Die Erfahrungen aus früheren Konjunkturkrisen zeigen, dass die Insolvenzen mit gewisser zeitlicher Verzögerung auftreten“, so vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Besserung sei für dieses Jahr nicht in Sicht.
Im Gegenteil: Weil bislang kaum Stellen gestrichen wurden, arbeiten in den meisten Firmen fast genauso viele Beschäftigte wie vor der Krise – gleichzeitig aber gingen Produktion und Absatz rapide zurück. Die Folge sind enorme Überkapazitäten.
Laut einer Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman droht vor allem in der deutschen Autoindustrie und dem Maschinenbau zahlreichen Zulieferern die Zahlungsunfähigkeit. So sei in diesem Jahr mit 70 bis 100 Insolvenzen bei Automobilzulieferern sowie 500 Pleiten von kleineren Maschinen- und Anlagenbauern zu rechnen. Viele Firmen hätten ihre Reserven aufgebraucht, jetzt könne ihnen die Luft ausgehen.
Weil auch zahlreiche Hersteller unzureichend auf den Ausfall von Zulieferern vorbereitet sind, sei ein Dominoeffekt zu befürchten, heißt es in der Studie. Aufgrund mangelnder Versorgung mit Komponenten drohten bei der gerade anziehenden Nachfrage Produktionsausfälle – mit fatalen Folgen. Ganze Industriesegmente, die ansonsten gesund sind, seien gefährdet. Doch gerade der Maschinenbau und die Autoindustrie sind die Herzkammern der bayerischen Wirtschaft. Es droht ein Infarkt, samt Jobkahlschlag. So reduzierte etwa der Münchner Lastwagenhersteller MAN die Zahl seiner Mitarbeiter im vergangenen Jahr bereits um 1800. Und beim Halbleiterkonzern Infineon betrug das Job-Minus sogar 11,2 Prozent. Weitere bayerische Dax-Konzerne dürften folgen.
Brossardt sieht in der stark ausgeweiteten Kurzarbeit in vielen bayerischen Firmen ein mögliches Insolvenz-Risiko. „Die Kosten der Kurzarbeit sind für die Betriebe meist zu hoch“, sagt der VBW-Mann. Schließlich müssten die Arbeitgeber für die ausgefallene Arbeitszeit rund 25 Prozent der Kosten tragen. Bei gleichzeitig fehlender Auslastung führe dies zu steigenden Lohnstückkosten. „Viele Firmen stemmen dies durch die Aufzehrung ihres Eigenkapitals“, sagt Brossardt.
Der gerade wieder anziehende Auftragseingang in der Industrie könnte für viele Firmen zu spät kommen. „Wir rechnen mit einer Vielzahl von weiteren Insolvenzen von kleinen und mittelständischen Betrieben“, so Matthias Jena, Sprecher der IG Metall Bayern. Dass die Kurzarbeit manche Unternehmen in die Pleite treibe, weist er jedoch zurück. „Dieses Rezept hat sich bewährt.“ Vielmehr müssten Banken und Freistaat alles zu tun, „damit der Mittelstand Kredite zukünftig wieder zu vernünftigen Konditionen bekommt“. Die Staatsregierung solle zudem notfalls den Rettungsschirm für die Wirtschaft ausweiten.
Brossardt fordert vom Gesetzgeber eine vorübergehende Anpassung der Abschreibungsregeln für Sachanlagen an die der „realen Wirtschaftslage“. Es müsse jetzt „vor allem darum gehen, im Kern gesunde Firmen besser vor Insolvenzgefahren zu schützen“, so der VBW-Chef. (Tobias Lill)

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