Einige Politiker und Journalisten in Deutschland haben eine neue Hassfigur gefunden: die österreichische Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ). „Mit einer Sturheit, die an den Habitus früherer Ostblockregimes erinnert, kassiert sie jetzt“, empört sich etwa die Tageszeitung Mannheimer Morgen über die Entscheidung der Politikerin, künftig auf der sechs Kilometer langen Strecke zwischen dem bayerischen Grenzort Kiefersfelden und der Ausfahrt Kufstein eine Mautpflicht einzuführen. Ähnlich beleidigt zeigt sich Bayerns Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU), der im Auftrag seines Partei- und Regierungschefs Horst Seehofer einen Einigungsversuch verhandeln sollte – und scheiterte: „Ich bin sehr enttäuscht über die sture Haltung.“
Wobei: Formal bestand auf dem Abschnitt der Inntalautobahn schon immer eine Mautpflicht – seit Einführung des Pickerl in der Alpenrepublik im Jahr 1997. Die Österreicher haben nur kulanterweise nie kontrolliert. Davon profitierten vor allem die Bayern. Transitreisenden – etwa aus Skandinavien oder den Niederlanden –, ja selbst Bürgern aus anderen Bundesländern war die Ausnahmeregelung häufig nicht bekannt.
Partielle Sparsamkeit
Man fragt sich, weshalb gerade an der Grenze des Freistaats eine Ausnahmeregelung notwendig sein muss – nur, weil Skifreunde aus München und Umgebung auf Wochenendausflug nach Tirol sich daran gewöhnt haben. Vergleichbare Streckenabschnitte zu Nachbarländern mit Mautpflicht gibt es ja auch anderswo in der Bundesrepublik. Die südliche dänische Ostseeküste beispielsweise.
Keine Frage, es geht ums Geld bei Kiefersfelden. Aber statt zu lamentieren, sollten die Politiker den Autofahrern mal vorrechnen, um welche Beträge es geht. Die günstigste Vignette für Österreichs Autobahnen kostet 8,30 Euro. Wer diese sparen möchte und statt dessen lieber durch die Innenstadt von Kiefersfelden fährt, muss dort mit Stau und Stop-and-Go-Verkehr rechnen. Da ist der Spritverbrauch deutlich höher als im fließenden Verkehr, was etwa zwei bis drei Euro zusätzlich an Benzinkosten bedeutet. Ein Skipass kostet übrigens in den klassischen Wintersportorten Tirols Minimum 20 Euro, häufig sogar das Doppelte. Aber gut, die Deutschen feiern sich ja gern als Volk der Schnäppchenjäger.
Natürlich, die Österreicher machen keinen Hehl daraus, dass die neue generelle Mautpflicht – wer ohne Vignette erwischt wird, zahlt 120 Euro Buße – ihre Replik auf entsprechende Pläne der CSU darstellt. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und seinen Parteifreunden steht es trotzdem nicht gut an, deshalb die beleidigte Leberwurst zu spielen. Denn Kiefersfelden ist nur die halbe Geschichte des massiv gestörten Verhältnisses zwischen München und Wien.
Im Sommer provozierte Ramsauer nämlich seine sozialdemokratische österreichische Amtskollegin Bures im Zusammenhang mit dem Salzburg Airport Wolfgang Amadeus Mozart. Das ist der zweitgrößte Flughafen des Landes. Starts und Landungen sollten aber aus Sicherheitsgründen besser über die Nordroute erfolgen, denn südlich von Salzburg ragen die Hohen Tauern gut 2000 Meter in den Himmel, zudem herrscht häufig Nebel. Jedoch führt die Nordroute über deutsches Staatsgebiet – und über den Wahlkreis von Peter Ramsauer.
Ramsauer hatte ein offenes Ohr für die Wutbürger - er wollte ja wiedergewählt werden
Mit ihren Klagen über Schmutz und Lärmbelästigung fanden die Bewohner des Rupertiwinkel ein offenes Ohr beim Herrn Minister in Berlin. Wiedergewählt werden wollte er ja auch. Bereits im Sommer drohte Ramsauer mit einer deutlichen Einschränkung der Überflugrechte, vor wenigen Tagen bekräftigte er die „Kriegserklärung“ – so die Bezeichnung in den österreichischen Medien – erneut. „Das kam damals völlig überraschend, die deutsche Seite hatte uns vorab nicht kontaktiert“, heißt es aus dem Haus der österreichischen Verkehrsministerin.
Die Folgen der Entscheidung sind dagegen klar: „Für uns würde eine Beschränkung der Überflugrechte das wirtschaftliche Ende bedeuten“, gibt Alexander Klaus, der Sprecher der Airport-Betreiber, offen zu. Das indes wäre aus Sicht des Freistaats keine Katastrophe: Immerhin stammt inzwischen jeder dritte Fluggast in Salzburg aus dem südostbayerischen Raum. Ein prosperierender Flughafen mit weiteren Kapazitäten gleich hinter der Grenze ist aber nicht eben hilfreich für die Begründung einer angeblich zwingend notwendigen dritten Startbahn in München.
Noch könnte man in Sachen Maut die Kuh vom Eis holen. Es ist ja keinesfalls alles festgezurrt: Ein europarechtlich belastbares Konzept liegt noch nicht vor. Auch die Österreicher sind keinesfalls so bockig, wie es derzeit den Anschein hat: „Wenn die Deutschen sich a bisserl kommod zeigen, dann pfeift der Faymann (Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann, d. Red.) die Bures vielleicht zurück“, spekuliert ein Redakteur der Neuen Kronen Zeitung.
Und dann gibt es ja noch die Signale des künftigen Berliner Koalitionspartners SPD, den unbestrittenen finanziellen Mehrbedarf im Straßenbau über eine Erhöhung der Maut für Lkw beziehungsweise deren Ausweitung auf Bundesstraßen reinzuholen – was auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besser gefallen würde.
Allein – die CSU mag von alldem nichts hören. Bei der Maut geht es ihr inzwischen schlicht ums Prinzip, und dagegen hat der Pragmatismus meist die schlechteren Karten.
(André Paul)
Kommentare (2)