Politik

Eines der letzten Refugien für Party-Paffer: Freiluft-Terrassen über den Dächern Münchens. (Foto: dpa)

09.07.2010

Rauchzeichen über der Isar

Das strenge bayerische Qualm-Verbot könnte bald in anderen Bundesländern Schule machen

So absurde Reaktionen löst wohl nur ein Volksentscheid aus: Da rebellieren die Bürger gegen ein Gesetz der Staatsregierung und kippen es nach einem hitzigen Wahlkampf sogar mit komfortabler Mehrheit – und der Ministerpräsident freut sich mehr als jeder Oppositionsführer. Er sei „hochzufrieden“, verkündete Horst Seehofer und meint: „Wenn das Volk entscheidet, hat es recht.“
Mit 61 Prozent haben die Befürworter des strengen Rauchverbots beim Volksentscheid am Sonntag gewonnen. Damit bekommt Bayern am 1. August Deutschlands härtestes Rauchverbot für Gaststätten. Ausnahmen wird es nicht mehr geben. So haben die Bürger mit wenigen Änderungen ein Gesetz durchgesetzt, das eigentlich einmal die CSU-Landtagsfraktion entworfen hatte, 2007, noch mit satter Zweidrittelmehrheit.
Mit einem – bis auf das Schlupfloch, das die Raucherclubs boten – praktisch ausnahmslosen Rauchverbot in Gaststätten zog die CSU damals den Zorn von Bayerns Wirten auf sich. Eine Kommunalwahlklatsche und ein Landtagswahldebakel später einigte sich die neue Regierung aus Christsozialen und Liberalen im Koalitionsvertrag auf großzügige Ausnahmen für Einraumkneipen, Nebenräume und Bierzelte. Die FDP hatte das gelockerte Rauchverbot zu einem zentralen Wahlversprechen gemacht. Die Mehrheit der bayerischen Bürger hat das offenbar nicht begeistert. Nur 39 Prozent der Teilnehmer an der Volksabstimmung wollten das lockere Gesetz behalten.
Die FDP machte vor dem Volksentscheid offen Wahlkampf für das Regierungsgesetz. Die CSU tauchte ab. Entsprechend groß ist nun der Ärger des kleinen Koalitionspartners. „Die CSU hat sich weggeduckt“, beschwert sich Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP). Und die bayerische FDP-Generalsekretärin Miriam Gruß ärgert sich, das sei „leider wieder einmal ein Fall, in dem die CSU eine zuvor getroffene Koalitionsentscheidung nicht nachdrücklich vertreten hat.“
So erleichtert die Christsozialen nun sind, das leidige Thema Rauchverbot jetzt endlich hinter sich zu haben, müssen sie sich nun den Spott über den eigenen Zickzack-Kurs gefallen lassen. Im Münchner Merkur mahnt Ex-Vorsitzender Erwin Huber, die CSU habe für ihre Wendungen beim Rauchverbot „hohes politisches Lehrgeld zahlen müssen“.
Auf der großen Wahlparty des Aktionsbündnisses für Nichtraucherschutz grüßt Volksbegehren-Initiator und -Sieger Sebastian Frankenberger von der ÖDP: „Liebe Staatsregierung, lieber Herr Seehofer, vielleicht sollten Sie öfter das Volk fragen.“
Frankenberger reitet seit Sonntag auf einer Welle der Euphorie. Einen Tag nach dem Sieg kündigte er an, bald würden die Nichtraucher bundesweit ähnliche Initiativen für ein striktes Rauchverbot nach bayerischem Vorbild starten. Frankenberger gilt auch als aussichtsreicher Kandidat für den Vorsitz der Öko-Kleinpartei ÖDP. Einige in der Partei trauen dem energischen 28-Jährigen zu, die ÖDP nach dem Erfolg beim Volksentscheid nun erstmals auch in den Landtag zu führen.
Von Euphorie ist bei Franz Bergmüller dagegen seit Sonntag nichts mehr zu spüren. Der Chef der Raucher- Tabakindustrie und Wirte-Kampagne „Bayern sagt Nein“ gibt verbissen den schlechten Verlierer. Nun sei man im „Verbotsstaat“ angekommen, stänkert er, verweist auf die seiner Meinung nach geringe Wahlbeteiligung von 37,7 Prozent, tituliert die Sieger als „fanatische Weltverbesserer“ und kündigt zivilen Ungehorsam gegen das neue Gesetz an.
Aufhalten wird er die Entwicklung auch mit geballter schlechter Laune nicht. Die Entscheidung der bayerischen Bürger hat bereits ihre Fans gefunden. In einigen Bundesländern wollen Rauchgegner jetzt einen Volksentscheid erzwingen. Und in Nordrhein-Westfalen plant die neue Regierung ein radikales Qualmverbot – ganz so wie das neue bayerische Vorbild. (Bernhard Hübner)

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