Politik

Begehrte Importe: Die Polizei in Moskau fährt mit Fahrzeugen des bayerischen Autobauers BMW. (Foto: dpa)

28.03.2014

Sanktionen träfen auch Bayern

Weltweit ist Russland der zwölftwichtigste Exportmarkt für die Firmen im Freistaat

Wirtschaftssanktionen gegen Russland: Das kommt bei bayerischen Unternehmen gar nicht gut an. „Wir hoffen in dem Konflikt auf eine diplomatische beziehungsweise politische Lösung“, sagt ein Sprecher von BMW der Bayerischen Staatszeitung. Handelsbeschränkungen träfen den Münchner Autohersteller empfindlich. Immerhin 44 871 Fahrzeuge hat das Unternehmen 2013 nach Russland verkauft – ein Plus von 11,8 Prozent gegenüber 2012.
Auch beim Spezialtiefbauunternehmen Bauer aus Schrobenhausen wäre man über Sanktionen gegen Russland alles andere als erfreut. Die Firma ist auch mit eigenen Tochterfirmen vor Ort und liefert pro Jahr mehrere große Drehbohrgeräte direkt aus Deutschland an russische Kunden. Sanktionen würden „natürlich zu einem Umsatzrückgang führen“, erklärt ein Unternehmenssprecher.
Das Münchner Ifo Institut indes glaubt, dass Wirtschaftssanktionen Russland deutlich härter träfen als die EU. Denn die Ausfuhren Russlands in die EU belaufen sich laut Ifo-Handelsexperte Gabriel Felbermayr auf immerhin 15 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. „Umgekehrt machen die Exporte der EU nach Russland nur etwa 1 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt der EU aus.“ Dennoch warnt er vor einer Handelspolitik, die Russland ausgrenzt: „Russland ist als Absatzmarkt für Deutschland deutlich wichtiger als für die übrigen EU-Mitglieder.“

Südkorea könnte profitieren

Für Bayern ist Russland jedenfalls ein wichtiger Exportmarkt. Das zeigt sich am bilateralen Handelsvolumen. Allein 2013 importierte der Freistaat für knapp 7,2 Milliarden Euro Erdöl und Erdgas aus Russland. Im Gegenzug lieferte Bayern 2013 Erzeugnisse des Maschinenbaus, Fahrzeuge, Fahrzeugteile und Chemieprodukte im Gesamtwert von rund 4,4 Milliarden Euro. Unter Wirtschaftssanktionen würden also beide Seiten leiden. Hiervor warnen sowohl der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) als auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw).
Der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags, Peter Driessen, verweist auf den russischen Föderationsrat, der damit droht, ausländische Investoren per Gesetz zu enteignen. Davon wären fast 1500 bayerische Unternehmen betroffen, die über 4 Milliarden Euro in Russland investiert haben und dort rund 55 000 Menschen beschäftigen. Allein 2012 erwirtschafteten sie einen Umsatz von 8 Milliarden Euro. Das entspricht der Wertschöpfung des gesamten bayerischen Handelsvolumens mit Ungarn.
Driessen nennt die derzeitige Situation „nervenaufreibend“ für die betroffenen bayerischen Unternehmer. Denn Russland biete mit über 140 Millionen Einwohnern einen riesigen Exportmarkt für Produkte „Made in Bavaria“. Weltweit ist Russland der zwölftwichtigste Exportmarkt für Bayerns Firmen.
Auch vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt warnt vor Wirtschaftssanktionen: „Da zwischen Russland und Bayern ein Handel mit Milliardenvolumen betrieben wird, wären Sanktionen eine Wachstumsbremse.“ 93,9 Prozent der bayerischen Gesamtimporte aus Russland bestehen laut Brossardt aus Erdöl und Erdgas.
Der frühere Staatskanzleichef Eberhard Sinner, Präsident des OstWest-Wirtschafts-Clubs Bayern, glaubt ohnehin, dass Wirtschaftssanktionen wenig bringen. Weil sie unterlaufen werden könnten, indem andere Länder einspringen.
Tatsächlich könnte zum Beispiel Südkorea mit seiner Fahrzeug- und Schwerindustrie zum Gewinner werden. Unter dem russischen Diktator Josef Stalin wurden einst Koreaner, die auf russischem Staatsgebiet nördlich des heutigen Nordkorea lebten, ins heutige Kasachstan zwangsumgesiedelt. Dort hat Hyundai eine große Autofabrik. Deren Autos könnten künftig anstelle bayerischer Karossen über Russlands Straßen rollen.
Überaus wirkungsvoll ist übrigens die Reaktion internationaler Finanzinvestoren. Sie haben nach Angaben des stellvertretenden russischen Wirtschaftsministers Andrej Klepach in den letzten drei Monaten zwischen 65 und 70 Milliarden Dollar aus Russland abgezogen – was Putin gewaltig wurmen dürfte. (Ralph Schweinfurth)

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