Politik

Leisteten Abbitte: Justizminister Winfried Bausback (links) und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) bei der heutigen Pressekonferenz. (Foto: dpa)

20.09.2017

Schadensbegrenzung nach missglücktem CSU-Wahlkampfmanöver

Innenminister Joachim Herrmann muss seine Aussage zur Statistik zu den Vergewaltigungen im Freistaat korrigieren

Der Versuch der offensiven Schadensbegrenzung ist offenbar von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) angeordnet worden. Nur deshalb - so berichten Kabinettsmitglieder - stehen Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Winfried Bausback (beide CSU) am Mittwoch nebeneinander im Innenministerium, bei einer am Vorabend eilig einberufenen Pressekonferenz. Seehofer persönlich soll darauf bestanden haben, dass seine beiden Minister gemeinsam auftreten und nicht nur eine schriftliche Presseerklärung abgeben.

Und so sind Herrmann und Bausback nun dafür verantwortlich, eine taktische Panne aus der Vorwoche auszubügeln, für die - so berichten es Eingeweihte - auch Seehofer persönlich mitverantwortlich ist.

Darum geht es: Nach der Kabinettssitzung am Dienstag vergangener Woche stellte Herrmann einige aktuelle Kriminalitätszahlen aus dem Freistaat vor. Die sehen eigentlich gut aus für Staatsregierung und CSU: Die Zahl der Straftaten ist, bereinigt um ausländerrechtliche Verstöße, im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. Allerdings - und diese Zahl machte dann Schlagzeilen - ist die Zahl der Sexualdelikte deutlich gestiegen. Seehofer selbst soll darauf bestanden haben, auch diese Entwicklung sogleich offensiv anzusprechen, um nicht der AfD oder anderen in die Hände zu spielen.

Das allerdings ging daneben - aus zweierlei Gründen: Zum einen war in der Pressemitteilung der Staatskanzlei von "Vergewaltigungsfällen" und "Vergewaltigungsdelikten" die Rede. Und auch Herrmann selbst sprach in der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung nur von "Vergewaltigungen".

Inzwischen ist klar: Das ist verkürzt. Und zum anderen hatte Herrmann ad hoc keine Erklärung für den Anstieg der Zahlen parat. In rechtspopulistischen Foren machten die Zahlen so oder so sogleich die Runde - zumal es in der Pressemitteilung der Staatskanzlei weiter hieß, dass "gerade die Zahl der durch Zuwanderer begangenen Vergewaltigungsdelikte (...) erheblich angestiegen" sei.

Ein Teil des Anstiegs der Vergewaltigungen ergibt sich aus der Verschärfung des Sexualstrafrechts

Genaue eine Woche später, Dienstag, nächste Kabinettssitzung. Die Stimmung sei, berichten Teilnehmer, angespannt gewesen. Eine "heftige Debatte" habe es zu dem Thema gegeben, bei der Seehofer selbst sehr deutlich geworden sei. Als er fordert, die Staatsanwaltschaften sollten das Thema Vergewaltigungen prioritär behandeln und Bausback entgegnet, das passiere schon, reagiert Seehofer ungehalten. Am Ende schließlich drängt er Herrmann und Bausback zu der Pressekonferenz. Offensichtliches Ziel: Tatkraft demonstrieren. Der Schutz der Bürger vor Sexualstraftaten stehe an erster Stelle, betont Herrmann deshalb.

Zudem rückt der Innenminister eine zentrale Zahl in der Statistik zurecht. Er stellt klar, dass es sich bei den 685 genannten Taten nicht immer um Vergewaltigungen im engeren Sinne handelt, sondern dass darin auch Fälle schwerer sexueller Nötigung enthalten sind.

Zudem weist er auf Faktoren hin, mit denen die Staatsregierung die Zahlen schon in der vergangenen Woche hätte einordnen können: Ein Teil des Anstiegs, erklärt Herrmann, sei mit einer Verschärfung des Sexualstrafrechts erklärbar. Daraus ergäben sich "zwangsläufig" Steigerungen bei den erfassten Delikten. Aber auch andere Faktoren hätten einen Einfluss, etwa eine gestiegene Sensibilität in der Öffentlichkeit, die eine erhöhte Anzeigebereitschaft mit sich bringe. Eine eigene Expertengruppe soll eine noch genauere Analyse liefern.

Doch vorher kommt die Bundestagswahl. Deshalb, räumt ein Mitglied des CSU-Vorstands ein, sei die Nervosität bei Seehofer & Co. seit einigen Tagen auch so groß. Dieses Wahlkampfmanöver aber sei gründlich nach hinten losgegangen. Mit dem gut gemeinten Versuch, die AfD einzubremsen, habe man der AfD noch in die Hände gespielt. (Christoph Trost, dpa)

Kommentare (1)

  1. Gigi am 20.09.2017
    Eine Vergewaltigung ist primär die vollzogene Penetration (womit auch immer), eine schwere sexuelle Nötigung dagegen betrifft unter anderem auch einen erzwungenen Oralsex. Für die betroffenen Frauen macht das natürlich einen himmelweiten Unterschied, nee, ist klar! Faszinierend, wie hier verzweifelt versucht wird, der AfD noch die Stimmen abzujagen, indem relativiert wird auf Teufel komm raus.
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