Politik

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). (Foto: dpa)

21.11.2017

Schäuble fordert von Parteien für Regierungsbildung Kompromisse

Das Ringen um eine Regierungsbildung in Berlin geht weiter - erst mal im Schloss Bellevue bei Bundespräsident Steinmeier. Nach ihm hat sich nun auch Bundestagspräsident Schäuble in die Debatte eingeschaltet. Auch er appelliert an die Parteien, sich zusammenzureißen

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat die Parteien nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen zu Kompromissbereitschaft aufgerufen. "Mit der Wahl hat das Volk entschieden, damit müssen wir als Gewählte nun umgehen, verantwortlich umgehen", sagte der CDU-Politiker am Dienstag zu Beginn der Bundestagswoche in Berlin. "Klar ist, dass regiert werden muss." Kompromisse und Mehrheitsentscheidungen gingen aber nicht im Hauruckverfahren. Auch die Öffentlichkeit solle Verständnis für die Komplexität der Aufgabe haben.

"Es braucht also Verständnis für die schwierige Gratwanderung, die es für alle bedeutet, die politische Verantwortung tragen, für mehrheitsfähige Kompromisse auch in Teilen vom eigenen Wahlprogramm abzurücken", so Schäuble. "Das ist kein Umfallen, auch keine Profilschwäche." Einigung durch Nachgeben erfordere Mut.

Schon am Vortag hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Parteien aufgerufen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und sich auf die Bildung einer Regierung zu verständigen. "Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält", sagte der Bundespräsident nach einer Unterredung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). An diesem Dienstag wollte sich Steinmeier mit den Vorsitzenden von Grünen und FDP treffen, um Möglichkeiten für eine Regierungsbildung zu besprechen.

"Bewährungsprobe, aber keine Staatskrise"

Schäuble betonte, es gebe in Deutschland derzeit eine außergewöhnliche Situation. "Es ist eine Bewährungsprobe, aber es ist keine Staatskrise", sagte der Bundestagspräsident unter dem Beifall der Abgeordneten. Die derzeitige Lage solle auch nicht durch fragwürdige historische Vergleiche über Gebühr aufgebauscht werden. Das Grundgesetz bestimme die Regeln.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles kann sich offenbar die Tolerierung einer unionsgeführten Minderheitsregierung vorstellen. "Das hängt davon ab, da müssen wir jetzt drüber reden", sagte sie am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin". "Wir sollten darüber reden, wie wir einen Prozess gestalten, der unser Land in eine stabile, neue Regierung führt." Dieser Prozess könne zum Beispiel in einer Minderheitsregierung münden. Zugleich betonte Nahles mit Blick auf mögliche Neuwahlen: "Da hat niemand wirklich Lust drauf. (...) Aber es ist trotzdem eine Option, die wir auch nicht scheuen."

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) appellierte im ZDF an die SPD, die Worte Steinmeiers vom Vortag zu "wägen". In den nächsten drei Wochen müsse Klarheit geschaffen werden, ob auf der Grundlage des Wahlergebnisses eine stabile Regierung gebildet werden kann. "Eine Minderheitsregierung, die von niemandem unterstützt und getragen wäre, wäre sicherlich keine gute Lösung für das Land", sagte Altmaier.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner warb in einem Brief an die Parteimitglieder um Verständnis für den Abbruch der Sondierungen. Auf dem Verhandlungstisch habe am Ende im wesentlichen "ein ambitionsloses "Weiter so" auf dem Kurs der Großen Koalition" gelegen, gespickt mit zahlreichen Wünschen der Grünen. "Dafür können und wollen wir nicht zur Verfügung stehen", schrieb der FDP-Chef. Sein Vize Wolfgang Kubicki machte deutlich, dass es keinen alleinigen Schuldigen gebe. "Wir alle haben es nicht hingekriegt", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Man muss respektieren: Wenn es nicht passt, dann passt es nicht."

Der Kieler Grünen-Umweltminister Robert Habeck forderte die SPD auf, in eine große Koalition mit der Union zu gehen. Dies wäre besser als Neuwahlen. Die SPD solle sich nicht weiter verschanzen. "Also jetzt können sie aus der Schmollecke rauskommen, finde ich", sagte Habeck im ZDF.
(dpa)

Minderheitsregierungen - in Bundesländern mitunter über Jahre
Minderheitsregierungen sind in Deutschland gar nicht so selten - vor allem nicht auf Länderebene. In allen Bundesländern außer Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen gab es bereits Regierungen ohne parlamentarische Mehrheit. Im Bund hatten bisher vier Minderheitskabinette nur wenige Wochen Bestand. Sie waren immer während der Übergangszeit zwischen dem Verlust ihrer Mehrheit und der Bildung einer neuen Koalition im Amt.

In den Bundesländern war es häufig ähnlich. So hat zum Beispiel die rot-grüne Regierung von SPD-Ministerpräsident Stephan Weil in Niedersachsen seit dem Übertritt einer Abgeordneten zur Opposition vor dreieinhalb Monaten keine Mehrheit mehr. Das wird sich voraussichtlich an diesem Mittwoch wieder ändern, dann soll Weil seine jüngst geschmiedete rot-schwarze Landtagsmehrheit erneut zum Regierungschef wählen.

Minderheitsregierungen in den Ländern gab es aber auch zum Teil über einen längeren Zeitraum. So stand etwa SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen einem rot-grünen Kabinett vor, das fast zwei Jahre lang von den Linken toleriert wurde. In Sachsen-Anhalt hielt sich SPD-Ministerpräsident Reinhard Höppner sogar acht Jahre - von 1994 bis 2002 - ohne eigene Mehrheit mit Duldung der PDS - heute Linke - an der Macht.

Nach diesem "Magdeburger Modell" saß auch Klaus Wowereit (SPD) in seinen ersten sieben Monaten im Amt des Regierenden Bürgermeisters an der Spitze eines rot-grünen Berliner Senats - geduldet von der PDS. Danach gab es eine förmliche SPD-PDS-Koalition.
(dpa)

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