Politik

Dem Volk aufs Maul schauen, den eigenen Leuten aufs Maul hauen: Seehofers Maxime eignet sich nur bedingt für Wahlkampfzeiten. (Foto: dpa)

04.01.2013

Schlussverkauf bei Seehofer & Co

Zu Beginn des Superwahljahrs 2013 mühen sich die CSU und ihre Konkurrenten um Supersonderangebote

In Wahlkampfjahren geht es zu wie im Schlussverkauf: Die Parteien stellen ihre Wühltische mit wohlfeilen Versprechungen auf. Sie offerieren großzügig kalkulierte Sonderangebote, um die Kundschaft anzulocken. Beispiel Studiengebühren: Von einigen hundert Euro plötzlich herabgesetzt auf Null. Oder das Thema Donauausbau: Nur noch die Hälfte – ein Teilausbau soll genügen.
Bei den Politikern geht es freilich um mehr, als das Lager zu räumen. Ihr Fünf-Jahres-Vertrag läuft aus, und alle wollen eine neue Lizenz, möglichst zu besseren Bedingungen. 2013 ist ein Wahljahr mit zwei Plebisziten für das Land und für den Bund, und der Schlussverkauf ist bereits in vollem Gang.
Für Horst Seehofer, den bayerischen Ministerpräsidenten und Chef der CSU, ist es eine Premiere. Er führt seine Partei erstmals als Spitzenkandidat an. Bislang allerdings macht er einen eher zwiespältigen Eindruck. Einerseits tritt er angriffslustig auf, ist themensicher und kann gewinnend auftreten. Andererseits schein er jederzeit bereit, auf Zuruf von Interessengruppen CSU-Positionen zu räumen. Bei den Studiengebühren reichte ein genehmigtes Volksbegehren, um sie in Frage zu stellen, beim Donauausbau reichte ihm eine Schifffahrt im vom Ausbau bedrohten Abschnitt, um eine Reduzierung ins Gespräch zu bringen. Für die anderen CSU-Wahlkämpfer ist das eine schwierige Situation. Sie wissen nicht, ob Positionen, die sie heute öffentlich vertreten, auch morgen ihre Gültigkeit behalten.

Es gab schon prinzipientreuere Ministerpräsidenten


Es gab schon einmal einen Ministerpräsidenten, der Flexibilität vor Prinzipientreue stellte. „So schnell können Sie gar nicht schauen, wie ich im anderen Eck bin“, sagte Franz Josef Strauß einmal. Die CSU musste dann hinterherhecheln, Strauß trug das gleichwohl den Ruf ein, „volksnah“ zu sein. Als das vor allem möchte Seehofer gelten. Anders als Strauß hat er das Lavieren aber zum Regierungsstil gemacht. Von allen bayerischen Regierungschefs seit Alfons Goppel ist der Ingolstädter der unberechenbarste, er ist jener, der am meisten aus dem Bauch heraus entscheidet und nicht mit dem Kopf – und der seinen Aggressionen gegen das eigene Lager auch öffentlich freien Lauf lässt. Nie vor Seehofer wurde ein Kabinett so häufig desavouiert und gedemütigt.
Dem Volk aufs Maul schauen, den eigenen Leuten aufs Maul hauen, ist eine seiner Devisen. Sozialministerin Christine Haderthauer und Finanzminister Markus Söder waren seine letzten Opfer: Haderthauer musste erleben, wie ihr Nachtverkaufsverbot für Tankstellen kassiert wurde, Söder durfte erfahren, dass ihn Seehofer öffentlich charakterschwach nannte.

Aiwanger und Seehofer: So unähnlich sind sich die beiden nicht


Strauß, der CSU-Politiker auch gern abkanzelte, hat das selten so ungeniert in aller Öffentlichkeit getan. Solange Seehofers Stil mit guten, die absolute Mehrheit signalisierenden Umfragewerten einhergeht, wird er sich nicht ändern, und die CSU muss stillhalten. Dabei ist nicht sicher, ob die Werte mehr auf den Ministerpräsidenten zurückzuführen sind oder auf die Ratlosigkeit, die viele 2008 von der CSU abgefallene Wähler an eine Rückkehr zu den Schwarzen denken lassen. Die Seehofer-Show bietet jedenfalls keine guten Voraussetzungen für einen geschlossenen, kompakten Wahlkampf, weil ständig mit Unruhe, Irritationen und Kurskorrekturen zu rechnen ist.
Ein weiteres Manko der CSU besteht darin, dass Seehofer alles auf „Bayern vorn“ setzt und bundespolitisch wenig Strahlkraft hat. Das könnte die Chancen der CSU für die Bundestagswahl schmälern. Trotz aller Demutsbekundungen in letzter Zeit gilt Seehofer der Bundeskanzlerin Angela Merkel und der CDU als unkalkulierbar und beratungsresistent. Die Minister, die für die CSU im Bundeskabinett sitzen, können diese Vorbehalte nicht ausräumen, die CSU-Landesgruppe spielt keine wichtige Rolle. Es könnte so kommen, wie es schön öfter war: Das Bundestagswahlergebnis bleibt hinter dem der Landtagswahl zurück.
Der FDP müsste die fatale Aussicht, die CSU könnte sie zum Regieren nicht mehr brauchen, eigentlich Flügel verleihen, die sie doch noch über die Fünf-Prozent-Hürde tragen. Aber um unters Volk zu bringen, dass wieder CSU-Alleinherrschaft droht, fehlt es den Liberalen am lokalen Unterbau.
Auch SPD-Spitzenkandidat Christian Ude klagt über zu wenig Ortsvereine. Sein Wahlkampf muss erst noch zünden. Zu unverhüllt steht zudem das mit Grünen und Freien Wählern angestrebte Dreierbündnis als Notgemeinschaft da. Vor allem ein Pakt der Grünen mit den FW, deren Chef Hubert Aiwanger durchaus etwas von Seehofer hat, gilt als riskant. Die Bringschuld für eine solche Allianz, der derzeit rund 40 Prozent vorausgesagt werden, liegt bei der SPD. Während sich die Grünen mit ihrer tüchtigen Spitzenkandidatin Margarete Bause und die FW im oberen Drittel ihrer Möglichkeiten bewegen, hat die SPD mit 22 Prozent ihr Potenzial längst nicht ausgeschöpft.
(Michael Stiller)

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