Politik

Der Bund will künftig für die Verwaltung der Autobahnen zuständig sein. Nicht allen gefällt das. (Foto: dpa)

25.11.2016

Schwer verdauliche Kröte

Die strittige Autobahnprivatisierung ist gestoppt, doch auch die geplante Verkehrsinfrastrukturgesellschaft sorgt für Verdruss

Die Freude bei Horst Seehofer war riesig. Nach jahrelangem Gezerre brachte er Mitte Oktober aus Berlin einen Kompromiss zur Reform des Länderfinanzausgleichs (LFA) mit nach Hause. Ab 2020 werde sich der Freistaat 1,3 Milliarden Euro jährlich sparen, frohlockte der Ministerpräsident im Landtag. Eher am Rande erwähnte er das Kleingedruckte. Unter anderem soll nämlich die Zuständigkeit für Planung und Bau der deutschen Autobahnen komplett auf den Bund übergehen. Bislang werden die Autobahndirektionen im Auftrag des Bundes von den Ländern verwaltet, wovon Bayern dank seiner exzellenten Planer häufig profitierte. Seehofer war über die Abgabe dieser Zuständigkeit nicht glücklich, aber mit Blick auf das große Ganze hielt er sie für ein notwendiges Übel. Das Wort von der Kröte, die für die LFA-Neuordnung zu schlucken ist, machte im Landtag fraktionsübergreifend die Runde.

Eine deutsche Asfinag?

Jetzt hätte sich diese Kröte beinahe als unverdaulich erwiesen, die LFA-Einigung drohte zu platzen. Denn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) knüpfte seine Zustimmung zum LFA-Kompromiss, der die Bundeskasse jedes Jahr Milliarden kosten wird, an die Gründung einer zentralen Verkehrsinfrastrukturgesellschaft für die Autobahnen. Die meisten Bundesländer, allen voran Bayern, wollten das eigentlich nicht. Auf die Abtretung von Länderkompetenzen an den Bund reagieren Landespolitiker traditionell sensibel. Vor allem aber wehrten sie sich gegen die – inzwischen verworfene – Idee Schäubles, die Gesellschaft für den Einstieg privater Investoren zu öffnen. Vergangene Woche noch hatte Schäuble erklärt, Privatanleger auf jeden Fall beteiligen zu wollen. Privates Kapital, so sein Kalkül, könnte den Fernstraßenbau beschleunigen und zudem die Bundeskasse entlasten. Dass Letzteres umstritten ist, focht ihn offenbar nicht an. Immer wieder haben die Rechnungshöfe von Bund und Ländern nachgewiesen, dass in Public-Private-Partnership (PPP) verwirklichte Bauprojekte den Steuerzahler am Ende in der Regel teurer kommen. Ungeachtet dessen würde der Staat mit einer teilprivatisierten Autobahn-Gesellschaft eine hoheitliche Aufgabe stückweise an gewinnorientierte Investoren abgeben. Eine Vorstellung, die in Bayern parteiübergreifend Besorgnis auslöst. Verkehrsminister Joachim Herrmann glaubt, dass die Akzeptanz für Verkehrsprojekte in der Bevölkerung sinken könnte, sollte der Eindruck entstehen, diese dienten vor allem den Gewinninteressen privater Anteilseigner. Bayerns SPD-Vize und Chef des Verkehrsausschusses im Bundestag, Martin Burkert, warnte vor dem „Verscherbeln öffentlichen Eigentums“.

Missliches Junktim

Gewichtige Mitstreiter hatten die Gegner des Schäuble-Plans in Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und seinem Wirtschaftskollegen Sigmar Gabriel (SPD). Letzterer legte im Bundeskabinett sogar sein Veto gegen die Privatisierungsidee ein. Alles war also auf den großen Showdown zugelaufen, denn LFA-Reform und Gründung der Infrastrukturgesellschaft waren zu einem Junktim verknüpft. „Das eine ist ohne das andere nicht zu haben“, hatte Seehofer im Oktober erklärt. Die Annahme, Bayern bekomme die 1,3 Milliarden aus der LFA-Reform ohne Grundgesetzänderung in der strittigen Autobahnfrage, sei „vollkommen ausgeschlossen“. Vor diesem Hintergrund setzte in Berlin ein Verhandlungsmarathon ein. Am Ende haben sich Schäuble, Gabriel und Dobrindt jetzt in „persönlichen Gesprächen“ darauf verständigt, von der Teilprivatisierung abzusehen. Die Kuh ist damit vom Eis, die Reform des Länderfinanzausgleichs gerettet. Die geplante zentrale Autobahnverwaltung jedoch ist davon unberührt. Die Einzelheiten über die Ausgestaltung der neuen Verkehrsinfrastrukturgesellschaft werden nun unter der Federführung von Kanzleramtsminister Peter Altmeier (CDU) mit den Staatskanzleien der Länder ausverhandelt. Ergebnis könnte eine „deutsche Asfinag“ sein. Denn nicht ohne Neid blicken viele Verkehrspolitiker nach Österreich, wo eben jene staatliche „Asfinag“ das Fernstraßennetz ordentlich in Schuss hält. Zur Finanzierung stehen ihr die Mauteinnahmen aus der Autobahnbenutzung zur Verfügung. Auch in Deutschland soll die Autobahngesellschaft mit den Einnahmen der Lkw-Maut gefüttert werden – und irgendwann vielleicht auch mit denen aus der von der CSU angestrebten „Ausländer-Maut“.
(Jürgen Umlauft)

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