Politik

Horst Seehofer im Kloster Banz. Für ihn endet die Klausur vorzeitig, am frühen Nachmittag will er sich auf den Weg nach Berlin machen. (Foto: dpa)

21.09.2016

Seehofer: Merkel-Äußerungen noch nicht Wende in Flüchtlingspolitik

Erfreulich, bemerkenswert, respektabel: So bewerten Horst Seehofer & Co. die Selbstkritik der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik. Bedeutet das ein Ende des Streits in der Union? Nicht unbedingt.

Die Selbstkritik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist nach Ansicht von CSU-Chef Horst Seehofer kein Garant für eine Einigung von CSU und CDU in der Flüchtlingspolitik. "Die Stellungnahme der Kanzlerin ist in vielen Punkten bemerkenswert und in vielen Punkten zu begrüßen", sagte der bayerische Ministerpräsident am Rande der Herbstklausur der CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz. Es gebe aber noch nicht die notwendige Vereinbarung in der Union. "Wir haben in den kommenden Wochen noch viele Punkte zu lösen."

Seehofer hält trotz der massiven Kritik an seinem Generalsekretär Andreas Scheuer wegen dessen abfälliger Aussage über abgelehnte Asylbewerber fest. "Ich sehe keine Veranlassung, den Andi Scheuer zu entlassen", sagte Seehofer. Er sehe aber sehr wohl die Notwendigkeit für Gespräche zwischen Scheuer und seinen Kritikern, allen voran den Kirchenvertretern wie dem Regensburger Generalvikar. "Es gibt einen Dialogbedarf. Wenn ein Politiker einen Dialog auslöst, muss er ihn auch führen." SPD und Grüne forderten den Rücktritt Scheuers.

Zur Selbstkritik Merkels hatte sich Seehofer nach Angaben von Teilnehmern zuvor bereits in einer nicht öffentlichen Grundsatzrede vor der Fraktion ähnlich geäußert. Merkels Aussagen seien noch kein Kurswechsel, sagte Seehofer demnach unter dem Beifall der Fraktion. Es brauche auch keine Wende in der Erklärung der Politik, sondern in der Politik. Deshalb seien noch dicke Bretter zu bohren.

Streitpunkt Obergrenze

Merkel hatte am Montag unter dem Druck der schweren CDU-Niederlagen in Berlin und zuvor in Mecklenburg-Vorpommern Fehler eingestanden. So sei der Flüchtlingszuzug 2015 vorübergehend außer Kontrolle geraten, sagte die CDU-Vorsitzende: "Die Wiederholung dieser Situation will niemand, auch ich nicht."

"Wir haben unsere Grundlagen für die Zuwanderung festgelegt", betonte Seehofer am Dienstag. Dazu gehöre auch die Obergrenze. "Jetzt müssen wir mit der CDU darüber sprechen, wie sich die Konzepte übereinander legen lassen." Die CSU habe den festen Willen zur Einigung. "Wir werden alles Menschenmögliche tun." Trotzdem könne weder er noch Merkel garantieren, dass es auch funktioniere. "Die ganzen Einigungsbemühungen finden statt, damit die Schwesterparteien Schwesterparteien bleiben."

Zugleich bekräftigte Seehofer demnach, dass eine Einladung Merkels zum CSU-Parteitag im November nur Sinn habe, wenn es vorher eine Verständigung zwischen CDU und CSU gebe. Die CSU wolle die Verständigung, aber "nicht um den Preis der politischen Offenbarung", betonte Seehofer in der Fraktionsrede. Hauptstreitpunkt ist, dass die CSU eine Obergrenze für neu eintreffende Flüchtlinge fordert und Merkel dies strikt ablehnt.

"Wir müssen raus aus Verlierermodus"

"Wir müssen raus aus Verlierermodus", sagte Seehofer. Die Union müsse als Mannschaft zusammenarbeiten und die Sorgen der Menschen Ernst nehmen. Sonst könne aus der Vertrauenskrise eine Systemkrise werden.

Merkel selbst äußerte sich am Dienstag zuversichtlich, dass sich CDU und CSU wieder zusammenraufen werden. "Es sollte gelingen, die Brücken zu vollenden", sagte Merkel nach Teilnehmerangaben bei einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin. Sie geht demnach davon aus, dass die Schwesterparteien "tragfähige Lösungen" finden werden.

Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt ließ eine Kompromissmöglichkeit erkennen. Sie verstehe die von Seehofer geforderte Obergrenze nicht so, dass der Erste, der nach 200 000 Flüchtlingen ankomme, nicht mehr ins Land dürfe. Es gehe um eine "Richtgröße", eine "Orientierungsgröße". Ob es dabei eine Formulierung mit der Zahl 200 000 oder ohne diese Zahl gebe, werde man sehen, sagte Hasselfeldt. Diese Größenordnung jedenfalls könne Deutschland nach allen Erfahrungen verkraften. Das im Grundgesetz in Artikel 16a verankerte Asylrecht müsse dafür nicht geändert werden.

Bürger für Prinzip Leitkultur

Hasselfeldt sagte: "Auf beiden Seiten ist das deutliche Bemühen erkennbar, die vorhandenen Unstimmigkeiten auch zu beseitigen." Das Ziel, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren, vereine beide Parteien. Das beteuerte auch Unionsfraktions-Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU): "Der Wunsch besteht in beiden Parteien, sich endlich wieder zu einigen." Seiner Ansicht nach könnte sich der Streit bald von allein lösen, weil die Zahl der neu ankommenden Menschen zurückgehe. Das mache die Debatte überflüssig, sagte er.

Der CSU-Vize und Bundesagrarminister Christian Schmidt sagte über Merkels Pressekonferenz: "Das halte ich für einen hochrespektablen Akt." Bayerns Finanzminister Markus Söder lobte: "Ein Kurswechsel kündigt sich an. Die Aussagen der Kanzlerin sind schon beachtlich. Das ist ein richtiger Ansatz." In der "Welt" fügte er hinzu: "Aber natürlich müssen den Worten Taten folgen." Die von Merkel erneut abgelehnte CSU-Forderung nach einer Obergrenze für den Flüchtlingszuzug sei nicht verhandelbar.

Bei der Integration von Flüchtlingen wünschen sich laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der CSU 87 Prozent der Menschen in Bayern die deutsche Leitkultur als Maßstab. 62 Prozent sind zudem dafür, die Regeln für eine Leitkultur in der Landesverfassung zu verankern, wie es bei der Vorstellung der Umfrage durch das Meinungsforschungsinstitut Policy Matters im Kloster Banz hieß. (dpa)

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