Politik

Die vier für den Ausbau zuständigen Netzbetreiber halten an den von Seehofer kritisierten Trassen fest. (Foto: dpa)

04.11.2014

Nächste Runde im Streit um Stromtrassen

Ohne Supertrassen geht nichts, meinen die Betreiber - CSU-Chef Seehofer macht jetzt eine andere Rechnung auf

Die Betreiber der Stromnetze haben noch mal durchgerechnet: Ohne neue Supertrassen in den Süden platzt der Traum von der Ökostrom-Republik, meinen sie. CSU-Chef Seehofer macht eine andere Rechnung auf. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bleibt im Streit um neue Stromtrassen hart und warnt vor einer Kostenexplosion. Wenn auf Druck besorgter Bürger neue Leitungen in großem Umfang unter die Erde gelegt werden müssten, drohten Belastungen von weit über 20 Milliarden Euro für die Stromkunden. Der CSU-Vorsitzende mahnte in Berlin eine "saubere Systemanalyse" für die Netze an, "damit uns da nicht die Kosten über den Kopf wachsen". Die vier für den Ausbau zuständigen Netzbetreiber Tennet, Amprion, 50Hertz und TransnetBW halten in ihren am Dienstag vorgestellten neuen Plänen jedoch an den von Seehofer kritisierten Trassen - trotz einiger Korrekturen - fest. Angesichts des erbitterten Streits um die Stromautobahnen mahnte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) einen raschen Ausbau an. Er beklagte sich über "irre Zustände" bei der Energiewende, weil der im Norden im Überfluss produzierte Windstrom wegen fehlender Leitungen nicht in den Süden mit seinem hohen Energiebedarf komme - so dass dort teilweise Strom aus dem Ausland eingekauft werden müsse. Beim Stromnetzausbau soll es trotz der Proteste in Bayern bei drei großen Trassen in den Süden bleiben, allerdings sind insgesamt sieben größere Korrekturen geplant. So soll die von Seehofer scharf kritisierte Ost-Süd-Trasse um 110 Kilometer Richtung Norden verlängert werden und bei Magdeburg beginnen, um mehr Windstrom nach Bayern transportieren zu können. Mit der Verlagerung des Startpunktes scheinen die Netzbetreiber Protesten Rechnung zu tragen, dass vor allem Braunkohlestrom über die Trasse nach Bayern gelangen könnte - bisher sollte sie in Bad Lauchstädt nahe eines Braunkohlereviers starten. In Bayern soll die Ost-Süd-Trasse zudem nicht mehr in Meitingen bei Augsburg, sondern 30 Kilometer weiter westlich beim AKW Gundremmingen in Schwaben enden. Seehofer, der 2013 im Bundesrat dieser Trasse und weiteren 35 Projekten zugestimmt hatte, leuchtet das nicht ein. Er schlug vor, von dem bis nach Baden-Württemberg verlaufenden SuedLink einen Abzweig nach Gundremmingen zu machen, statt eine weitere Höchstspannungstrasse durch Ostbayern zu verlegen. Die Staatsregierung stellte am Dienstag klar, dass es sich bei den neuen Plänen um die Meinung der Netzbetreiber handle, nicht aber um eine Entscheidung. "Jetzt schauen wir uns mal an: Welche Leitungen brauchen wir wirklich", sagte Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) nach einer Kabinettssitzung. Es müsse erlaubt sein, zu prüfen, ob das Ganze nicht anders funktioniere, billiger und mit weniger Ärger. In den betroffenen Regionen in Bayern stoßen die vorgeschlagenen Korrekturen auf Ablehnung. "Ich habe die Stromtrassen nie gewollt und natürlich auch keine Verschiebung. Das führt nur dazu, dass jemand anderes die Trasse vor der Nase hat", sagte der Landtagsabgeordnete Wolfgang Fackler (CSU) aus dem Landkreis Donau-Ries. Durch seinen Kreis soll nach den neuen Plänen die Ost-Süd-Stromtrasse verlaufen. Auch der Landtagsabgeordnete Hans Reichhart (CSU) aus dem betroffenen Regierungsbezirk Schwaben kritisierte die Pläne. "Das ist viel heiße Luft von den Trassenbauern", erklärte er. "Man geht mit irgendetwas an die Öffentlichkeit, was überhaupt nicht ausgegoren ist." Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger kritisierte, Bayern sei von der neuen Trassenplanung noch stärker betroffen. "Wir müssen diese Trasse verhindern, weil sie Bayern in Abhängigkeit von norddeutschem Windstrom bringt, während gleichzeitig der Ausbau der erneuerbaren Energien in Bayern abgewürgt wird", sagte er. In den nächsten zehn Jahren sollen insgesamt 2800 Kilometer an neuen Höchstspannungsleitungen gebaut werden, die meisten als Gleichstromtrassen mit einer Transportkapazität von sechs Gigawatt. 2900 Kilometer im bestehenden Netz sollen optimiert werden. An Kosten werden mindestens 22 Milliarden Euro veranschlagt - ohne Erdkabel. Die Bundesnetzagentur muss die Vorschläge nun prüfen und genehmigen. Später werden Regierung, Bundestag und Bundesrat darüber beraten. Mit dem Ausbau soll vor allem mehr Windstrom aus dem Norden und Osten in den Süden kommen. Die geplante "Hauptschlagader" der Energiewende, der in Schleswig-Holstein beginnende 800 Kilometer lange SuedLink, soll beim Abzweig nach Baden-Württemberg nun bei Wendlingen enden, um näher an die Industrieregion Stuttgart heranzurücken. Dafür soll eine von Bünzwangen nach Goldshöfe geplante Wechselstromtrasse entfallen. Zum Abtransport von Windstrom aus Mecklenburg-Vorpommern sollen zudem Leitungen von 220 auf 380 Kilovolt verstärkt werden, und zwar bei den Trassen Pasewalk-Lubmin und Lubmin-Lüdershagen-Güstrow. Eine weitere Netzverstärkung ist von Hamburg/Nord nach Krümmel geplant. Bei Gütersloh in Nordrhein-Westfalen soll auf eine Höchstspannungstrasse verzichtet werden, ebenso auf eine Trasse von Borken nach Gießen in Hessen. An der Nordsee soll eine Leitung zum Abtransport von Meeres-Windstrom östlich zum Einspeisepunkt Cloppenburg/Ost verlagert werden. Deutschland hatte sich 2011 nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima für einen völligen Umbau der Energieversorgung entschieden. Das letzte Kernkraftwerk soll bis 2022 vom Netz gehen, der Anteil von Ökostrom aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse an der Stromerzeugung von heute 25 Prozent bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent steigen. (Georg Ismar/Tim Braune, dpa)

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