Politik

Riesiger Medien-Andrang beim Prozess-Auftakt in Regensburg. (Foto: dpa)

07.07.2014

Sein Kampf um Rehabilitation

Das Wiederaufnahmeverfahren gegen Gustl Mollath ist gestartet

Fast ein Jahr nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie hat heute vor dem Landgericht Regensburg das Wiederaufnahmeverfahren gegen Gustl Mollath begonnen. Der Fall des sieben Jahre gegen seinen Willen in der Psychiatrie untergebrachten Nürnbergers hat die Menschen in Deutschland berührt und die Justiz erschüttert. Gleich zum Auftakt beantragte Mollath, den psychiatrischen Sachverständigen aus dem Gerichtssaal zu weisen - allerdings erfolglos.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung. Im ersten Verfahren hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth 2006 festgestellt, dass Mollath seine inzwischen von ihm geschiedene Frau 2001 körperlich misshandelt und Autoreifen zerstochen hatte.
Weil die Gutachter den Nürnberger jedoch wegen seiner angeblichen Wahnvorstellungen als gemeingefährlich einstuften, sprach das Gericht Mollath wegen Schuldunfähigkeit frei und wies ihn stattdessen in die Psychiatrie ein. Erst im vergangenen August kam er frei.
Der 57 Jahre alte Mollath meldete sich zu Prozessbeginn zu Wort: "Von mir gibt es kein Einverständnis zu den Sachverständigen", sagte Mollath. Er verlangte, dass bei seiner Vernehmung Professor Norbert Nedopil als Gutachter den Gerichtssaal verlässt. Er wolle sich frank und frei verteidigen: "Das kann ich aber nicht, wenn Herr Nedopil als Damoklesschwert über mir schwebt." Er bekomme Beklemmungen und Angstzustände.

Nicht erschienen: Mollaths Ex-Frau

Die Staatsanwaltschaft sprach von einem Dilemma. Die Strafprozessordnung sehe die Anwesenheit des Gutachters vor. "Das Gericht muss sich mit der Frage der Schuldfähigkeit und der Gefährlichkeit des Angeklagten befassen", sagte der Staatsanwalt. Dem folgte auch das Landgericht und wies den Antrag der Verteidigung zurück: Nedopil blieb im Gerichtssaal.
Mollaths Ex-Frau, die als Nebenklägerin am Prozess beteiligt ist, erschien nicht. Der Angeklagte wertete das als "puren Selbstschutz". Er ist überzeugt, dass seine Ex-Frau und die Justiz ein Komplott geschmiedet und ihn in die Psychiatrie gebracht hatten.
Ds Landgericht Nürnberg-Fürth hatte 2006 festgestellt, dass Mollath seine Frau 2001 mit 20 Fausthieben niedergeschlagen, gebissen, getreten und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt habe. Dann soll er sie in der Wohnung eingesperrt haben. Außerdem habe er Autoreifen zerstochen. Weil die Gutachter den Nürnberger jedoch wegen seiner angeblichen Wahnvorstellungen als gemeingefährlich einstuften, sprach das Gericht Mollath wegen Schuldunfähigkeit frei und wies ihn stattdessen in die Psychiatrie ein. Erst im vergangenen August kam er frei.
Mollath hatte während seines Strafverfahrens seine Frau, weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank und Kunden wegen Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäften angezeigt. Er schrieb viele, oft verworrene Briefe an Behörden, Staatsanwälte, die Bank, seine Frau, den Papst, UN-Generalsekretär Kofi Annan und andere. Empfänger sahen seine Schreiben als Querulanz und Verfolgungswahn, die Staatsanwaltschaft legte die Anzeigen ad acta. Als jedoch 2012 ein älterer Revisionsbericht der HypoVereinsbank auftauchte, belegte er einen Teil von Mollath Schwarzgeld-Vorwürfen.
Das Landgericht Regensburg hat für den neu aufgerollten Prozess gegen Mollath 17 Verhandlungstage angesetzt und 44 Zeugen geladen. Darunter sind auch Richter, Staatsanwälte und Gutachter aus vorherigen Prozessen und Ermittlungsverfahren. Der Prozess wird morgen um 13.30 Uhr mit der Vernehmung von Polizeibeamten fortgesetzt.  (dpa) Hintergrund: Chronologie Seit 2006 saß der Nürnberger Gustl Mollath in der Psychiatrie - und kämpfte für seine Freilassung. Vergangenen August wurde er entlassen. An diesem Montag beginnt das Wiederaufnahmeverfahren in Regensburg. Eine Chronologie des Falles:
  •  November 2002: Mollath wird von seiner Frau wegen Körperverletzung angezeigt. Er soll sie im August 2001 mindestens 20 Mal geschlagen haben. Außerdem habe er sie gebissen, getreten und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Mollath bestreitet die Vorwürfe.
  • Mai 2003: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhebt Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung.
  • September 2003: Die Hauptverhandlung beginnt vor dem Amtsgericht Nürnberg. Das Verfahren wird ausgesetzt und beginnt im April 2004 neu. Ein Gutachter attestiert Mollath gravierende psychische Störungen.
  • Dezember 2003: Mollath erstattet Strafanzeige gegen seine Frau, weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank und 24 Kunden wegen Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäften. Die Anzeige wird später von der Staatsanwaltschaft abgelegt. Die Angaben seien zu unkonkret für ein Ermittlungsverfahren.
  • Juni 2004: Mollath muss zur Begutachtung ins Bezirkskrankenhaus Erlangen, kommt aber wieder frei. Im Februar 2005 wird er für fünf Wochen in das Bezirkskrankenhaus Bayreuth eingewiesen.
  • August 2006: Ein Gutachter bescheinigt Mollath eine wahnhafte psychische Störung und paranoide Symptome. Das Landgericht Nürnberg-Fürth stellt fest, dass Mollath seine inzwischen von ihm geschiedene Frau körperlich misshandelt und Autoreifen zerstochen hat. Weil der Gutachter ihn jedoch wegen seiner Wahnvorstellungen als gemeingefährlich eingestuft hatte, spricht das Gericht Mollath wegen Schuldunfähigkeit frei, und er wird in die Psychiatrie eingewiesen.
  • Februar 2007: Der Bundesgerichtshof verwirft Mollaths Revision als unbegründet.
  • März 2012: Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sagt im Landtag, Mollaths Strafanzeige wegen der Bankgeschäfte seiner Frau sei "weder Auslöser noch Hauptanlass noch überhaupt ein Grund für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gewesen". Seine Vorwürfe gegen die Bank hätten keinen begründeten Anfangsverdacht für Ermittlungen ergeben.
  • November 2012: Ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003 wird publik. Danach traf ein Teil von Mollaths Vorwürfen zu. Die Freien Wähler fordern Merks Rücktritt und einen Untersuchungsausschuss.
  • 30. November 2012: Merk will den Fall Mollath komplett neu aufrollen lassen und ordnet einen Wiederaufnahmeantrag wegen möglicher Befangenheit eines Richters an.
  • 18. März 2013: Die Staatsanwaltschaft beantragt die Wiederaufnahme wegen neuer Tatsachen, die dem Gericht bei der Verurteilung 2006 noch nicht bekanntgewesen seien. Entscheiden muss das Landgericht Regensburg.
  • 26. April 2013: Der Mollath-Untersuchungsausschuss des Landtages tritt erstmals zusammen.
  • 28. Mai 2013: Das Landgericht Regensburg lehnt eine Entscheidung über Mollaths Psychiatrie-Unterbringung vor der Prüfung des Wiederaufnahmeantrags ab.
  • 9. Juli 2013: Der Untersuchungsausschuss geht zu Ende. SPD, Grüne und Freie Wähler sehen gravierende Fehler bei den Ermittlern und bei Merk und verlangten deren Entlassung.
  • 24. Juli 2013: Das Landgericht Regensburg weist die Anträge zur Wiederaufnahme des Mollath-Prozesses zurück.
  • 6. August 2013: Das Oberlandesgericht Nürnberg hebt nach knapp zwei Wochen Beratung die Regensburger Entscheidung auf. Das Gericht ordnet die Wiederaufnahme des Strafverfahrens sowie die sofortige Freilassung Mollaths an.
  • 5. September 2013: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gibt einer Beschwerde Mollaths statt. Seine Unterbringung in der Psychiatrie war demnach seit 2011 verfassungswidrig.
  • 12. Dezember 2013: Das Landgericht Regensburg kündigt an, dass es Mollath erneut psychiatrisch begutachten lassen will. Mollath lässt über seinen Anwalt mitteilen, dass er dies ablehnt.
  • 19. Dezember 2013: Das Landgericht Regensburg teilt mit, dass das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath am 7. Juli 2014 beginnt.

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