In Bayern sinkt das Interesse, ein Unternehmen zu gründen, deutlich - auch aufgrund drastischer Einschnitte bei der Förderung
Heute würde ich mich nie mehr selbstständig machen!“, poltert Walter Köppel, Inhaber eines Haus- und Küchentechnikhandels im fränkischen Schauenstein. Seit 1969 ist er selbstständig. Er kritisiert den Verwaltungsaufwand und das komplizierte Steuerrecht – „da blickt doch keiner mehr durch“. Doch es sind vor allem auch die Einschnitte bei der staatlichen Förderung, die Köppel, frischgewählter Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger in der Bayern-SPD, Sorge bereiten.
Tatsächlich hat im Freistaat das Interesse, ein Unternehmen zu gründen, deutlich nachgelassen. Laut dem neuen Gründungsmonitor der KfW-Förderbank gab es 2012 bundesweit einen Rückgang an Neugründungen um sieben Prozent. Mit 775 000 Neugründungen wurde der niedrigste Stand seit 2000 erreicht. In Bayern ist die Entwicklung noch beunruhigender. Dort gab es laut Statistischem Landesamt mit 104 118 Neugründungen 10,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Beim Anteil von Gründern in der Bevölkerung liegt der Freistaat nur mehr im Mittelfeld. Markus Droth, Hauptgeschäftsführer vom Bund der Selbstständigen (BDS) in Bayern warnt eindringlich: „Die Politik muss dieser Entwicklung möglichst schnell entgegenwirken, sonst heißt es: Gründerland ist abgebrannt.“
Laut dem KfW-Bericht werden bürokratische Hürden und Finanzierungsprobleme von den Befragten als häufigste Gründungshemmnisse genannt. Die aktuell so deutlich rückläufigen Zahlen liegen der Studie zufolge aber vor allem an der guten Arbeitsmarktlage und den Änderungen in der Gründungsförderung. Auch der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) sieht die Entwicklung als Folge des „florierenden Arbeitsmarkts mit nahezu Vollbeschäftigung“. In konjunkturellen Hochzeiten entscheiden sich viele für die sichere Variante der Festanstellung.
„Gerade wenn es um die Gestaltung eines dynamischen Aufschwungs geht, braucht jede Volkswirtschaft aber neue Impulse, neue Unternehmen und leidenschaftlichen Mut zur Selbstständigkeit“, betont Zeil. BDS-Chef Droth ergänzt, dass es vor allem auf die mittleren und kleineren Unternehmen ankomme. „80 Prozent der Patente gehen von ihnen aus“, erklärt er. Die Zahl der Gründungen von Kleinunternehmen ging in Bayern 2012 allerdings „noch dramatischer“ zurück – um 20 Prozent. Droth fordert deshalb neben einem unternehmerfreundlicheren Insolvenzrecht und der Abkehr von Plänen einer Zwangsrente für Selbstständige wieder bessere Förderungen von Gründungen durch die Agentur für Arbeit.
Der Gründungszuschuss wurde gekürzt
Ende 2011 wurde der Gründungszuschuss in Höhe des Arbeitslosengeldes plus einer Pauschale von 300 Euro von neun auf sechs Monate verkürzt. Zudem wurde die Förderung in eine reine Ermessensleistung umgewandelt. Die Vermittlung eines Arbeitssuchenden in einen Angestelltenjob hat immer Vorrang, so das neue Credo. Die Konsequenz: Zwischen Februar 2010 und Februar 2013 ging die Zahl der geförderten Existenzgründer in Bayern von rund 25 000 auf 2000 zurück. Dass sich diese Einschnitte auf das Gründungsgeschehen negativ auswirken, erkennt man auch im Wirtschaftsministerium. Doch verweist man dort auf die „breitgefächerte Palette an Unterstützungen“ im Freistaat, etwa durch die 42 Gründerzentren. Hier werden Beratungen vor der Gründung angeboten – beispielsweise zur Finanzierung.
Doch gerade Gründer, die zuvor arbeitslos waren, sind eine bedeutende Gruppe. In den vergangenen Jahren war laut KfW-Monitor jeder fünfte Gründer zuvor arbeitslos. 2012 war es nur noch jeder zehnte. Eine Entwicklung, die auch Alexander Kritikos, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, kritisch sieht. „Es gibt wenig Maßnahmen, die so viel Wirkung zeigen wie der Gründungszuschuss“, sagt er. Untersuchungen des DIW ergaben, dass fünf Jahre nach Förderbeginn zwischen 60 und 70 Prozent der Gründer noch selbstständig waren. Nur zehn Prozent waren wieder arbeitslos, der Rest regulär beschäftigt. Neben der Landtagsopposition plädiert auch Erwin Huber (CSU), Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Landtag, dafür, den Gründungszuschuss als echte „Starthilfe“ wieder auszuweiten.
Ohne Neugründungen sklerotisiert die Wirtschaft
Der Rückgang von Existenzgründungen kann auch als ein Frühindikator für den nächsten wirtschaftlichen Abschwung gesehen werden, betont Kritikos. „Gibt es nicht genügend Neugründungen, sklerotisiert die Wirtschaft.“ Deshalb sei eine konstante Förderung von Gründungen unabhängig von der wirtschaftlichen Lage wichtig. Allerdings droht das Bundesarbeitsministerium mit neuen Einschnitten. Für Coachings nach der Gründung ist der Bund zuständig. Da die aktuelle EU-Strukturfonds-Förderperiode Ende des Jahres ausläuft, stehen sie auf der Kippe – ebenso wie die EU-kofinanzierten Mikrofinanzfonds. Bayern will sich nun für effektive Nachfolgelösungen einsetzen, heißt es aus Zeils Ministerium – zumindest was den Zugang zu Kleinstkrediten betrifft. (Angelika Kahl)
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