"Sexy Horst": Auch ohne die auffälligen Aufkleber wäre den Lesben und Schwulen aus der CSU beim Christopher Street Day (CSD) im Juli in München die Aufmerksamkeit gewiss gewesen. Erstmals waren Parteimitglieder mit einem eigenen Wagen bei der Parade. Durchgesetzt hatte das vor allem Patrick Slapal, der beim CSU-Parteitag vor einem Jahr ein Lesbisch-Schwules Netzwerk in der Christlich-Sozialen Union gründete. Rund 20 Leute waren damals dabei, etwa 40 fuhren beim CSD auf dem Lkw mit - und heute gehören dem Netzwerk gut 80 Leute an.
Doch auch wenn CSU und CSD nur ein Buchstabe unterscheidet - Homosexuelle und ihre Themen vermutet man eher weniger in der konservativen Partei von Horst Seehofer. "Das stimmt nicht", meint Slapal. "Die CSU spiegelt die Gesellschaft wider." Und auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer erklärt: "Wir sind eine große Volkspartei. Wir repräsentieren alle in unserer Gesellschaft. Deswegen sind wir so erfolgreich." Ist das wirklich so?
Gleichstellung der Ehe: Auch darüber stimmt der Parteitag ab
Slapal verweist auf das Grundsatzprogramm, über das der Parteitag am 5. November abstimmt. Darin geht es auch darum, dass eingetragene Lebenspartnerschaften Homosexueller nicht diskriminiert werden. Slapal spricht von "Gleichstellung" mit der Ehe und sagt: "Die CSU überholt jetzt die CDU bei dieser Sache." Der Vorsitzende der CSU-Grundsatzkommission, Markus Blume, klingt da distanzierter: Die Leitlinien seien programmatisch weiterentwickelt worden. "Aber ohne das klassische Leitbild aus dem Blick zu verlieren, das betone ich."
Parteiintern klingen die Reaktionen auf das Netzwerk eher gemäßigt. In der CSU habe sich in puncto Homosexualität auch unabhängig von der Gruppe etwas getan. Dabei handle es sich um einen "informellen Zusammenschluss einiger lesbischer und schwuler CSU-Mitglieder", relativiert ein CSU-ler. Und von denen habe man recht wenig gehört.
Ein Problem, das auch die andere Seite sieht: Zwar begrüßen etwa Lesben- und Schwulenverbände sowie die Grünen, die die Anliegen Homosexueller von Anfang an auf der politischen Agenda hatten, durchaus, dass sich in der CSU etwas in diese Richtung tut. "Die CSU ist aber ein hartes Brett", sagt Markus Ulrich vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD). Homosexuelle bei den Christsozialen seien noch sehr damit beschäftigt, nach innen zu konsolidieren. "Gerade bei der CSU ist das noch ein langer Weg", sagt Hannah Lea aus dem Vorstand des LSVD Bayern. "Da wird versucht, alle mitzunehmen, ohne die älteren Stammwähler abzuschrecken."
Schwulenverbände wünschen sich ein kritischeres CSU-Netzwerk
Die beiden wünschen sich vor allem mehr öffentliche Kritik des Netzwerks an der CSU-Politik - etwa als Justizminister Winfried Bausback Einwände bei der von Bundesressortchef Heiko Maas (SPD) geplanten Rehabilitierung von nach altem Recht verurteilten Homosexuellen äußerte. Oder als Kultusminister Ludwig Spaenle sich in der Debatte über Richtlinien zur Sexualerziehung an bayerischen Schulen mit Mitgliedern der "Demo für alle" traf, die sexuelle Identität und Orientierung als Unterrichtsthemen ablehnen. "Da höre ich keinen Aufschrei des Netzwerks", sagt auch Grünen-Landeschefin Sigi Hagl. Nach außen hin vertrete die Partei eine ganz andere Politik.
Anfeindungen auf Homosexuelle nähmen mit dem Erstarken der Rechten wieder zu, sagt Hagl. Doch die CSU sei ähnlich populistisch wie die AfD. "Von dem Netzwerk spüre ich da nichts. Dann ist es mit denen auch nicht weit her. Das ist eher ein Feigenblatt."
Genau das will Gründer Slapal nicht. Der Wagen beim CSD sei keine Werbeaktion für die CSU gewesen. "Ich habe deutlich gemacht, dass das ein Zeichen in die Partei hinein ist, dass es Leute gibt, die das wollen." Ein grundlegendes Problem dabei für Homosexuelle: Auf dem Land haben sie es schwerer. So sagt auch Slapal: "In München stößt man auf offene Ohren." Daher sei die Arbeit des Netzwerks im Moment noch stark auf die Großstadt fokussiert. Darüber hinaus hätten auch innerhalb der Partei noch immer viele Angst, sich zu outen.
Nächstes Ziel: ein eigener Landesverband mit entsprechenden Strukturen
Ein anderes Problem: Bislang arbeiten die Netzwerkmitglieder ehrenamtlich. Anders als andere Gruppen der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) haben die Bayern keinen Landesverband, keine Mitgliederversammlung, keine Entscheidungsgremien, keine Einnahmen.
Das soll sich bald ändern. Slapal wurde mittlerweile in den LSU-Bundesvorstand gewählt. Er will nun einen Landesverband mit entsprechenden Strukturen gründen und auch die Öffentlichkeitsarbeit stärken. Und ein weiteres Thema angehen für den nächsten CSD: "Für unseren Wagen mussten wir Sponsoren suchen. Wir wollten zeigen, dass wir es alleine können." Nun hofft er auf finanzielle Unterstützung der Partei. Dafür habe er Scheuer schon um ein Gespräch gebeten. (Marco Krefting, dpa)
Kommentare (1)